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Category Archives: Champagner

Hier dreht sich alles um Champagner.

Salon des Vignerons Independants, Strassburg

In Straßburg findet immer der Salon des Vignerons Independants statt, auf dem man zu Ab-Hof-Preisen einkaufen kann. Ganz nebenher kann man sich in der auch zu Viehmarktzwecken geeigneten Halle mit Austern zum Schmunzelpreis vollfuttern (Dutzend frischer Austern zum Mitnehmen oder sechs geknackte Biester mit Butter, Brot und Zitrone zum Preis von 10,00 €), wer die nicht mag, deckt sich mit Schinken, Wurst, Käse, Sandwiches oder, klar, Foie Gras ein. Oder macht aus Zeitnot und Gier alles zusammen, so wie ich. 

Mein Hauptaugenmerk galt den Champagnerwinzern, die über die Halle verstreut ihre heiße Ware ausschenkten.

Fleury-Gille (Courcelles/Trelou sur Marne),

Trelou kennt man von der auf dem Weg dorthin gelegenen Foie-Gras-Farm und vom Bier. Und neuerdings auch wegen einiger dort beheimateter Winzer, zu denen ich unbedingt Fleury-Gille zähle. Der undosierte Blanc de Noirs Brut Absolut aus 60PM/40PN auf 2011er Basis macht klar, dass Fleury-Gille sich nicht zu den Winzern zählen lassen möchte, die Großhausklone produzieren, sondern lieber zu den Erzeugern mit erkennbarem Lokalcharakter. Der wird zwar bei der Spitzencuvée des Winzers nicht so ganz deutlich, aber darauf kann ich ausnahmsweise verzichten, wenn der Champagner sich so schwungvoll die Kehle hinabstürzt. Cuvée Pierre-Louis heißt der Stoff und ist aus 100CH gemacht, mit sechs Monaten Fassaufenthalt. Davon halte ich mir zu Testzwecken einen kleinen Handvorrat, denn auf die Reifefähigkeit bin ich jetzt sehr gespannt. Auch den 2005er aus 50CH/50PN will ich nicht verschweigen, der holt aus dem gerade im mittleren Marnetal nicht ganz einfachen jahrgang alles raus, was geht und steht zur Zeit wie eine Eins.    

Jean Gimonnet (Cuis),

Gimonnet kennt man. Aber nicht den hier. Wobei, mittelbar doch: von den 10 Hektar Rebfläche gehen 20% an Pol-Roger. Der Blanc de Blancs Premier Cru auf 2006er Basis, dégorgiert im Oktober 2014 und mit 4,5 g/l dosiert machte einen ordentlichen Eindruck, der sich stilistisch auch irgendwie in Richtung Pol-Roger verstehen ließ. Knackig und klar, dazu ein ganz leicht nussiges Zugeständnis an den goût anglais, insgesamt gut, nur etwas simpel. Warum es das genau gleiche Produkt dann nochmal als Millésime 2006, dég. November 2014 geben musste, erschloss sich mir auf dem Papier nicht. Im Glas dann schon. Die Qualitöt war doch merklich gehoben, leider auch der Preis: 23,50 € statt 17,60 €. Als klaren Favoriten habe ich für mich die Cuvée Prestige (wieder 100CH) Premier Cru für 24,00 € identifiziert, ein so lächerlicher Preissprung gegenüber dem Jahrgangschardonnay, aber eine nochmal deutliche Steigerung im Geschmack. Basis hier ist 2005 mit Reserven aus 2004 und 2002, Dosage hat er 4 g/l bekommen. Lupenrein, auch etwas ins sterile gehend, aber dadurch überhaupt nicht leblos, eher dass er an Klinikfetish und Latexkrankenschwesterdress erinnert, mittellang, mittelleicht, ausgeprägt schön.   

Francois Gonet (Le Mesnil),

Gonet ist in der Côte des Blancs ein geläufiger Name. Michel Gonet aus Avize, Philippe Gonet aus le Mesnil sieht man in Deutschland oft. Francois Gonet aus Le Mesnil nicht. Das ist nicht weiter schlimm. Mich haben die Champagner nicht berührt, auch wenn die Preise für Brut Reserve (15,30 €), Millésime 2009 (16,70 €) und Prestige auf Basis des 2006ers (20,00 €) sehr auf dem Boden geblieben sind.Mir war die Dosage zu hoch, der Jahrgang zu einfältig gemacht, der Prestige zu antriebsarm.     

Pascal Henin (Ay),

Weiter geht's mit dem kennt man, kennt man nicht Spiel: Ay kennt man. Pascal Henin kennt man nicht. Hier nicht. So alt ist der Erzeuger auch noch gar nicht. 1989 wurde der Familienbetrieb gegründet, eine Rebschule komplettiert das Tätigkeitsfeld der alteingesessenen Familie. Was mir auffiel: die Dosage ist mit 7 g/l nicht wirklich hoch, aber die Champagner wirken so, als habe es der Winzer ein bisschen zu gut mit der Dosage gemeint. Bei einem anderen Winzer und Rebschulbetreiber in Ay ist mir das seit jahren schon ein Dorn im Auge aber vielleicht soll das ja so sein und vielleicht muss ich meinen Gaumen da lieber etwas weniger wichtig nehmen, denn nicht ich muss den Champagner am Ende verkaufen, sondern die Winzer und die werden wissen, was beim Publikum ankommt und was nicht. Der ordentlich gemachte Brut Tradition aus 40PN 40CH 20PM auf Basis 2012 gab als Einstieg jedenfalls diese süßliche Richtung vor, an der es technisch nunmal nichts zu meckern gibt. Der Brut Reserve auf Basis 2010 legte in Sachen Komplexität gleich einige Briketts mehr auf, spätestens nach diesen beiden Champagnern gehen einem dann die Zweifel an der Stilistik verloren: das Süße ist gewollt und gekonnt. Gekonnt und erstmals auch für meinen Geschmack ein Aufmerker war der 2008er Grand Cru aus 50PN aus der Lage La Pelle (die es bekanntlich von einem anderen Winzer auch als sehr trinkenswerte Einzellage gibt) und 50CH aus Chouilly. Trotz satter 8,5 g/l Dosage ein Wein für Schlemmer und ein richtig guter Vertreter für den reichhaltigen Stil. Hin und weg war ich danach vom Zéro Dosage "Terre de Craie", dessen Aufmachung und Stilistik genau das ist, was ich von einem jungen Betrieb erwarte. Blanc de Blancs mit CH aus Chouilly, Ay, Mareuil le Port, palettenweise Mandarine, Limone und Zitronencrème. So macht Champagner richtig Spaß und dieses Gegenprogramm zum auch sehr schönen, stilistisch gänzlich entgegengesetzten 2008er zeigt mir, dass Henin ein Erzeuger ist, den man im Auge behalten muss. 

Thierry Massin (Ville sur Arce), 

Massin ist wie Gimonnet und Gonet ein Name, der für Verwirrung sorgt und der letzte in der kurzen bekannt/nicht bekannt Serie, die ich auf dem Salon des Vignerons Independants improvisiert habe. Der Instant M Extra Brut mit seinem etwas moderneren und die Cuvée Mélodie mit ihrem etwas altmodischeren Etikett sind keine Monumentalchampagner, aber dermaßen akkurat, schnörkellos, genussfreundlich und sympathisch, dass ich beim nächsten Besuch vor Ort unbedingt etwas davon mitnehmen werde, meine Notizen dazu kann ich nämlich nicht mehr entziffern, sehe aber anhand der Pluszeichen, dass es guten Grund zur Nachverkostung gibt.  

Train hard fight easy: Vins Clairs Workshop mit Floriane Eznack

Die Alliance Champagne gehört zu den größeren Neu-Zusammenschlüssen von Champagnerproduzenten innerhalb der letzten Jahre. Drei Genossenschaftsgruppen mit den wichtigsten Marken Pannier, Devaux und Jacquart agieren jetzt unter diesem Dach und haben eine gewaltige Menge Trauben aus allen Regionen der Champagne zu ihrer Verfügung. Jacquart als am nördlichsten angesiedelter Produzent hat sich seit 2010 die Kellermeister-Dienste der energiereichen Floriane Eznack gesichert, die in den letzten zehn Jahren eine steile Karriere, u.a. bei Moet und Veuve Clicquot, hingelegt hat. Von ihr werden wir noch einiges hören, bzw. trinken.

Die Alliance sorgt für ein eigenständiges und hochwertiges Auftreten ihrer Marken; so repräsentiert Veuve Devaux sehr herrschaftlich in einem großzügigen Manoir in Villeneuve und Jacquart hat sich das Hotel de Brimond am Boulevard Lundy in Reims gesichert, direkt gegenüber von Louis Roederer. Wohl aus gutem Grund. Denn Straßen haben für Jacquart eine historische Bedeutung. Eine Gründerpersönlichkeit gibt es schließlich nicht, mehr ein Gründerkollektiv. Das residierte in der rue Jacquart, die folglich als Firmenname adaptiert wurde.

Heute ist Jacquart weltweit heimisch, vor allem in USA sehr präsent. In Deutschland war der Start 1997 aus meiner Sicht nicht ganz so glücklich, die Trennung zwischen Supermarktware und Fachhandelslinie wollte mir nie gefallen, die undiffrenzierte Vielzahl verschiedener Spitzencuvées war nie recht begreiflich zu machen und ehrlich gesagt schmeckten die auch nicht so gut, dass davon viel bei mir haften geblieben wäre – glücklicherweise wurde das Chaos an der Spitze zusammengestrichen und durch eine wiederum neue Cuvée Alpha ersetzt. An einige Magnums der Cuvée Nominée 1988 kann ich mich von Ferne noch erinnern, das war's aber auch. Dabei war der Champagner von Jacquart wenn man wusste, was und wann man zu kaufen hatte, immer zuverlässig, sei es der Brut Mosaique oder der hemmungslos durch fast alle Jahre durchproduzierte Jahrgangs-Blanc de Blancs. Dolles Reifepotential hatten die nicht, aber frisch nach Freigabe verzehrt war das immer eine gute Sache und ist es bis heute, zum Beispiel im von mir geschätzten Londoner Sushi Samba (obwohl ich das Duck & Waffles noch besser finde, weil man da rund um die Uhr sein kann), wo Jacquart seinen 50. Geburtstag gefeiert hat, bezeichnenderweise nicht mit einer seiner Spitzencuvées oder etwas sonstwie neuartigem, sondern mit dem ganz normalen Rosé, den es eigens für diesen Anlass erstmals aus Magnums gab, wo er sich bestens hält – dieser Rosé wird auf Basis des Brut Mosaique Blanc hergestellt und bekommt etwas Rotwein, der regelmäßig aus Riceys, Neuville, Vertus, Cumières und Ay stammt.

Nun also hat Jacquart seine vor wenigen Jahren begonnene Workshopreihe fortgesetzt und Interessierten die Möglichkeit eröffnet, Grundweine aus wirklich berufenem Munde erklärt zu bekommen. Floriane Eznack hatte eine kleine Terroir- und Rebsortenrundreise vorbereitet, war aber um spontane Ausflüge in die Bibliothek nicht verlegen und bot so ein wirklich lehrreiches Programm, bei dem ich einmal mehr festgestellt habe, wie es denn so um meine sensorischen Fähigkeiten bestellt ist.

Meuniers:

Der Wein aus Trelou steht auf sandig-kalkigem Boden und zeichnet sich durch seine milde Rauchnote aus, auf mich wirkte er etwas breit und alkig, aber nicht ausgefranselt, bei vergleichsweise wenig Säure. In Villedomange sind die Meuniers gleich viel strukturierter was an der abhärtenden, jedes unnötige Fett wegschmelzenden Lage in der Montagne liegen kann, ähnlich wie bei den athletischen Chardonnays von dort. der Meunier war gleich viel schlanker, fruchtiger, frecher, mit einer prickligen Attacke auch am Gaumen, eine lange stehende Säure blieb dennoch aus. Festigny, wo einige der besten Meuniers herkommen, hat sandigen eisenoxiddurchsetzen Boden mit nur wenig Kreide, dort hat der Meunier eine ruhige und gelassene Nase, im Mund hingegen eine ausgeprägte, lange und gesunde Säure, also genau das, was den anderen beiden gefehlt hat, so dass sich das dreiteilige Puzzle doch noch zusammensetzen ließ.

Taille:

Zu Ausbildungszwecken gab es dazwischengeschoben zwei Tailles, also den Saft der zweiten Pressung. Einmal vom Chardonnay, einmal vom Pinot Noir. Beide wirkten, selbst nach den an sich harmlosen Meuniers, weichlicher, zugleich grober, alkoholischer, wenig komplex, insgesamt kurz, und mit Zeitablauf immer langweiliger. Kein Wunder, dass alle immer von sich behaupten, keine Taille zu verwenden, sondern die immer nur an andere weiterzuverkaufen.

Pinot Noir:

Der Pinot von der Aube ist das Spezialgebiet von Monsieur Parisot aus dem Schwesterhaus Devaux. Floriane Eznack versteht sich aber auch darauf. Sie mag vor allem die eleganten Pinots aus Urville, Landreville und Neuville sur Seine, deren letzterer schlank, stahlig, mit feiner Rotfrucht, Crème und nur andeutungsweise etwas guter Butter zu gefallen wusste. Die allererste Pressung des ersten Pressdurchgangs der Trauben aus dem Grand Cru Mailly toppten den Aube-Pinot mühelos. Feingebäck, Shortbread Fingers und ein Auftrete wie frisch gewaschen, mit extrem viel Kraftreserve, die immer erst mit sehr viel Zeit zum tragen kommt und sich niemals aufdrängt, wie man es zB aus Orten wie Verzenay kennt, wo von vornherein alle Kraft, der ganze Schub und Vortrieb losgelassen wird. Bei Jacquart passt das nicht in die Konzeption, hier soll der Pinot als gediegener Hintergrund für guten Chardonnay nützen, und nicht als dominierende Rebsorte. Deshalb ist der Pinoit aus Ambonnay gerade auf der Grenze für solche Zwecke. Die Linienführung ist härter, energischer, nicht nur der Butterkeks bekommt hier eine Salzkruste, auch die zwanglos drapierten Früchtchen müssen sich nun strenger ausrichten, reife Schalenaromen von Melone und Gurke kommen dazu, die Säure ist trotzdem noch sehr rund und mit Mühe zurückhaltend. 

Chardonnay:

Aus Villers-Marmery gab es nochmal eine allererste und feinste Pressung, die leichte Exotik versprühte und keine Neigung zum gelegentlich auch hier auftretenden Vegetabilitätsproblem erkennen ließ; Wachs, weisser Pfeffer, Reinheit und Säure waren schön vereint und schon jetzt gut trinkbar. Montguex zeigte sich viel meloniger, mit viel weissem Pfirsich, merklih höherer Reife bei ausgeprägter Delikatesse und ließ mich mal wieder stark beeindruckt zurück. Für eine Cuvée, so erkannte ich ebenfalls mal wieder, ist das nur schwer zu verarbeitendes Material. In altem Holz und solo ausgebaut, ohne BSA, mit wenig Dosage könnte das aber ganz aufregend sein. Man wird sehen, ob Jacquart ein Wagnis dieser Art irgendwann einmal eingehen wird. Aufregend war als nächstes der Chardonnay aus Avize. Salzige Mandel, Süßholz, Trockenblumen, viel versteckte Säure und eine Kraftkontrolle, wie man sie nur in richtig guten Grundweinen findet, kündeten vom Ruf des Grand Cru und bestätigten ihn im selben Arbeitsgang.

Reserveweine:

Der Chardonnay aus Vaudemange 2012, hatte schon klare Toastaromen entwickelt und viel Orange, wirkte gesund und komplex, locker noch mit einem Potential für fünf Jahre, wobei ich ihn dann schon an der Höchstgrenze sehe und meine langjährige Einschätzung bestätigt finde, dass nämlich Jacquart keinen Champagner für die Ewigkeit macht. Der Chardonnay aus Oger 2008, hatte auch Toast, wich dann dann in Richtung Kastanie aus, gab etwas Phenol preis, das sich in guter Balance mit Butter und Nuss hielt, was für eine bislang positiv verlaufene Entwicklung spricht, in der die jahrgangstypisch präsente, aber nicht nervtötende Säure sich hohe Meriten verdient. 

Die Cuvées:

Mosaique auf Basis 2009 trat mit einer entfernt holzigen Empfindung an mich heran, es zeigten sich bald medizinale Töne und Kastanie, im Kern dann eine sanfte Röstnote, die von etwas mehr als notwendigem Alkohol in der Nase umwabert wurde, auf mich wirkte der Champagner schon leicht ausgebreitet und sollte bis Ende des Jahres getrunken werden. Der 2010er Mosaique, hatte deutlich mehr Frische, Honigmelone und Zitrusfrucht, im Kern frisches brot und unaufdringliche, noch wie in sich zusammengerollte Röstnoten, so dass er wirkte, als sei er mit noch angelegten Flügeln unterwegs.

Zu Essen gab es in der ganzen Zeit natürlich auch, das Essen bei Jérôme Gangneux am ersten Abend in Paris hatte es dabei nicht leicht. Sein Pressé de chair de tourteau war durch eine Überfülle an Kräutern gar nicht recht erkennbar, das wenig intensive coulis d'avocat und sein huile légère de curry halfen dem Umstand nicht ab, sondern stifteten nur Verwirrung, die weder vom schmackhaften, allerdings auch schon reif wirkenden 2006er Blanc de Blancs noch vom kräftigen Brut geklärt werden konnte. Beim Klassiker Coquillettes façon risotto, coppa et jambon blanc, à la brisure de truffe vermisste ich vor allem das Trüffelaroma, das sich bestimmt gut zum Blanc de Blancs gemacht hätte, Schinken und Coquilettes hingegen waren völlig in Ordnung, die Portion sogar sehr üppig, so dass ich gleich zwei Gründe hatte, das Duo de ris de veau et rognon de veau rôti entier, déclinaison de céleri, jus de vinaigre nicht genommen zu haben, mit dem ich anfangs geliebäugelt hatte, das aber trotz seiner hohen Warenqualität und Zubereitung (Gangneux hat immerhin bei Jean-Pierre Vigato vom Zweisterner Apicius in Paris gelernt) am Tisch keine breite Zustimmung erhielt (Röhren und Sehnen in der Niere waren nicht entfernt worden). Zufrieden war ich mit der citron dans tous ces états, dem natürlichen Trainingspartner für ambitionierten Chardonnay. Im Hotel de Brimont gab es am nächsten Tag Seebrassentartar mit Babyleaf-Salat, beides zusammen mit dem 2006er Chardonnay eine ganze Klasse besser als der Taschenkrebs am Abend zuvor, noch gesteigert von einer Hummerminestrone mit Fenchelschaum, zu der Cuvée Alpha 2006 und Charonnay 2006 sich gegenseitig hochschaukelten. Das Tenderloin Beef mit Foie-Gras Timbale und kleinem Gemüse lasse ich außer Betrachtung, obwohl es dazu einen schmackhaften Rotwein gab (Domaine Mas des Armes Cuvée Perspectives), denn die Champagner wollten dazu nicht recht passen, am ehesten ging noch der Rosé. Zum Comté mit Mesclun war der Jacquart 2002 en Magnum eine gute, aber keine zwingende Wahl, solo machte er mir mehr Spaß und nicht nur vielleicht wäre der danach zur Poire Bavarois eingeschenkte demi-sec zum Käse besser gewesen, aber um mir darüber vertiefte Gedanken zu machen reichte die Zeit einfach nicht mehr, denn ich musste schon wieder weiter.

Reisenotizen: Charlot-Tanneux, Mardeuil

Wenn man aus Epernay rausfährt, links der Marne, landet man sofort in Mardeuil, wo knapp 1600 Mardouillats wohnen. Einer davon ist Vincent Charlot, dessen Vater entfernt aussieht wie Steve Martin. Um den geht es aber nicht. Sondern um Vincent, bzw. dessen Weine. Die liegen im Keller, d.h. in einem der vielen Keller, die sich unter dem Haus hintereinanderliegend erstrecken. Ganz hinten angekommen, liegen die Bordeauxfässchen mit dem kostbaren Inhalt. Ungewöhnlich: Vincent benutzt Rotweinfässer für seine – weißen – Grundweine. Das hat, innerhalb seiner tantrisch anmutenden Philosophie den Grund, dass der tanninstarke, gesättigte Rotwein sich wie ein schützender Mantel um den jungen Champagnergrundwein legt, anders als es in einem Weißweinfass der Fall wäre. Dort, so Vincent, würde der Grundwein nicht eingehüllt, sondern ausgesaugt und geschwächt werden. Naja. Schon besser gefiel mir die Begründung dafür, warum er überhaupt Fässer benutzt. Die seien nämlich das weibliche, aufnehmende Element für den männlichen, eindringenden Wein. Resultat sei, gleichsam als Baby, der Champagner. Schöner Gedanke, der so oder so ähnlich von vielen Winzern gedacht wird. Also: Fortpflanzung und Familie ist alles, daher kommen die ganzen mit Ahnenbildern ausgestatteten oder zur Geburt von Nachkommen kreierten Champagner.

Zurück in den Keller, wo Vincent den Ertrag seiner vier Hektar auf die Fässer verteilt hat und mir freundlicherweise Zugang dazu gewährte. Kurios gleich der Einstieg mit zwei ungeschwefelten Weinen, die ohne biologischen Säureabbau und immerhin 3,6 pH gegen alle Erwartung nicht zu Essig geworden sind. Und nicht nur das, die beiden sind so frisch, klar und rein, dass man ihnen die eigenartigen technischen Daten gar nicht abnehmen mag.

Mardeuil ist Meuniergegend, also kommt der im Keller vorrangig ins Glas und beeindruckt mit einer sehr rauchigen, steinichten Silexnote. Völlig anders ist der Meunier aus den Côteaux Sud d'Epernay, speziell jener aus der Lage Temple. Birne, Apfel und Kräuter geben den bilderbuchmäßigen Meunier preis. Im Gegensatz dazu steht der Meunier aus der nördlicheren Lage Chapottes, der sich mit mehr Diesel, Struktur und Masse auf die Zunge wälzt und offenbar eifrig den Schulterschluss mit dem Silexwein aus Mardeuil sucht. Im Vergleich dazu ist der Chardonnay aus derselben Lage damenhaft, mit einem Rosenblütenparfum und erheblicher Passsionsfrucht wirkt er einerseits fein, feminin und elegant andererseits durchaus fleischig, wobei die zarte Säure und geschmackvoll angepasstes, feines Tannin den Wein nicht schwer wirken lassen. Aus Ay kann nur Pinot Noir ins Glas kommen, aus der sandigen Partie, über die Vincent dort verfügt, gewinnt er einen buttrigen, dabei finessereichen Pinot, der leicht vegetabil wirkt.

Dann geht es richtig los. 70PN 30PM von einer 15 Ar großen Fläche in Mardeuil, auf der 50 Jahre alte Rebstücke stehen. Klassisch, dick, massiv und so herzhaft, dass man ihn eher in der Gegend von Ambonnay vermuten würde.

100CH mit viel Exotik, Salz und Bittermandel, ein Lübecker Marzipanbrot mit Fleur de Sel wäre nicht köstlicher.

70CH 30PN aus dem Clos des Futie, ein Clos mit zwei verschiedenen Bodenarten, bringt puren weißen Pfirsich, noch mehr Feinheit als Chapottes, für Vincent ist das ein sensibler und natürlich erotischer Wein. Noblesse statt Travestie oder dämlicher Burlesque.

Rubis de la Dune ist ein Saignée, der 14 Stunden Mazeration hinter sich hat. Der Weinberg wurde 1955 auf Silex gepflanzt. Trüffel und Sauerkirsche sind das wohlschmeckende, sehr feingeistige Ergebnis. Rubis de la Dune ist das Gegenstück zu Ecorche de la Genette, dem gegenüberliegenden Weinberg. Herber, kräftiger, krautiger, schmutziger ider der Ecorche und beide sind sie wie Pichon Comtesse und Pichon Baron.    

Aus Moussy gab es noch einen abschließenden Meunier, der besonders beeindruckend war. Mandel, schwarzer Pfeffer und Wildkirschengelee. Wein, der zwischen den Backen hin- und hergeschoben werden will und muss.

Blanc de Blancs 1999 en Magnum, sans dosage und vor einer Woche degorgiert. War enorm.stark, reif, voll, groß. Ich dachte zuerst, das sei eine Flasche, die Vincent sich von einem großen Haus besorgt hat, um sich Anregung zu holen. So war es aber nicht, dieser verglichen mit seinen Vorgängern wieder völlig andere Wein hatte das weiche, gefällige der großen Häuser, dabei war er doch ganz nach den Regeln der tantrischen Biodynamie nach Vincents persönlicher Lesart gemacht. Hätte er dann nicht verrückt, kratzig, seltsam, irgendwie hinkend, schielend oder sonstwie "interessant" schmecken müssen? Nein. Eben nicht. 

Ganz zum Schluss gab es noch die Cuvée Nicolas Premier Cru 2009 aus 80PN 20PM. Von diesem Wein gibt es nur 400 Flaschen, von denen ich mir glücklicherweise einen kleinen Teil sichern konnte. Kein BSA, 5 g/l Dosage. Und ein Duft von Kölnisch Wasser, nicht so, wie von Oma, sondern so, wie von einer umwerfenden Frau, die egal welchen Duft tragen könnte und damit gut röche, sich aber aus Provokationslust oder wegen eines unaufgearbeiteten Vaterkomplexes für Kölnisch Wasser entschieden hat. Außerdem gab es Zitronenpudding, Yuzu, Limone und schönes Eigelb. Fein, leicht, aber nicht schwerelos.      

Champagne in the (Purple) Brain

Purple Brain, Düsseldorf. Zwischen Le Flair und REWE-Markt liegt die Konzeptbar Purple Brain von Andrew Holloway, den Düsseldorfern vor allem aus dem Weinhandel rotweiss bekannt. Andrew bietet dort vom Vegemitesandwich (auf speziellen Wunsch) bis zum Onkel-Bier allerlei köstliche Kleinigkeiten an, Champagner (gut und günstig:  Nominé-Renard, bekannt und bewährt: Bollinger) natürlich sowieso. Und wo es Champagner gibt, zieht es mich wie durch Zauberkraft hin. Meist mit noch mehr Champagner im Gepäck. Denn zu probieren gibt es immer was und weil der Mensch nicht gern allein probiert, ist eine muntere Verkosterrunde schnell einberufen.

Als Opener habe ich den von mir so hoch geschätzten

Leclerc-Briant Brut Reserve en Magnum

mitgebracht, der auf der Zungenmitte immer etwas auszuufern droht, sich zum Ende hin wieder fängt, nicht zu hoch dosiert ist und trotzdem die breite Masse der Kunden im Blick hat, ohne die Biodynamiefraktion zu vergraulen, der er schließlich selbst entstammt. Schöner, starker, feinmürber Champagner, der an diesem Abend auch durch den Magnumeffekt lange als Maßstab herangezogen wurde.

Von

Champagne Florence Duchêne 

habe ich die beiden Schwestercuvées Kalikasan und Dimangan nachgeführt. Die sind deshalb schön im Vergleich zu trinken, weil sie über denselben DNS-Code verfügen, nur dass der Dimangan etwas höher dosiert ist. "Kann ich nicht beurteilen, muss ich nackt sehen" zieht dann nicht. Bzw. eben gerade doch, denn die Kalikasan ist ja die Dimangan in nackt, eine richtige fruchtbare Naturgottheit, deren 3 Gramm Restzucker nicht alt Wampe oder Speckrollen zu qualifizieren sind, sondern als Mütterlichkeitsattribut. 

Weg von der Mütterlichkeit, hin zum männlichen David Bourdaire von

Champagne Bourdaire-Gallois

der weit mehr als die zwei von mir mitgebrachten Champagner zu bieten hat, aber die beiden von mir für das Purple Brain ausgesuchten Champagner standen in einem gewissen inneren Probenzusammenhang zu Florences Babies. Von David hatte ich den Brut Tradition in seiner aktuellen und in seiner noch unveröffentlichten, resp. seit Ende Januar erhältlichen Fassung (reiner Meunier! Basis 2011, mit 4,5 g/l dosiert) mitgebracht. Die waren sich sehr ähnlich, erstaunlicherweise wirkte der jüngere von beiden trotz meiner Meinung nach ausreichender Ruhe nach dem Dégorgement fortgeschrittener und reifer, beide aber dennoch jung, knackig, ausgelassen und freundlich, was sich der Rebsorte verdankt, die ich praktisch gar nicht anders kenne. 

 

Ein anderer Winzer ist bei

Champagne Maurice Grumier

für den Spaß im Glas verantwortlich: der junge Fabien Grumier. Dessen Jahrgang 2006 hatte elenderweise Kork, so dass nur der Ultra Brut zum probieren übrig blieb, der im direkten Vergleich mit

Champagne Lallier

kein leichtes Spiel, sondern einen ausgemacht schweren Stand hatte. Der Lallier, ein Haus, das man immer nicht so recht im Blick hat, was die charmante Vanessa Cherruau hoffentlich recht bald geändert haben wird, zog alle Register eines Erzeugers dieser Größe: Rondeur, Grandeur, Finesse, gekonnter Umgang mit Dosagelosigkeit, geschickte Zusammenstellung der Grundweine, die typischen Vorzüge eben. Nachteil: der Champagner wirkt nicht gesichtslos, aber verschwommener als die überscharf herausgeabreiteten Konturen der kleinen Winzerlein. Richtig überscharf im Sinne von fast schon wieder schartig gewetzt war der Ultra brut von Grumier freilich nicht. Nur eben das Gegenkonzept zum Lallier. Individuell, zugespitzter, härter, schwerer zugänglich, mit viel im Mund hin- und herspülen dann aber doch irgendwann so weit aufgeknackt, dass er freudige Erregung hervorrief.  

Eine ganz andere Art von Champagner macht man in Bassuet, das ich bis vor kurzem noch nicht einmal grob in der Champagne hätte verorten können. Nun weiß ich, wo der Ort liegt und werde ihn häufiger ansteuern, den

Champagne Baffard-Ortillon

macht dort einen Blanc de Blancs Grande Réserve und einen Blanc de Blancs Cuvée Leone (eingepackt in ein orangefarbenes Schnürkorsett, wie eine Light-Version des Lackdingens, das Jean-Paul Gaultier einst dem Piper-Heidsieck Rare verpasst hat), die es beide in sich haben. Der Chardonnay lässt sich nur ganz schwer einer bestimmten region zuordnen, für Côte-des-Blancs boys ist das nichts. Zu leicht, zu flitterig, zu wenig Säure, keine Kreide. Auch in der Montagne oder im Sézannais würde man den nicht vermuten, aus der Côte des Bars vielleicht? Nein. Aus einem der zugigen seitentäler der Marne, wo sonst nur Meunier wächst? Iwo. Also: sehr leicht als Chardonnay zu erkennen, aber sehr schwer örtlich zuzuordnen. Sehr freidfertig, aber nicht von der dümmlich-harmlosen Art. Lohnt den zweiten und dritten Blick, bzw. Schluck, resp. Flasche. Oder Kiste.

Wieder ganz anders ist

Champagne Charlot-Tanneux

wo Vincent Charlot wirkt. Das ist einer der Winzer, die mir in jüngster Zeit mit am häufigsten empfohlen, nahegelgt und aufgedrängt wurden. La Fruit de ma Passion Extra-Brut (65PM 20PN 15CH aus den Lagen La Genette und Les Chapottes in Mardeuil, zusammen ca. 1.1 ha) und L'Extravagant "sans sulfites ajoute" Extra-Brut sind aufregende Weine, die viel Luft brauchen und sich dann dankbar entfalten. Vor allem gegen den Extravagant ist waffenfähiges Kokain ein armseliger Dreck. Sowas mitreißendes findet man selten, ähnlich habe ich glaube ich nur beim Parallelchampagner von Dominique Moreau empfunden. Der Fruit de ma Passion ist eine nicht unbedingt notwendige, aber sehr lehrreiche Stufe auf dem Weg dorthin. Er macht klar, wie Vincent Champagner verstanden wissen will, seinen eigenen zumindest. Entschiedenheit, Finesse und Sensibilität verdanken sich möglicherweise dem Boden hier, die Kreide findet sich am Fußabschnitt der Hügel, der überwiegende Teil ist Sand und eine ganze Menge Silex findet man ebenfalls. Leider gibt es nur sehr wenige Flaschen.

Getrunken wurden nicht nur Pärchen, einzelne Flaschen gab es auch. 

Champagne Paul Déthune Blanc de Blancs

war im Kontext der ganzen niedrigdosierten Champagner doch sehr süß. Nicht schlecht, aber sehr süß.

Champagne Clément-Perseval Brut Premier Cru

war zum Beispiel so einer von den Champagnern, die dem Déthune das Leben schwer machten. Agil, wendig, facettenreich, wandlungsfähig, eine richtige kleine Korvette im Vergleich zum dicklicheren, brachialeren Déthune, der speckiger glänzte, rundlicher satter und sättigender war. Sehr viele Sympathien konnte

J.L. Vergnon Cuvée Eloquence Extra Brut

auf sich vereinigen, ein mit 3 g/l dosierter Blanc de Blancs (aus Avize, Oger und Le Mesnil), wie er im Buche steht. Der Artisan de Champagne gefällt mir jedes Jahr gut, vielleicht gerade weil er nicht dem plakativ-eloquenten Stil entspricht, der eher als redselig gelten kann, sondern weil bei ihm alles so schön abgewogen und bedacht ist.  

Von meinen wenigen Flaschen, die ich aus dem Hause 

Champagne Daniel Savart Cuvée l'Ouverture

habe, konnte ich guten Gewissens eine für die gute sache opfern. Und wie immer schmeckte mir der Overture saugut. Wie ein Antikörper an das Antigen andockt, belegt dieser "einfache" Savart aus 100PN bei mir alle Schaltzellen der Glückseligkeit. Das ließ sich nicht mehr steigern und so wich ich ganz zum Schluss auf den ewig zuverlässigen, aber viel leichteren, gelinderen

 

Champagne Nominé-Renard Brut en Magnum

aus, dem jede Form von Konkurrenzdenken fremd ist, der vielmehr ein vermittelndes Naturell hat und dabei seine Eigenständigkeit bewahrt wie ein Einigungsstellenvorsitzender im Arbeitsrechtsstreit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

WWW: Wein Wegwuppen in Warendorf

Aufmerksame Leser und Weininteressierte sind dem Landhotel Aust von Uwe Aust in Warendorf schon mehrfach begegnet, überwiegend im Zusammenhang mit Stillweinproben von Format. Da Uwe Aust selbst ein Mann, Koch und Weinwahnsinniger von Format ist, lasse ich mich immer wieder gern dorthin ziehen. Kulturbeflissene werden außerdem die Möglichkeit schätzen, in der nahegelegenen Freckenhorster Stiftskirche den berühmten Taufstein und das gewaltige Geläut zu bewundern. Meine Bewunderung galt bei letzter Gelegenheit Anderem:

1. Marinierter Ji Hao Lachs mit asiatischer Vinaigrette und Wildkräutersalat

2. Gebratenes Gänsestopflebermedaillon auf Pastinakenpüree mit Mango-Kürbisceme

3. Gebratenes Steinbuttfilet auf Stockfisch-Brandade mit Safran-Anisschaum

4. Gebratene Jakobsmuscheln auf Blattspinat mit Ochsenschwanzragout und Portweinbutter

5. Rosa gebratenes Black Angus Rinderfilet mit Schnippelbohnen, gefülltem Kartoffelwindbeutel

und Hoisin-Sauce

6. Törtchen von der Haselnuss mit Himbeercoulis

Dazu gab's als Eröffnung den ewigguten

J.J. Prüm Graacher Himmelreich Spätlese  2002, 

zu dem mir schon gar nichts anderes mehr einfälltt, als dass er eben so schweinelecker ist, wie sein Name vermuten lässt. Im Grunde hätte ich davon im Laufe des Abends bequem noch vier bis vierundzwanzig weitere Flaschen leeren können, um mich dann zufrieden ins Bett zu rollen und das Geläut der Stiftskirche abzuwarten. Doch es wartete noch Arbeit. 

Besserat de Bellefon B de B,

die erste richtige Prestigecuvée von Besserat, deren Cuvées des Moines jahrein jahraus zuverlässigen Champagnerspaß bereiten und deren Programm immer seltsam unabgeschlossen wirkte, wie ein Sakralbau ohne krönende Kuppel. Jetzt ist es endlich soweit und der Champagner, wenngleich jung, schmeckte mir gut. Er erinnerte an einen Blanc de Noirs aus der Grande Vallée de la Marne, verzauberte mit einer Blaubeermuffinnase, die ich so noch nie wahrgenommen hatte, hielt sich mit angenehmer Dosage und Holznoten, die nicht spü-, sondern mehr erahnbar waren, in einem angenehm deliriösen Schwebezustand. Der wurde holzhammerhaft beendet von

Ninot Crémant de Bourgogne 1953,

dessen Minztoffeenote und eine leicht stichige, von Pilzen und reifer, süsser Metallik, genausogut ein sprudelnder Pessac mit hoher Dosage hätte gewesen sein können. Ich trinke solche Sachen ja für mein Leben gerne, vor allem schnell und in großen Schlucken, ich verstehe aber, wenn sich andere davon nicht angezogen fühlen. 

WG Britzingen Burgfräulein Spätburgunder Rosé en Magnum

hatte es nach so einem Gewaltschlag schwer. Rosenblüte konnte ich immerhin noch vernehmen, nur war mir der Sprudel nach der Ladung alter Aromen zu harmlos und verfügte, eine Unart süddeutscher Sekterzeuger, über viel zu wenig Säure. Das Säureproblem hatte 

Clos de la Coulée de Serrant 1990

nicht, obwohl es der erste Jahrgang von Nicolas Joly war, der einen biologischen Säureabbau durchlaufen hat. Schon bei anderer Gelegenheit fand ich, dass der 90er Coulée de Serrant ein Langsamläufer ist, der erst mit sehr viel Luft und speziell zum Essen ab- und auftaut. Bleistift, Bittermandel, herzhafte Nuss, Stahlsplitter, wie sie sich beim Bohren in Stahlplatten bilden, prägten meinen Eindruck von diesem Wein. Genau richtig war es deshalb,

Charles Dufour Blanc de Blancs

nachzuschieben, dessen volle, weinige Nase auf der reichhaltigen Kargheit des Jolyweins aufbaute, dabei kompromisslos trocken blieb und sich dem hohen Alkohol vom Vorgänger mühelos gewachsen zeigte; beinahe paradox schien mir dann, wie saftig er bei aller Trockenheit wurde, gefreut habe ich mich über die üppige Kerbel-, Estragon-, Fenchel- und , Aprikosenkernaromatik. Gesteigert und zugespitzt wurde das in 

Charles Dufour Avalon,

wo Apfelkuchen und Basilikum dominierten und oszillierten. Was kann man probentaktisch tun, um jetzt nicht in eine Sackgasse zu geraten? Eine Zigarre rauchen zum Beispiel. Oder koksen. Beides schien jedoch untunlich. Also griffen wir zum Riesling:

Georg Breuer Schlossberg 2001,

Dessen Stinkenase annullierte so gut wie jeder noch so gute Stumpen oder 1a-Tropanalkaloid vorherige Naseneindrücke, im Mund wirbelte er trocken, rassig, schlank und schön umher, wie ich es selbst bei deutlich jüngerem trockenem Riesling nur im Bestfall je erlebt habe. Einmal rekalibriert, konnte es mit

Champagne Mumm, Mumm de Cramant,

weitergehen. Dieser bis heute von einigen wenigen Erzeugern gepflegte Stil mit dem niedrigeren Flaschendruck und der besonders sahnigen Mousse reift sehr elegant und langsam, was wahrscheinlich daran liegt, dass der klassische Crémant de Champagne aus dem Herzen der Côte des Blancs, stammt. In Crémant scheint er ganz ursprünglich beheimatet zu sein, aber auch in Avize und bis hinunter nach Le Mesnil (wo er schonmal als Perle de Mesnil etikettiert wird) kann man sich traditionell damit anfreunden. Ein guter Freund des Mumm de Cramant könnte der reife, sehr volle,

Pommery Apanage 

sein, der schmeckt wie ein Champagner aus den 90ern. Das bedeutet auch: zwar nicht schlecht, aber weit vor seiner Zeit gealtert. Wenn wir damit aromatisch schon unfreiwillig in die Neunziger zurückgeworfen wurden, konnte

Pegau 1990,

kein Fehlgriff sein. Klarer, gestählter, zusammengeraffter und gleichzeitig noch charmanter als wenige Tage zuvor in Berlin. Zum

Château Musar 1989,

mit viel Rosmarin- und Garrigue konnte nichts oder nur wenig besser passen, als das Rindefilet mit Bohnen und Hoisinsauce. Die beiden, Bohnen und Sauce, gaben das Thema vor, der Wein nahm es auf und variierte es durch, darin ist er schließlich ein Meister und ein in Rotwein übertragenes Musikalisches Opfer, nämlich eine herrliche Fuge über ein königliches Thema, weshalb dem kurz darauf verstorbenen Serge Hochar als spiritus rector ewiger Dank gilt. Um einen gelungenen Abend zu Ende zu bringen, braucht es nicht unbedint einen Dessertwein für mich. Wenn doch, dann bleube ich am liebsten in Deutschland. Wenn das nicht geht, ist Frankreich ein verlässlicher Lieferant geeigneter Kreszenzen. Wobei ich weniger an Sauternes und Elsass denke, als an die wenig beachteten Gegenden im Katharerland zum Beispiel, wo man sich auf den Umgang mit Muscat d'Alexandrie, Muscat Petit Grains und der Herstellung von vin doux naturel versteht. Zu den schokoladigsten Weinen, die dennoch nicht den Mund verstopfen, gehört für mich der Banyuls. 

Mas Blanc Banyuls Vieilles Vignes 1985

war aus diesem Grunde die richtige Wahl zum Dessert. Schokolade, Himbeere, Haselnuss, Konzentration alter Reben in gereifter Form und die alles durchschlängelnde, sehr fitte Säure des Weins waren so erlösend, wie ein durch zufälliges Herumknobeln plötzlich richtig zusammengestecktes IQ-Spielzeug.  

Pommery Louise 1999

machte es mir zum Schluss noch einmal sehr einfach, mich im Einklang mit der Welt zu fühlen und entschädigte für den überreifen Auftritt der Apanage, eine Steigerung war dann nur noch möglich durch einen meiner ganz großen Favoriten, der entgegen aller erwartung und teilweise auch Erfahrung nicht totzukriegen ist:  

Dom Pérignon 1990,

zusammen mit 1996 einer der Kontroversjahrgänge der Champagne. Voreilig als Überjahr propagiert, vielfach zum falschen zeitpunkt, mit falschen erwartungen geöffnet, vielfach nicht so vinifiziert, dass er den berechtigten Erwartungen gerecht wurde, von der Natur mit allem verschwenderisch gesegnet, leider selbst zu oft verschwendet. In perfekt erhaltenen Flaschen ohne negative Varianz ist der 90er Dom noch immer ein Monument der Leichtigkeit, eine himmelstürmende Meisterleistung, der Burj Khalifa unter den Champagnern, aber in gotisch. Ein schönerer Schluss- und Schlummertrunk ist beinahe nicht denkbar.

Champagner und Speisen

Champagner und Speisen? Champagner kommt doch mit Speisen gar nicht in Berührung – weil: ist doch Apéro. Tja, falsch gedacht. So war es vielleicht mal und wenn, dann nur in schlecht informierten Haushalten. Tatsächlich ist Champagner ein Wein, der von Escortlady bis Gastgeber jede Funktion zum Essen einnehmen kann. Champagner kann teuer eingekaufte Begleitung zum Dîner mit anschließender private time sein, Champagner kann aber auch den ganzen Menuablauf verbindlich meistern, Champagner kann sich im Hintergrund halten oder diskret dominieren, Champagner kann sich unterhaltsam krähend in den Vordergrund spielen und er kann dezente Speise-Aromen behutsam anstupsen, um ihnen einen stärkeren Auftritt am Gaumen zu verschaffen. Ob Brathähnchen in der Toplessbar, kofta alemanni (vulgo: Boulette) oder Küchenparty in der Sternegastronomie, Begleitschluck zum gegrillten Bauchspeck, zu Innereienwürstln oder beseligende Einmalerfahrung beim japanischen Sushimeister, Champagner ist idealer Leberabschiedsgefährte und erste Wahl aller red carpet regulars, die sich nicht gerade für Kapselkaffee oder Schnaps entschieden haben und eine Umfrage unter Säuglingen ergab letzthin, dass Champagner sogar besser schmecken soll, als Muttermilch.

Die unerhörte phallische Turgeszenz des Champagners verlangt nach und bietet mehr als schale Halbzufriedenheit und folgerichtig ruft er nach Lebensmitteln, die ihren Namen verdienen. Gern dürfen das saft- und kraftstrotzende Speisen sein, aromatische Edukte, die nicht komplex, sondern zunächst einmal nur unverfälscht und bei Verarbeitung sinnvoll zusammengestellt sein müssen. Der hochgeschätzte Julien Walther formuliert, worauf es ankommt: "Keine Reduktion im Sinne von Enthaltsamkeit oder geringerer Ansprüche, sondern eine Besinnung auf für mich Wesentliches. Dazu gehört für mich gastronomisch eine Umgebung, die Unbeschwertheit vermittelt statt Etikette, und kulinarisch eine Form der Küche, die kein Konzept zelebriert, sondern hervorragende Rohstoffe und vorbildliches Handwerk auf den Teller bringt." (unbedingt nachzulesen hier). Beherzigt man das bei der eigenen Lebensführung, Lebens- und Genussmittelauswahl, braucht es für gelungene Champagner- und Speisenkombinationen nicht mehr viel, so archetypisch wie clichéhaft dafür steht im Grunde das Duo Champagner + Austern oder Champagner + Kaviar.  

Nun bestehen Austern und Kaviar leider überwiegend aus Wasser, sättigen also nur bedingt. Außerdem will sich natürlich kein vernünftiger Mensch der Gefahr einer Wasservergiftung aussetzen, austernkonsumbedingtes Hirnödem nach hypotoner Hyperhydration ist zwar eine schöne Alliteration, als Diagnose und Todesursache aber kaum wünschenswert. Was also passt sonst noch an erschwinglichen und im hiesigen Lebensmittelhandel weitestgehend umstandslos erhältlichen Speisen zum Champagner?  

Die Antwort: Salz und Fett. Sauer ist schon schwieriger und süße Sachen sind zu meiden, die Bauchspeicheldrüse wird's danken. Hier einige Denkanstöße und erprobte Vorschläge.

Trocken eingelegte Oliven, getrocknete/eingelegte Tomaten, fritierte Zucchiniblüte, marinierte Aubergine, frische Pilz- und Algensalate passen mit ihrer Pflanzlich-/Gemüsigkeit gut zu meunierdominierten Champagnern, die sich oft am besten auf Pflanzenprodukte verstehen. Die Meuniers sollten den Champagner schon prägen, ein Anteil von 60-70% müsste es also mindestens sein und die Dosage darf keinesfalls zu hoch ausfallen. Von Dosagelosen Meuniers rate ich in diesem Zusammenhang, Abstand zu nehmen. Dafür gibt es zu wenige wirklich gelungene Exemplare, besser sind die leicht dosierten Meunierchampagner, denen der geringe Zuckeranteil gut dabei hilft, sich an die Pflanzlichkeit der Speisen anzuschmiegen. 

Bellotaschinken, Gänserillettes, (an)geräucherte Entenbrustfilets, Bündner Fleisch, Sülze, Geliertes, Schmalz, Holsteiner Sauerfleisch, der petersilienlastigere und weniger saure Jambon de Reims, Tatar und die Spielarten davon sind die Wunschpartner für Chardonnaychampagner aller Art. Hier gilt allenfalls die Warnung, dass der Champagner nicht zu hoch dosiert und möglichst nicht zu reif sein sollte, sonst geht das köstliche Aromenwechselspiel verloren. 

(Jahrgangs)Sardinen, Anchovis bis hin zu den salzig-pikanten Myeolchi der koreanischen Küche, deren Fermentierfreudigkeit und Schärfe mit brut nature oder sehr sparsam dosiertem Champagner gut pariert werden kann – gleichzeitig ist das eine elegantere und weniger einfältige Lösung als der meistens empfohlene restsüße oder feinherbe Riesling. Zu Seefischen empfiehlt jeder, der eine mehr oder weniger bürgerliche Erziehung mit Grundzügen der Wein-und-Speisen Kombinatorik erhalten hat, sowieso reflexarig Champagner. In seiner unüberschaubaren Pauschalität ist das eigentlich infam, führt aber trotzdem meistens zu vertretbaren Ergebnissen. Wem das nicht reicht, der probiert vorzugsweise brut nature zu Seefischen und hält sich dabei mit pinotgeprägten Champagnern lieber etwas zurück, es sei denn, er serviert surf & turf oder vergleichbare Speisekombinationen, bei denen See und Land (z.B. in Form von Pilzen oder Speck) gemischt werden.    

Rustikal darf es zugehen, wenn Pinot-Noir im Champagner vorherrscht; mit viel Röstaromen auch. Aus der portugiesischen Küche der gegrillte Pulpo und natürlich alle Variationen von Blutwurst machen zum Champagner aus überwiegend Pinot Noir (gerne von der Aube, wo er ganz ohne Holzfasseinsatz gernedie passenden holzig-röstigen Noten entwickelt) Spass und praktisch alle pinotgeprägten Champagner entwickeln mit zunehmender Flaschenreife entweder pilzige, röstige, schokoladig-kaffeeeige oder auch Toastaromen. Klar, dass man dazu Kräftigeres bis hin zum Wildschwein, das in der Region Champagne-Ardenne mit einer asterix-und-obelixhaften Häufigkeit vorkommt, reichen darf. Pinotchampagner verträgt sich aber auch gut mit Ei, sei es pochiert, verbuddelt oder in der Sauce verarbeitet. Krug empfiehlt sein Pinotflaggschiff Clos d'Ambonnay 1998 in aller Unschuld zu Rührei mit Trüffeln, und das völlig zu recht. 

Reifer Parmigiano Reggiano, getrüffelter oder gepfefferter Pecorino, Ziegen(frisch)käse sind sichere Paarungen mit den weitverbreiteten Drittelmixen aus Chardonnay, Pinot Noir und Meunier, damit kann man praktisch nicht daneben liegen. Zu Penne/Spaghetti alla Carbonara, deren Zutaten eigentlich nur Pancetta, Pecorino und Eigelb sind, sollte es ein Champagner mit tüchtiger Säure sein, wobei die Zutaten ihrerseits Wege in den Bereich reinsortiger Champagner bahnen. Trotzdem finde ich zu Einzelspeisen wie Käse oder Gerichten mit nur sehr wenigen Zutaten den Drittelmix meist am besten, weil dadurch alle denkbaren Anspielstatonen die Möglichkeit haben, sich am Gaumen zu äußern.

Grand Chapitre 2014 im A-Rosa, Sylt (II/II)

Menu au Champagne, 2. Akt

Zum Auftakt des zweiten Akts bestellte sich Hausmatador Patrick Büchel, dessen Restaurant Spices im A-Rosa allem Anschein nach erhalten bleiben wird, selbst wenn man mit dem Stern weiterhin nicht hausieren gehen will, wie es wohl aus der Geschäftsleitung heißt.

Patrick Büchel, Spices, */16

Heilbutt, Bouillon, Meerrettich, dazu

Billecart-Salmon Cuvée Nicolas-Francois Billecart 1999

Perfekter Heilbutt in tüchtig salziger Bouillon mit traumhaft sahnigem Meerrettich traf hier auf einen röstigen Billecart, der endlich Mut zum Dreck zeigte, vielleicht dank der (teilweisen) Vinifikation der CH- und PN Grand Crus im Fuder; so kennt man Billecart-Salmon nämlich gar nicht, üblicherweise sind die Billecartchampagner geschniegelt und ohne jedes Staubkörnchen. In den letzten zwei Jahren hat sich Nicolas-Francois Billecart 99 sowieso schwer verändert. Anfangs war er noch dem Abschluss der ersten Reifephase verhaftet, mit süffigem, fruchtnahem Trinkfluss, dann kamen die fortgeschrittenen Reifenoten immer stärker zum Vorschein und das genau zur rechten Zeit, so dass mir um die Zukunft dieses Champagners nicht bange ist. Wer mit Röstnoten nicht viel anfangen kann, sollte die Finger von diesem Champagner lassen, Freunde dieser Aromatik dürfen sich hingegen freuen. Die Fähigkeiten von Patrick Büchel sind im Fischbereich wahrscheinlich kaum noch weiter auszubreiten, das zeigt sein Dashi auf der einen Seite und das belegt der herrliche Heilbutt auf der anderen Seite. Dass die Bouillon recht salzig daherkam, hat mich nicht gestört und passte bestens zum Champagner, andere hätten sich vielleicht eher dran gerieben.

Jörg Müller, */18

Algengemüse, Nordseekrabben, Lachs-Zander-Klösschen, dazu

Lanson Extra Âge Blanc de Blancs Brut

So wie im ersten Akt das Dashi von Patrick Büchel mit dem Bollinger klappte dieser Gang leider genau nicht. Die Lachs-Zander-Klösschen erinnerten zwar an besonders gutes Sujebi-Guk, aber die Kombination der Klösschen (in Wirklichkeit waren das zwei ausgewachsene Klösse, die aber trotz ihres beängstigenden Formats fluffig leicht wirkten, so als seien sie viel kleiner) mit Algen und Krabben war einfach zu viel für den bemühten Lanson, der nur auf süßer Ebene überhaupt operativ tätig und dabei eher störend war. Das mag auch daran liegen, dass der Extra Âge Blanc de Blancs (eine reiner Grand Cru aus Oiry, Avize, Cramant, Oger und Le Mesnil – die anderen Champagner der Extra Âge Serie sind nicht unbedingt reine Grand Crus sondern enthalten auch Premier Crus) sich aus den Jahrgängen 2003, 2004 und 2005 zusammensetzt. Dann ist der 2003er Anteil in Verbdinung mit einer hoch gewählten Dosage, die hier auch nicht durch den Verzicht auf die malolaktische Gärung aufgefangen werden konnte, schuld an der Disharmonie. Die Küche von Jörg Müller stach trotz der nicht ganz so gelungenen Kombination als die bei allem Feinsinn geschmackigste heraus.

Holger Bodendorf, */18

Variation vom Kalb, dazu

Louis Roederer Cristal 2002 en Magnum

Köstlich, nein köstlichst war das Kalb von Holger Bodendorf, der damit gleich zwei hervorragende Wein-Speisen-Kombinationen an diesem Abend auf sich verbuchen konnte. Nichts hätte besser zu diesem unglaublichen Kalb passen können, als der punktgenau gereifte Cristal (Erfolgsrezept 55PN 45CH), dessen generöse Art und hochsubtile Süße mit dem Babyfett vom Kalb eine so königliche Liasion einging.

Johannes King, Söl'ring Hof, **/17

Hirsch, dazu

Pommery Les Clos Pompadour

Johannes King, zu dem die königliche Liaison ebenfalls gepasst hätte, war der Mann für die dichten, zusammengepackten Aromen und für die Küche der schreitenden Gangart. Auch bei ihm zwei erstklassig abgestimmte Kombos und vor allem im zweiten Akt ein brillant gegarter, ultrazarter Hirsch, der sich so eng an den Clos Pompadour (eine der ganz wenigen Spitzencuvées, die einen Anteil Meunier enthält: 75CH 20PN 5PM von reben zwischen 25-30 Jahren Durchschnittsalter; 9 g/l Dosage) schmiegte, dass mir beinahe Tränen der Rührung gekommen wären. Der Clos Pompadour wirkte auf mich so herrschaftsvoll und freundlich zugleich, wie man es nur von guten Königen im Märchen kennt. Kleiner Wermutstropfen war lediglich eine gewisse Laktizität, die mir nicht recht zum Champagner passen wollte, so wie Milch auch nicht recht zu Apfelmus passt. Von der Sauce und vom Champagner hätte ich anstelle des desserts jeweils noch tassenweise weiterschlürfen können.

Aus der A-Rosa Pâtisserie von Gastgeberkoch Sebastian Zier gab es zwei Themenbuffets:

Aromawelt Erde mit

Deutz Cuvée William Deutz 1999 (65PN 25 CH 10PM (!)) en Jéroboam und

Aromawelt Frucht mit

Alfred Gratien Brut Rosé

Den Abschluss bildete Laurent-Perrier Brut Rosé.

Die unzähligen Maccarons, Schokosachen und Kleinigkeiten aufzuzählen, würde unnötig zeilen füllen. Entscheidend ist: Champagner und Dessert ist etwas was man machen kann, aber nicht muss und nach meiner Meinung ohne Not nicht sollte. Dann lieber eine schöne Käseauswahl. Die Champagner habe ich, obwohl ich mich unvernünftig wie ich nunmal bin durch die Dessertsachen durchgenascht habe, lieber solo getrunken. Der Deutz war die richtige Wahl für den Abschluss und kam dem gerade zuvor getrunkenen Pommerygiganten nicht ins gehege, was erstaunlich genug ist. Ein Riesenvorteil von Deutz ist sicher, dass man dort den Umgang mit Großflaschen liebevoll kultiviert hat und deshalb immer topfitte Kandidaten ins Glas bekommt. Die über Jahre gepäppelte Säure konnte sich nach dem ungewöhnlich langen Essen richtig austoben, wie man es sonst nur von Werbespots für Wunderreinigungsmittel kennt, deren Wirkung in Mund, Wohnzimmer oder WC stets mit munter wirbelnden Zeichentrickfiguren dargestellt wird. Danach war im Laufe des Abends schon sturmreif gemachte Gaumen bereit für die betäubende Frucht der beiden Rosés, die sich durchaus auf Augenhöhe begegneten. Ich sage das extra dazu, weil der Rosé von Laurent-Perrier (Mazerationsrosé mit Pinot aus Ambonnay, Bouzy, Louvois und Tours-sur-Marne) so weithin bekannt und beliebt ist, ja wahrscheinlich bei einer Befragung interessierter Kreise immer noch als einer der drei bis fünf besten Roséchampagner im Nonvintagebereich gelten dürfte und der Rosé von Alfred Gratien (erste Gärung im 228-Liter Fässchen, Assemblagerosé mit Rotwein aus Bouzy) dagegen so völlig unbekannt scheint, was ungerecht ist, angesichts seiner offenkundigen Güte.

Zusammen mit Ingo Holland und einer kleinen Truppe besonders hartnäckiger Champagnerfreunde habe ich mir dann an der Bar des A-Rosa noch einige Pilschen und hernach einige der verbliebenen Champagnerflaschen genehmigt, bevor mich endgültig der Schlaf übermannte. Um die beiden Restaurants von Sebastian Zier und Jörg Müller ist es, das wurde als Fazit für mich klar, schade. Aber um Jörg Müller muss man sich wahrscheinlich keine Sorgen machen. Der ist sowieso schon gut aufgestellt und seine Küche lässt sich bequem im Nichtsternebereich adaptieren, was einigen Charme hat. Was Sebastian Zier als nächstes macht, weiß ich nicht. Mit seinen zuletzt 2 Maccarons kann er es leicht, aber auch unerwartet schwer auf dem Festland haben. Zu wünschen ist ihm jedenfalls nur das beste und egal wo es ihn hinzieht, ich werde zum Essen gern dorthin kommen.

Halloween-Roséchampagner im Restaurant Reuter’s, Frankfurt

Wer alle Achttausender der Welt erfolgreich besteigen will, muss grundlegende Akklimatisierungstechniken beherrschen. Eine der wichtigsten ist: "hoch steigen, tief schlafen". Um den Gipfel der Lust, bzw. des Champagners zu erklimmen, muss man es ganz ähnlich halten. Um sich an einen hochsteigenden flight heranzutrinken, nützt es, vorher einen soliden, leicht verständlichen Ausgangsflight zu trinken. Das sollte die Technik des Abends werden, begleitet von der dazu abgestimmten Küche von Franco Scavazza, der so freundlich war, für meine Übungen eine Hälfte seines halbmondförmig gebogenen und ob seiner Lage von vielen Frankfurtern noch gar nicht richtig ausgekundschafteten Restaurants zur Verfügung zu stellen. 

Opener

O.1 Adrien Redon l'R du Temps Extra Brut Rosé d'Assemblage

O.2 Grongnet Carpe Diem Rosé de Saignée Extra Brut

O.3 Bourdaire-Gallois Rosé

Adrien Redon aus Trépail gehört zu den jungen Winzern, seine Champagner sind dementsprechend weniger behäbig und weniger oxidativ als man es von den Ahnen kennt. Sein Rosé aus zwei Dritteln Chardonnay und einem Drittel Pinot Noir ist unter Zugabe von 15% Rotwein entstanden. Die Carpe Diem Champagner von Grongnet sind vom Stil her ähnlich winzerig wie die von Adrien, nur dass sie aus einer ganz anderen Ecke der Champagne kommen. Der Assemblagerosé wirkte großzügiger, voluminöser, bauchiger und gefiel mir etwas besser als der sonst so gern getrunkene Carpe Diem, wobei ich zugeben muss, dass ich den am liebsten in der weißen version trinke, weil er da noch ausgeprägter und typischer ist. Im Gefolge der beiden hatte ich noch einen Meunierrosé zum Kalibrieren eingebaut, weil ich nach meinem letzten Besuch in der Champagne unter anderem die beachtlich große und beachtlich gute Auswahl von David Bourdaire kennengelernt habe und mich schon drauf gefreut habe, einige seiner Champagner in verschiedenen Proben sich schlagen zu sehen. David, der 2002 mit seine ca. 4,8 ha die örtliche, von seinem Großvater einst gegründete Kooperative verlassen hat, öffnete vom Jungfernjahrgang bis zu den jüngsten Ernten alles, was da ist und wird in Zukunft sicher die Aufmerksamkeit einer ganzen Reihe von Champagnerfreunden für sich in Anspruch nehmen können. Dass es sich bei diesem Rosé um einen reinen Assemblage-Meunier handelt, hätte wahrscheinlich keiner gedacht. Dessen Herkunft von sandigen Untergrund machte eine Identifikation bsonders schwer und als Einstieg in den hochklassigen ersten flight war mir das gerade recht.

I. Römischer Schinken auf Belugalinsensalat


I.1 Pommery Louise Rosé 1996


I.2 Dom Ruinart Rosé 1996

Die Louise, als Rosé und vor allem aus diesem Jahrgang eine echte Rarität, hatte Mühe, sich unverfälscht und offen zu geben, leider wirkte der so hoffnungsvoll erwartete Champagner in meinem Glas leicht gehemmt und nicht so unbeschwert, wie geplant. Der Dom Ruinart trällerte dafür ein umso himmlischeres Liedchen, die ganze Wucht des Jahrgangs entlud sich in mehreren schweren Ergüssen und umschäumte die Linsen, den Schinken und den leichten Sud mit gewaltigen Wellen. Klarer Sieger war hier der Dom Ruinart, der eine nicht zerstörte, aber verwirrte Louise zurückließ.

II. Geräucherte Entenbrust mit hausgemachtem Apfel-Rilette, Feldsalat, Schnittlauchblinis

II.1 Tristan Hyest Rosé Grapillère

II.2 Jacques Lassaigne Rosé de Montgueux

Ein ähnliches Match wie im ersten flight hatte ich für den zweiten flight vorgesehen. So wie der Dom Ruinart ein Rosé mit weißer Chardonnayseele ist, ist auch der Rosé von Lassaigne ein Produkt, das man vor allem vor dem Hintergrund mächtiger Montgueux-Chardonnays erklären muss; 80-85CH, 15-20PN standen den 40CH von Tristan gegenüber, der wiederum ein ausgemachter Roséspezialist ist, während Emmanuel mit seinem Rosé eher einen lässigen vin de soif in die Weinwelt geworfen hat. Der vertrug sich vor allem mit der milden Schnittlauchschärfe gut, während der Einzellagenrosé von Tristan sich mit der Ente vereinigte. Mit dem Apfelrilette kamen beide Champagner gut klar und so ergab sich ein schöner Gleichstand.

Einschub: Laurent-Perrier Cuvée Alexandra Rosé 1982

Von der Plateauphase der Vorgänger, dem letzten Basislager bevor es in Richtung Gipfel ging, brach die Runde jetzt durch die Wolkendecke. Die Alexandra 1982 gehört schlicht zum besten, was das Jahr und was der Champagnermarkt zu bieten hat. Wunderbar gereift, ist dieser 50 PN/50CH Mazerationsrosé eine der schönsten Roséprestigecuvées überhaupt. Über Jahre hatte sich Fürst Nonancourt den Kopf über diese Cuvée zerbrochen, die er 1988 zur Hochzeit und zu Ehren seiner Tochter Alexandra der Öffentlichkeit vorstellte und die bei Laurent-Perrier bis heute nur zu hohen Anlässen geöffnet wird, im Jahr 1982 fiel die Entscheidung – zu Gunsten eines Jahrgangs, was an sich schon ein Ausbrechen aus der Multi-Vintage Philosophie des Hauses ist. Der Erfolg ist die schönste Bestätigung und eine, die bis heute andauert. Vibrierend, ätherisch, ja metaphysisch, die Abstraktion des reifen Rosés. Großartig.

III. Lauwarmer Muschel-Wirsing-Salat mit Champagner und Blauschimmelkäse

III.1 Dom Pérignon Rosé 2000

III.2 Jacques Selosse Rosé Brut

eigentlich hätte jetzt nach der Bergsteigertechnik ein deutlicher Rückschritt kommen müssen, aber das hielt ich für unzumutbar. Vom einen Gipfel auf den anderen Gipfel zu hüpfen kann wiederum ein mörderisches Unterfangen sein, wenn der Gaumen bereits geschwächt oder immer noch ganz überwältigt ist. Also habe ich mich eines Tricks bedient. Muschel, Wirsing und Blauschimmel führten die Geschmacksnerven in eine ganz andere Richtung, wo sie vom reifen und auf Muscheln spezialisierten 2000er Dom Pérignon Rosé erwartet, abgeholt und fortgeführt wurden. Staffellaufmäßig übergab der Dom an den reifen, schon vor sechs Jahren degorgierten, mächtigen, drängenden Selosse-Rosé, der wie ein verstärktes Echo auf die Alexandra 1982 antwortete und den Gipfelhüpfer kunstvoll abschloss.

IV. Hasenragout nach Art der Försterin mit Cognac, Pappardelle

IV.1 Benoit Lahaye Rosé de Maceration

IV.2 Laurent-Perrier Cuvée Alexandra Rosé 1998

Der Rosé von Benoit Lahaye hatte danach keine leichte Aufgabe, da er zwischen zwei so überragenden Champagnern wie eingeklemmt wirken musste. Aber der Scxhlawiner aus Bouzy erledigte seinen Auftrag sicher und gekonnt. Der Hase war eine gute Schützenhilfe und erleichterte den Übergang vom nachklingenden Selosse zum pikanten, feinen, ironisch das Haselnussterroir von Bouzy brechenden Champagner von Benoit Lahaye. Der verstand sich nicht nur als Durchgangsstation zur 98er Alexandra, die wie ein hyperintelligenter Teenager, jedoch ohne Hochnäsigkeit oder Sonderlingsgehabe vor allem den Cognac als Partner begriff.

V. In Balsamico und Chipotle geschmorte Spanferkel-Bäckchen mit Rotkrautsalat und Pfeffer-Gnocchi

V.1 deMarne-Frison Cuvée Elion Rosé de Saignée Brut Nature

V.2 Leclerc-Briant Cuvée Rubis de Noirs Millésime 2004

Die logische Folge auf den letzten flight wäre für viele Sommeliers wahrscheinlich eine Rotweinbegleitung zum Spanferkel gewesen. Aber das sollte nicht sein. Warum auch, wenn es Champagner wie diese gibt, Champagner mit der ganzen Weinigkeit burgundischer Pinots und dem unbeschwerten Gemüt des Schaumweins. Wobei ich zugebe: allein mögen diese Champagner mehr als schwierig zu trinken sein, auf den ungeübten Trinker sogar untypisch bis seltsam wirken. Ihre Stärke zeigt sich eben erst zum Essen. Zu Pfeffer, zu Chipotle, zu Rotkraut, Balsamico und zum Schwein, auch oder gerade wenn es Wildschwein gewesen wäre. Die seltene Cuvée Elion von Valerie Frison ist haarscharf am Rotsekt vorbeivinifiziert und wenn man sie trinkt fühlt man sich wie ein Beifahrer, der vergebens auf die imaginäre Bremse tritt, während sich das Fahrzeug des unbeirrt quasselnden Fahrers mit hoher Geschwindigkeit auf die Rückseite eines vorausfahrenden LKW zubewegt. Doch der Wagen kommt rechtzeitig zum Halten und der Champagner schafft es trotz aller Rotweinseligkeit Champagner zu bleiben. Eine nervenaufreibende Erfahrung. Ähnlich ist es beim Leclerc-Briant, der ohne Umwege mitteilt, er habe es nicht nötig, wie ein normaler Roséchampagner zu sein. Mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein und der Würde eines reichen Jahrgangs nimmt er den Gaumen in Beschlag und führt sich dort wie ein langjähriger Hausherr auf, so dass kurzzeitig der Eindruck entsteht, der eigene gaumen gehöre jemand anderem. So ist es natürlich nicht, aber der Rubis mit seiner Schokoladigkeit, den ätherischen Noten und seiner Kräuterwürze vermag heftig zu irritieren. Aber was soll's, das hier ist Schach und nicht Dame.

Abschluss:

A.1 Pommery Louise 1999

A.2 Ulysse Collin Blanc de Noirs Extra Brut

A.3 Bollinger Grande Année 2000

A tergo gab es noch ein Stelldichein der nicht ganz so rötlichen Champagner. Die Louise war schwebend leicht, wie mittlerweile schon gewohnt und wie ich es mir bei der 96er Louise Rosé gewünscht hatte. Der Balnc de Noirs von Ulysse Collin war laut Etikett kein Rosé, aber die Farbe strafte das Etikett Lügen. Der Geschmack ist bei diesem ersten Blanc de Noirs von Olivier ganz eigentümlich. Eine alkoholische, schläfrige Süße, Hustenmedizin und Möbelpolitur, dann wieder Schattenmorelle, Himbeerbrause und Ingwer, keine Leichte Kost also, aber ein guter Schließer nach einer aufregenden Tour. Die hätte mit Leichtigkeit der Bollinger 2000 übernehmen können, der sich in guter Form zeigte und dessen feines Holz jedes noch so champagnerkritische Gemüt besänftigt und versöhnt. Nicht, weil es einen bewusstlos schlägt, sondern weil es so natürlich, so selbstverständlich und ausgleichend wirkt.   

Grand Chapitre 2014 im A-Rosa, Sylt (I/II)

Das Sternefestival des Ordre des Côteaux de Champagne fand letztes Jahr in Salzburg statt, dieses Jahr geographisch ausgleichend auf Sylt. Das war eine gute Entscheidung, denn dort schließen gleich zwei Gourmetläden ihre Pforten. Der Jörg Müller haut, wie schon länger bekannt, in den Sack und im Hause A-Rosa leistet man sich den Zweisterneluxus ab Januar 2015 nicht mehr, wie erst kürzlich überraschend vermeldet wurde.

Menu au Champagne 1. Akt

1. Aufzug, kalte Speisen

Johannes King, Söl'ring Hof, **/17

Herbstlicher Gemüsesalat, dazu

Delamotte Blanc de Blancs Millésime 2007

Wurzelgemüse, leicht gebundene, feincrèmige Sauce mit einem Delamotte (Stahltankvinifikation der Trauben aus Avize, Cramant, Oger und Le Mesnil), den ich solo nicht als Jahrgang einsortiert hätte. Der Delamotte unterstützte den herbstlichen Charakter der kleinen Leckerei, die Süße und Konsistenz von blanchierter Pastinake scheint überhaupt dem Charakter des Champagners sehr nahezukommen.

Jörg Müller, */18

Gänseleberpraline, dazu

Veuve Clicquot La Grande Dame 2004

Eine Paarung auf Augenhöhe, ideal für Esser mit besonders gutem Appetit, durch die gargantueske Kalorienfülle, die sich auf wenigen Kubikzentimetern ballt. Die Grande Dame, deren körperliches Format ja selbst einer übergroßen Gänseleberpraline geähnelt haben muss, tat nichts, aber auch gar nichts, um den kleinen Happen von Jörg Müller zu relativieren, ihn aus seiner unanständigen Schlemmerhaftigkeit in Richtung gebremster und kontrollierter Nahrungsaufnahme zu ziehen. Ganz im Gegenteil, befeuerte die üppige Dame den kleinen Racker noch mit ihrem schmeichelnden Pinotaroma, das als Stillwein ganz unmöglich zu kombinieren gewesen wäre, aber in Champagnerform optimal passte. Nichts für Asketen und ehrlich gesagt war ich nach der dritten Praline eigentlich schon satt.

Sebastian Zier, La Mer, **/17

Kaisergranat, dazu

Nicolas Feuillatte Palmes d'Or 2004 en Jéroboam

Wie dankbar war ich, dass nach der Praline nicht etwas noch konzentrierteres kam, sondern ein kleiner Badeausflug. Der Kaisergranat, selbst ein nachtaktives Tier, weckte in mir schlummernde Essensaufnahmekräfte und bereitete auf die lange Nacht vor. Eingerahmt wurde er vom ungewöhnlich fein geschwungenen Palmes d'Or 2004 (50PN 50CH, wobei man bei Nicolas Feuillatte luxuriöserweise auf Chardonnays nicht nur von der Côte des Blancs, sondern auch aus Montgueux zurückgreift), der mit seiner Schwungkraft und Robustheit nie hinter dem Berg hielt, der aber manches Mal allzu prompt seine kräftige Botschaft auslieferte und deshalb nicht gerade ein Vorbild in Sachen Eleganz ist. Dass er auch elegant kann, zeigt er 2004 und zu einem nicht geringen Anteil wird das außerdem am Großformat gelegen haben. Liebhaber der klassischeren, mächtigeren, wärmeren Palmes d'Or sollten bei diesem Jahrgang aufpassen, er könnte hinter den erwartungen zurückbleiben. Wer die Palmes d'Or dagegen immer zu direkt und vordergründig fand, sollte sich mit dem 2004er auseinandersetzen.

2. Aufzug, warme Speisen

Sebastian Zier

Austernvelouté, dazu

de Saint Gall Blanc de Blancs Grand Cru "Orpale" 2002

Aus der Küche von sebastian Zier kam der nächste Schwimmausflug, eine kleine Auster auf einem vorbildlichen Austernsamtsösschen, hinzukombiniert war wieder ein Kooperativenchampagner, diesmal der andere Klassiker, die Cuvée Orpale von de Saint Gall (Chardonnays aus Avize, Cramant, Oger und Le Mesnil, teilweise ohne BSA, mit 7 g/l dosiert). Wirklich überzeugend fand ich diesen Champagner, bei dem immer nur technisch alles zu passen scheint, auch dieses Mal nicht. Weder zur Sauce noch zur Auster selbst wollte sich eine Kommunikation aufbauen lassen, die kleine Auster mit ihrem bisschen Jod und Meerwasser riss gleich alles an sich und wies dem Champagner eine Nebenrolle zu. Der Saucenespresso schlug sich in das Lager seiner Herrin und so hatte der Champagner insgesamt keine Chance, mit unterwürfigem Zuckerschwänzchenwedeln zog er von dannen.

Holger Bodendorf, */18

Wachtelravioli, dazu

Duval-Leroy Blanc de Blancs Grand Cru "Prestige" Millésime 2006

Ein beinahe übersehenes Vergnügen kurz vor dem Beginn des zweiten Akts offerierte Holger Bodendorf, der mit verschwommenem Blick betrachtet ein wenig so aussieht wie ein um Jahre jüngerer Charles Schumann. Beträchtliche Freude bereitete der Raviolo, was in Teilen an dem wohlig-kindheitlichen Gefühl liegen wird, das Raviolispeisen bei mir sowieso immer erzeugen. Überzeugend fand ich dazu den Jeahrgangschardonnay von Duval-Leroy (Oiry, Chouilly, Avize, Cramant, Oger und Le Mesnil), den ich leider etwas aus dem Blickfeld verloren hatte, nachdem er mir als 2002er Brut Nature und als 2004er Brut doch immer wieder gut gefallen hat. Sowohl Ravioli als auch der Champagner bekamen dadurch etwas vom hidden champion des 2. Aufzugs, bzw. um es vorweg zu nehmen: gefielen mir sogar am besten; dicht gefolgt vom Kaisergranat.

Patrick Büchel, Spices, */16

Home Style Asia – Hamachi, Dashi, Aubergine, dazu

Bollinger Special Cuvée en Magnum

Was sich hinter dem Hamachi jetzt genau verbarg, habe ich nicht ergründen können. Ob und welche Makrelenart oder, weil ich auch etwas von Sébaste murmeln hörte, resp. las, Barsch eine Rolle spielte oder ob es sich, was nun wirklich auf der Hand, bzw. auf der kleinen Küchenkreation obenauf lag, im wesentlichen um Seeigel handeln sollte, den ich nicht besonders mag, hier aber immerhin erträglich fand – ich werde dem nicht weiter nachgehen. Klar war immerhin, dass ich den Seeigel essen konnte und das Dashi gut zum Bollinger passte. Mehr braucht's ja eigentlich gar nicht für den Erkenntnisgewinn. Der war vor allem: Bollinger und Umami sind eine gute, aber anstrengende Kombinbation, die mit einem leichteren Champagner trotzdem nicht funktionieren würde.

Der erste Akt überzeugte vor allem im ersten Aufzug. Der Gemüsesalat war vollkommen adäquat zur Jahreszeit und leitete glänzend zur Gänseleber über, die einen ersten, buchstäblichen Schwerpunkt setzte, bevor der Kaisergranat die einsetzende Gemütsschwere leichtflossig aufhob.

Terres et Vins de Champagne: Bérèche, Horiot, Laherte

Bérèche 

Beaux Regards Chardonnay auf 2009er Basis, Butter, Gras und heu, im Mund kakteeig, stechend, sehr fordernd.

Le Cran 2006 war dick, reif und schön, erstmals, seit ich diese Cuvée kenne, übrigens. Und im Gegenzug fehlte mir direkt nach dem beaux Regards ein wenig die Säure.

Campania Remensis Rosé, mittelgewichtig, nicht besonders fruchtgewaltig, mit mäßiger Säure. Der etwas wässrige Charakter verschwand mit Luft und Zeit.

 

Horiot

Métisse 2009er Basis aus 50PN und 50PB, mit Minisolera bis 2006, 2 g/l gewohnt gefällig, spassig, aber etwas kurz geratener Trinkspass.

Sève en Barmont Rosé de Saignée, 2007er Basis, mit 2 g/l dosiert, Rosenblüte, Weingeist und Mahagoni, wirkte dadurch etwas seltsam.

 

Laherte

Blanc de Blancs Brut Nature, sehr viel Vitamin C und eine enge Bauweise

Empreinte, sehr frisch, sehr schlank, ohne den Eindruck von Enge, den der Blanc de Blancs hinterließ, dafür mit leichtem Bitterl

Ultradition, mit 7 g/l dosiert, was höher klingt als es dann schließlich schmeckt.