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Category Archives: Champagner

Hier dreht sich alles um Champagner.

Waste with taste: Champagner von 1928 bis heute in Thomas Fraunds Restaurant Zehntenhofschänke

Spontan paar Flaschen öffnen sagt sich leichter, als es umgesetzt ist. Denn meine eigenen Kochkünste bleiben hinter meinem Esstalent weit zurück. Also muss auswärts gegessen werden. Von Koblenz aus gesehen nicht ganz einfach. Mal eben mit Sack und Pack beim Helmut Thieltges oder Stefan Steinheuer klopfen? Eher nicht. Aber sehr wohl beim Slowfoodler Thomas Fraund, der sich freundlicherweise bereit erklärte, seinen malerischen Innenhof, Kochkünste abseits der Speisekarte und hellwaches Personal zur Verfügung zu stellen. Thema: Prestigecuvées und hochwertige Champagnerjahrgänge vor, bzw. bis einschließlich 1990. Gar nicht mehr so leicht heutzutage, aber schaffbar und in manchem Keller, bei dem es für eine richtige Jahrgangsvertikale nicht reicht, sicher eine schöne Entlastung für den Bestand.

Louis Roederer Cristal 1989 – Kalbsfiletpraline und grüne Sauce

Mit entschiedenem Behagen und nur mühsam kontrollierter Schlingbewegung ging der Cristal hinab, die Gemächer für seine nachkommenden Freunde im Gourmetgewölbe zu bereiten. Die Kalbsfiletpraline passte dazu 1a, ja selbst die grüne Sauce bockte nicht oder verhunzte die Eintracht aus krossem Mantel, zartem Fleisch, reifem Pinot und relaxtem Chardonnay. Der Cristal 1989, dessen Schicksal es ist, zwischen zwei tendenziell großartigen aber nicht immer unproblematischen Jahrgängen eingeklemmt zu sein, nutzte die Gunst der Eröffnung, um sich als feinstens ausgereifte Champagnergröße mit völlig eigenem Charakter zu zeigen. Gebrannte Haselnuss, flitternde Apfelstückchen und mittlerweiel eher auf der Seite des 90ers als auf der des 88ers (wo ich ihn bisher immer verortet habe).

Dom Pérignon 1990 – Ziegenfrischkäsecrème, mallorquinischer Honig, Aprikose, Blütenpollen und scharf kandierte Mandeln

Der bewährte Mix aus 55PN und 45CH vom Cristal rief nach einer Fortsetzung und das wir keinen 90er Cristal zur Hand hatten, wurde es ein unter oenopädagogischen gesichtspunkten genauso passender Dom Pérignon 1990. Der illustrierte, was ich mit dem weicheren 90er-Naturell des Cristal gemeint hatte und war auch sonst in Bestform. So balanciert, so harmonisch, so wohlig, weich und großzügig, ein Dalai Lama in Champagnerform. Keine Frage, dass das unbesehen zu Ziege, Honig und Mandel passte wie nichts sonst. 

Veuve Clicquot La Grande Dame 1969 – Hummerscherenfleisch im Bellota 5J

Die Veuve hatte ihre besten Tage hinter sich gelassen, der Dampf war weg und geblieben war ein beschaulicher Stillwein, der altersmäßig einhellig ziemlich richtig einsortiert wurde, überwiegend als 64er oder 66er, jedoch kaum als noch älter. Das ausgeprägte Sherryaroma wurde nicht als unschicklich empfunden, sondern mehrheitlich als angemessen gerade zum Seewasseranteil des Gangs. Faszinierend für mich und passend zu reifem, bzw. zu Stillwein gewordenem Champagner mit stehengebliebenen Fettzermalmerqualitäten ist immer wieder die Gorgonzolaaromatik von lange gereiftem Schinken, bzw. überhaupt von Fleisch, das längere enzymatische Prozesse durchlaufen hat. Selbst wenn man eine Grande Dame in diesem Stadium nicht mehr solo zum Vergnügen trinken würde, mit den geeigneten Speisen ändert sich das. 

Bollinger Grande Année 1985 – Sot-l'y-laisse mit kleinem Oktopus und Cassoulet

Der Bollinger verriet sich schnell durch seine Pinotwürze, die im Alter ja kaum nachlässt, hier aber zunächst verschleiert wurde von einer leichten Metallik. Danach war die Sache aber klar und der von seiner Zusammensetzung seiner Vorgängerin wohl recht ähnliche Bollinger bot gekonnte Unterhaltung, seinem größten Verzehrer dabei überzeugend nacheifernd. Wo James Bond (1985 zuletzt gespielt von Roger Moore) es mit Christopher Walken und Grace Jones zu tun hat, sind es bei der Grande Année Pinot Noir und Chardonnay, auf dem Teller das Pfaffenstückchen der Pute und der dazu gegensätzle, aber zum Unterwasserthema des Films passende Oktopus. Bond schafft es 1985 in "Im Angesicht des Todes" und Bollinger erfüllt seine Mission mit je nach Sichtweise gleichermaßen gutem Ende, d.h. für mich sehr erfreulich, für den Champagner tödlich.  

Kalamansi Sorbet und Kräuterbitter mit angegossenem Champagner

Jacquart Extra brut und Brut Mosaique waren das Pendant zum erfrischenden Sorbet. Der Extra Brut und der Brut Mosaique wurden schnell als deutlich zu jung für das Thema des Abends erkannt, auch ein Drittelmix schien den meisten offenkundig. Hüllenlose Wohlgestalt, die zur Kalamansi passte, beim Extra Brut und reife, entwickelte, natürlich durch höhere Dosage in eine andere Richtung gedrehte Aromatik , die sich der Kräuterbitteraromatik annahm. Mit gefiel das Sorbet aber besser in Verbindung mit dem Extra Brut, wobei auch der Bollinger nochmal eine sehr gute Figur dazu machte.

Drappier Millésime 1979, dég. Dez. 2013 – Kalbsfilet unter der Räucheraalkruste, gebratener Kürbis, Zuckerschote, Ochsenmarkpolenta 

Schnell wurde der Drappier als Aubechampagner enttarnt, aber beim Jahrgang gingen die Schätzungen alle in das Jahrzent 1990 – 1999, Grande Sendrée 1990 schien einigen nahezuliegen. Natürlich wird das am späten Dégorgement gelegen haben. Malz, Brotkruste, Würze und eine etwas altmodischere Art von Eleganz als bei vergleichbaren Erzeugern aus dem Norden der Champagne ließen den 79er aber viel Zuspruch finden. Ich konnte mich nur mit Mühe von der köstlichen Ochsenmarkpolenta abwenden, nur um zu der im Vorfeld skeptisch betrachtetem dafür umso gelungener umgesetzten Räucheraalkruste auf dem Filet zu gelangen. So kann die von mir eigentlich abgelehnte Kombination von See und Land gerne aussehen, bzw. schmecken. Noch besser wird es nur, wenn ein so munter dreinschlagender Champagner dazukommt, der wegen seiner aus dem Spätdegorgement bezogenen besonderen Stärke weder mit Räucheraal noch mit Ochsenmark Schwierigkieten hat.   

Cognacflambierter Orangencrèpe, Campariquark, Bergamottecrèmeis mit Ahorn

Zum Dessert konnten beide 79er zeigen, was sie draufhaben. Vor allem das Bergamotteeis lud zum Aromenvergleich ein, den die Louise für sich entscheiden konnte. Der Drappier zeigte sich dafür als besonders gut zum Campariquarkbegleiter geeignet und machte vielleicht auch die bessere Figur zum Crêpe, wobei ich zugebe, das nicht mehr in allen Einzelheiten festgehalten zu haben, weil die magische Louise alle Konzentration auf sich zog.

Pommery Louise 1979

Für mich der Wein des Abends, auf so hohem Niveau habe ich noch keine Louise getrunken und auch sonst wird es selbst bei den großartigsten unter den reifen Champagnern schwierig. Diamanthart, strahlend und rein, faszinierendes Aromenschillern, unerklärlich frische Säure und unendlich scheinende Komplexität.

Chauvet Blanc de Blancs Crémant de Cramant Grand Cru 1928

Heiteres Staunen in der Runde, nachdem ich den Jahrgang enthüllt habe. Die Schätzungen lagen größtenteils Mitte der Sechziger Jahre, was an der täuschenden Säure lag, die sich zwischen Sherry, Scotch, Butter, Milch und altem Roquefort noch hindurchschlängelte.

Terres et Vins de Champagne: Jeaunaux, Ledru, Marie-Courtin

Jeaunaux

Prestige Brut Zéro, kommt mit kräftigem Antritt aus dem Startloch, keinerlei Durchhängephase, kein Dieselloch oder sonstige Zeichen von Schwäche, sondern ruckelfreier Durchzug, wobei der hohe Chardonnayanteil durch den Pinot erstaunlich warmherzig und beinahe schokoladig wirkt.

Sélection Extra Brut 5 g/l, brotig, exotisch, wie ein dick gebuttertes Vollkornbrot mit Mangoscheibe

Grands Nods Zéro Dosage 2004, Drittelmix mit Limette, Druck, Frische und Eleganz, in dieser Preisklasse immer wieder eine positive Überraschung in Blindproben.

 

Marie-Noelle Ledru

Extra Brut 2006er Basis, ein Lehrstück über Winzerchampagner aus Ambonnay. Ordentlich, kräftig, zupackend, mit feiner Nuss

Blanc de Noirs Millésime 2006, schnittig, etwas rauher und kratziger als der Extra brut, mit fiebernder, handlungsfreudiger Säure

Cuvée de Goulté 2008, deutlicher Niveausprung, unnötiger Speck ist hier abgeschmolzen, der Champagner steht elegant und ausbalanciert, dabei mit bemerkenswerter innerer Spannung wie auf einer Yogamatte da

 

Marie-Courtin

Résonance, Orange, Nektarine in klarer, reiner, schöner Verarbeitung

Efflorescence 2008er Basis, Madarine, Marille, pikante Säure, Acerola

Eloquence 2008er Basis, dicker hingetuschte Linien als bei der Efflorescence, etwas weniger trennscharf, weniger Säureempfindung


 


 

Terres et Vins de Champagne: Doquet, Geoffroy, Lahaye, Pouillon

Pascal Doquet

Horizon, locker, weich und gut gelaunt, wie der Murgier von Boulard, aber mit einer freundlichen, hippiehaften Naivetät. Da hier eine Dosage von um die 7 g/l verarbeitet werden will, lihnt es sich, den Champagner für mindestens ein Jahr nach dem Erwerb wegzuschließen.

Vertus Premier Cru Millésime 2002, 1/3PN 2/3CH, 5 g/l, Vertus stellt sich mal wieder als die reinste Champagnerwundertüte vor. Toller Chardonnay, toller Pinot, ergeben diesen tollen Champagner. Lang, komplex, reif aber nicht überreif, einnehmend, aber nicht überrumpelnd.

Le Mesnil Grand Cru Vieilles Vignes 2002

Für mich der beste Le Mesnil Grand Cru von Doquet. Effekthascherei ist ihm ja soweiso fremd, aber das gelebte understatement kann Champagner auch schonmal ins Hintertreffen geraten lassen. Dieser präsentiert sich erstmals mit ruhigem, nicht zu dick aufgetragenem Selbstbewusstsein, mit Getreideanklängen, getrockneten Früchten und einer ruhig dahinfließenden, unaufgeregten Säure.

 

René Geoffroy

Blanc de Rosé Saignée, 2010er Basis, Commaceration von Chardonnay und Pinot Noir, was einen sehr aromastarken Champagner aus einem Guss ergibt, blumig, rosig, mit nur ganz wenig untermalender Säure. Ein fabulöser Champagner der leisen Töne.

Empreinte 2007er Basis, Fassvinifikation, saftig, mit Süße und Säure in einem Gleichgewicht, wie man es von schönen Moselkabinetten her kennt und das nicht zu verwechseln ist mit chinesischer süß-sauer Sauce.

Millésime Extra Brut 2004, Kork.

 

Benoit Lahaye

Violaine, was für ein ausgefuchster Champagner ist das jetzt wieder, dachte ich mir. Aber klar, Lahaye ist ja für solche Überraschungen immer gut.

Rosé de Saignée 2010er Basis, Veilchen, Lavendel und etwas tückisches Geraniol, dazu eine Süße, die schwerem Blütenduft nunmal eignet.

Millésime 2004, für einen 2004er ungewohnt druckvoll und rassig, davon hätte der Rosé etwas abbekommen dürfen.

 

Pouillon

Chardonnay Les Valnons Ay Grand Cru, mit 7 g/l dosiert, exotischer Chardonnay, wie man das aus ay erwarten darf, wobei mir die Dosage zu hoch war und sich mit der Zeit hoffentlich soweit eingliedert, dass der Fruchtgenuss ungetrübt stattfinden kann.

Nature de Mareuil Les Blanchiers 50PN 50CH, nur 1% weniger auf der échelle des crus und in den richtigen Händen doch mindestens auf Augenhöhe mit Ay. Mareuil gehört zu den Terroirs, die es sich immer zu probieren lohnt. Reif, aber nicht runzlig, griffig, mit einer klugen Balance von Pinot und Chardonnay.

2XOZ 2006er Basis, 100PN, der programmatische Name lässt entweder sehr viel oder sehr wenig Zucker erwarten. Beides ist richtig. Die Trauben waren schön reif, der Champagner brauchte dafür dann keine Extradosage mehr. Das Ergebnis ist ein dichter Champagner, der mich an die ersten Blanc de Noirs von Ulysse Collin erinnert und sich bequem wegtrinkt. 

Terres et Vins de Champagne: Leclapart, Laval, Agrapart

Leclapart

Artiste 2008er Basis, vollmundig, fett, reif und stark

Apôtre 2007er Basis, behäbiger als der Artiste

Alchimiste 2008er Basis, nachdem der erste Mief verstunken ist, zeigt sich ein rassiger Champagner, der mir von allen Alchimisten bisher am besten gefiel

 

Laval

Brut Nature Premier Cru 2010er Basis, selten einen Brut Nature mit so viel Substanz getrunken

Brut Premier Cru 2008er Basis, geweitet und aufgespreizt, jahrgangs- und dosagebedingt.

Hautes Chèvres Pinot Meunier vs. Longues Violes Pinot Noir, die ersteren oben am Berg, die zweitgenannten direkt darunter. Viel mehr Säure und Konzentration beim Pinot Noir, aber auch eine gefährliche Schwergewichtbildung dadurch. Ein Kandidat für die lange Kellerlagerung.

 

Agrapart

Mineral 2007er Basis, weich und fast schokoladig wirkte der Mineral, mit mildgesalzener Butter und getrockneten Apfelstückchen, von den sonst üblichen Blumen, Kräutern und vor allem von der geschätzten Säure habe ich nur wenig vernommen.

Avizoise 2007er Basis, scharfe Kanten, kein Schoko, weniger Süßwarenladen, mehr Epicerie, mehr Kreide und Stein.

Venus 2007er Basis, Harmonie, Kraft und Kontrolle; Heu, Gras, reifes Obst, Hagebitte, Quitte, ein ganzer Sommer auf dem Lande, zusammengefasst in wenige Deziliter.

Dom Pérignon Stage Dinner in der Laeiszhalle, Hamburg

Dom Pérignon steht für Champagner wie Burger King für fast food und Formel 1 für schnelle Autos. Um in seinem jeweiligen Bereich die Spitze zu behaupten, genügt es nicht, ein bekanntes Erfolgsrezept stumpf ad infinitum zu perpetuieren. Das gilt für Luxusgetränke, wie für fast food und Autos. Spitze ist avant-garde, deren glamouröse Vorreiterrolle verdient sein will. Carl von Clausewitz wusste, dass die Vorhut nicht nur eine beobachtende Funktion hat, sondern auch mit Widerstand konfrontiert wird, dem sie sich mutig zu stellen hat. Das verschafft dem Rest der Truppe Zeit und offenbart die Absichten des Gegners, der aus seiner Deckung gelockt wird. Utz Claassen nennt das in seinem ansonsten ziemlich unerträglichen Buch "Unbequem" wie? Genau: unbequem.

Dom Pérignon ist ein solcher Avantgarde-Champagner; ganz anders, als die gewagtesten Champagner der Aube-Winzer oder die Kreationen der jüngsten Generation von Winzern, die jetzt gerade das Ruder im elterlichen Betrieb übernimmt, eher ein Bataillon als ein Spähtrupp, würde Clausewitz sagen. Das Zeitmoment, das in der Arbeit vieler Champagner-Kellermeister eine zwingend wichtige Rolle spielt, wird von Dom Pérignon schon seit Jahren mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht. Denn bei einer zyklischen Betrachtungsweise, die im Weinbau naheliegt, zeigen sich im Laufe der Jahrzehnte typische Entwicklungen. Bei Dom Pérignon spricht man von drei plénitudes und meint damit die drei Stadien der Champagnerreifung. Ist die erste plénitude nach ca. sieben Jahren durchlaufen, kommen wir in den Genuss des jeweils neuen Dom Pérignon Jahrgangs, der fortan gedanklich ein "P1" tragen sollte. Nach weiteren sieben Jahren hat sich der Charakter des Champagners stärker ausgeprägt, teilweise sogar gewandelt. Dann ist die zweite plénitude durchlaufen und der Dom Pérignon erhält ein neues Kleid. Das Etikett ist nun schwarz und bis vor kurzem prangte der Zusatz "Oenothèque" darauf. Das hat sich jetzt geändert. Die Oenothèque heisst nun nicht mehr nur hausintern sondern ganz offiziell "P2", der erste Jahrgang mit dieser Bezeichnung am Hals ist der 1998er Dom Pérignon. Wer den noch im Keller liegen hat oder sich dessen Geschmack auf andere Weise vergegenwärtigen kann, sollte das schleunigst tun. Denn bei diesem Jahrgang erkennt man die Entwicklung sehr deutlich. Je nach weiterem Reifeverlauf wird es in weiteren ca. sieben Jahren einen "P3" geben, aber bis dahin müssen wir uns noch in Geduld üben. Hauptsache ist erstmal, dass das Spätdégorgement verstanden wird.

Zur Feier dieses in der Champagnerwelt u.a. auch von Bollinger (R.D.), Krug (Collection), Jacquesson (Dégorgement Tardif) gepflegten Konzepts und zum besseren Verständnis hat sich das Team um den Mönch etwas schönes einfallen lassen. Nämlich eine synästhetische Produkterfahrung. Alle drei Hamburger Zweisterner, Christoph Rüffer vom Haerlin, Thomas Martin vom Louis C. Jacob und Karlheinz Hauser vom Seven Seas im Süllberg bündelten ihre Kräfte, um in der Laeiszhalle aufzuspielen. Friedrich Liechtenstein leitete alles andere als unbequem durch den Abend, der von Nayon Han auf dem Cello, Eberhard Lauer an der Laeisz-Orgel und einem Teil der Berliner Symphoniker instrumental begleitet wurde, vokal kamen der Monteverdi-Chor und der Hamburger Mädchenchor hinzu, Bach und Brahms forderten den Intellekt. Sara Zinna und Marten Baum lieferten sich eine Tanzschlacht mit den b-boys der flying steps academy, pas de deux traf auf urban dance, Bach auf Coldplay und am Ende gab es Anonymous Love für alle.

Zur Eröffnung gab es Dom Pérignon 2004 und Kleinigkeiten zur Einstimmung auf die verschiedenen Küchenstile der Kochgefährten des Abends.

Karlheinz Hauser kombinierte erst Kalbstartar, Petersilie, gebackene Sardelle und Zitrone, dann Iberico Schweinebauch, Ponzu, Mango, Gurke. Mir gefiel die Sardellenidee zum Dom sehr gut, der Schweinebauch hätte heißer und krosser sein dürfen, dann wäre der Kontrast mit Mango und Gurke augenfälliger gewesen und der Champagner hätte klarer dazu glänzen könnenn.

Christoph Rüffer offeriert Thunfisch mit Erdnuss & Salzpflaume und danach einen Gänseleberlolli mit Passionsfrucht & Ziegenkäse; klingt banal, nach Sofasnack und Lolita, passt aber. Vor allem die Kombination aus Fisch, Nuss und Obst unter einem gemeinsamen salzigen Dach fügt sich feinsinnig in die weit geöffneten Aromenslots des Champagners. Konventioneller schien die Gänseleber, nur mühsam gebändigt die Passionsfrucht, die Zusammenstellung insgesamt ein Hinweis für Freude an der Provokation und Risikolust.

Thomas Martin bot einen Rote Bete Maccaron mit Entenlebermousse an und wies damit auf die erdigen und bodenständigen Komponenten des Champagners hin. Hamachi mit Tomate und Koriander kitzelten wieder die Seeseite und vor allem der Koriander holte Orientalik aus den Tiefen des Glases.

 

Menü:

 

I. Thomas Martin, der im Hauptteil seine klassische Küche zelebriert, verpaarte den klassischen Dom Pérignon mit Klassikern zum Sattwerden.

I.1 Schottischer Biolachs im Kräutermantel mit Osietrakaviar von AKI, Crème Fraîche und Brioche

I.2 Samtsuppe von Kaisergranat mit karamellisiertem Apfel und Zuckerschoten

dazu jeweils: Dom Pérignon 2004, der immer wieder mit seiner Nähe zum Dill überrascht, besonders deutlich war das beim Kräutermantel vom Lachs schmeckbar. Mit dem Öl der Meerestiere gab es keine Probleme, im Gegenteil. Die räucherigen Aromen vom Dom umwoben den Kaviar wie ein hauchzartes Negligé, Crème Fraîche und Brioche kamen so selbstverständlich dazu wie die unvermeidlichen besten Freundinnen einer College-Partyqueen. Beim Kaisergranat entzückte einerseits, dass keine Spur von verbrannten Aromen zu schmecken war, was ich leider selbst in der Sterneküche schon erleben musste, andererseits die Apfelstücke, die hie im Champagner wie dort in der Speise aus den Nichts aufzutauchen schienen, gegen den Gaumen stießen und sofrt wieder abtauchten. Sowas erzeugt Vergnügen.  

 

II. Christoph Rüffer, in Hamburg wohl der primus inter pares, kochte clever, frech und ausgereift, was ihn zu idealen Partner des P2 machte. Großartig war die Idee, ein wohlbekanntes und in jeder Truckergaststätte schon bis zum Ende durchgenudeltes Gericht mit Zutaten der Hochküche zu revitalisieren. Beim P2 kann man schließlich einen ganz ähnlichen Effekt miterleben, nur dass weder der normale noch der spätdegorgierte Dom Pérignon oft in Truckergaststätten anzutreffen ist. Obwohl, so genau weiss man das ehrlich gesagt gar nicht.

II.1 Cordon Bleu von Kalbsbries und Gänseleber mit Karottenpüree, Pfifferlingen & Orangenblüten-Dashi

II.2 Steinbutt mit Bouillabaissejus Fenchel & Sauce Choron

dazu jeweils: Dom Pérignon P2 1998, der unvergleichlich leicht und porentief zugleich war. Das ist in meiner Wahrnehmung sowieso ein Schlüsselmerkmal des Dom Pérignon, neben den üblichen Toast-, Pilz- und Röstaromen: die Leichtigkeit, das Er-leichternde des Champagners, das mir beim regulären 98er und bei den schwächeren Dom-Jahrgängen wie 92, 93, 2000 insgesamt immer gefehlt hat. 

 

III. Karlheinz Hauser versöhnte mit dem Merinolamm den theoretischen Veganer in mir und ließ den Tod dieser Tiere nicht nur sinnvoll, sondern zwingend notwendig erscheinen. Genauso zwingend war der Griff zum Dom Rosé 2003, der Lammfleisch und Orange zu verbinden verstand, wie es ein Stillwein vielleicht nicht gekonnt hätte. Tomate und Sobrasata machten diese Aufgabe nicht leichter, wobei leicht auch nicht der bevorzugte Tummelplatz dieses Champagners ist. Süß aber auch nicht, wie sich dann zeigte. Trotz eines witzigen Limonadencräckers und des für sich genommen noch gut passenden Lavendels war die Süße zu massiv und vielgestaltig, um den besonders weinigen Champagner angemessen einzukleiden oder umgekehrt sich von ihm umfangen zu lassen. 

III.1 Verschiedenes vom Merino Lamm, Orange – Quinoa Bohnen – Sobrasata – Tomate

III.2 Gebrannte Mandelcreme, weißer Gascogne Pfirsich – Limonade – Lavendel

dazu jeweils: Dom Pérignon Rosé 2003.

Zum Ausgleiten gab es Dom Pérignon aus der Leuchtflaschenedition, dazu die Musik von DJ Anonymous Love.

 

Eines konnte man an diesem Abend lernen: Dom Pérignon ist ein Champagner, der wie kaum ein zweiter alle Sinne anspricht und auf allen Ebenen interpretiert werden kann. Essen allein reicht dazu nicht; die schwarz und weiß gehaltene Tischdeko spiegelte die beiden Rebsorten Pinot Noir und Chardonnay, die sich im Champagner spannungsvoll gegenüberstehen, die miteinander ein Tänzchen wagen, einen pas de deux aufführen und urban dance moves zeigen. Vom vollen Klang der Orgel über den wohligen Klang der Stimme von Friedrich Liechtenstein, vom Klavierstück, vom Monteverdi- bis zum Mädchenchor ist in diesem Champagnerfüllhorn alles drin. Das gezeigt zu haben, war im Kern der Zweck des Abends, zumindest für mich.

Terres et Vins de Champagne: Paulet, Boulard, Pascal

Hubert Paulet

Brut Tradition 2008er Basis 4 g/l, wieder mal war die Schokolade leitmotivisch, trotz der nicht besonders hohen Dosage gab es viel Harmonie und Süße, wohl dem Jahrgang geschuldet.

Rosé Mazeration 2005er Basis, 6 g/l, Joghurette in der Gourmetversion

Cuvée Risleus, aus 47CH 32PN und 11PM, 7,5 g/l, röstig, reif, sehr entwickelt, ersetzt ein kleines Pilzrisotto.

 

Boulard Père et Fille

Murgiers 2010er Basis, locker, angenehm und in kumpelhafter Stimmung wie der allseits im Dorf geschätzte Vorsitzende vom Fussballverein, den man sonntags in bequemer Kleidung beim Brötchenholen trifft.

Rachais 2007er Basis Brut Nature, dieser Chardonnay hatte noch Potential nach oben, im Moment befindet er sich in Ruhestellung. So weich und rund wie er schmeckt habe ich geringe Zweifel daran, dass ihm in den nächsten Jahren die Puste ausgehen wird, höchstens der Jahrgang selbst könnte an der Langlebigkeit etwas knabbern.

Petraea 97-07, solerahafte Gemütlichkeit.

 

Franck Pascal

Reliance Brut Nature, Milchkaffee mit schönem Schäumchen und gesunder innewohnender Süße, die keiner weiteren Dosage bedarf, obwohl gerade die Champagner von Franck Pascal davon mehr profitieren als darunter zu leiden.

Tolerance Rose d'Assemblage, fruchtiger und spielfreudiger Rosé, der mir viel Freude bereitet hat und den ich künftig häufiger im Glas haben will.

Cuvée Prestige 2003 en Magnum, wirkte bierhefig und nicht sehr ausgeglichen, eher noch unfertig und aus dem Pfad der Selbsterkenntnis, also bei weitem noch nicht so durch wie manche viel bekannteren 2003er.


 

Aus dem Champagnerlabor

Besonderes Kopfzerbrechen bereitet mir schon länger die Antwort auf die Frage, wieviel Zeit von der gierigen Deglutition des Champagners bis zur soteriologischen Erek-, nein Eruktation beim Manne, bzw. zum niedlichen Singultus der Frau schicklicherweise zu vergehen hat.

Ich führe deshalb regelmäßig kontrollierte Selbstversuche durch, bei denen ich die Umschaltgeschwindigkeit von Luft- zu Speise-, resp. Trinkröhre ermittle und mich redlich mühe, Champagner aus unterschiedlichsten Gemäßen in verschieden(st)en Kadenzen mir einzuverleiben. Damit dabei der Überblick nicht verloren geht, halte ich die Resultate meiner Untersuchungen fest und veröffentliche sie sogar teilweise zum gemeinen Nutz und Wohl.      

Im Rahmen meiner neuesten Forschungsarbeiten mussten deshalb wieder einige Champagner das Zeitliche mit dem Ewigen vertauschen. Als Grabschmuck gab es Balik Lachs, Prunier Caviar, Käse und marrons glacés. Und u.a. die Chips von Pfannifrisch, die noch nicht im Handel erhältlich sind, aber so gut schmecken, dass es sie gefälligst bald zu geben hat – das aber nur als Randnotiz.

1. Bollinger Grande Année 2002 Bond Edition

Bollinger brilliert ja jedes Mal, wenn man eine Flasche von da aufmacht. Oft denke ich sogar, ich hätte mich daran sattgetrunken und bräuchte jetzt gar nicht unbedingt einen Bollinger im Glas, dann kommt aus welchem Grund auch immer doch welcher rein und ich bin wieder elektrisiert. So war es bei der 2002er Grande Année schon verschiedentlich und mittlerweile ist die Auswahl an Grande Années richtig breit geworden, vor allem wenn man die Abstufungen der R.D.s hinzunimmt, vielleicht so breit wie bei keinem anderen Erzeuger. Begonnen beim 1990er über den erstaunlichen 1995er, den ruppigeren 1996er, zum pummligeren 1997er, über 1999 und 2000 hinweggeglitten bis hin zum 2004er, den 2002er als einen der geschniegetsten mittendrin. 

2. Tristan H. Cuvée Iseult

Eine Herzensangelegenheit von Tristan ist seine Cuvée Iseult. Die ist weiblich, wandlungsfähig, nicht zu verwechseln mit launisch. Der Pinot ist nicht zu schwer und bodennah, sondern flitternd, auf eine unterhaltende Weise glamourös, der eingängige Chardonnay leistet seinen Beitrag in coolestmöglicher Manier, ohne dass der Champagner abgehoben wirkt. Das mag in Teilen am Winzer liegen, der so liebenswert und freundlich ist, dass man diesen Eindruck auf seine Cuvées überträgt ohne darüber nachzudenken, wie so ein Champagner in einem glitzernden Neunsterneschuppen in Shanghai wirken würde.

3. Charlot Cuvée Speciale Extra Brut

Wie schön spielte der Extra Brut aus der in Dreigrammschritten dosierten Speciale-Serie doch jetzt auf. So viel Saft und Kraft, aber nicht so, dass er vor lauter Kraft nicht mehr gehen könnte. Also eben nicht der Muskelprotz, zu dem manche Champagner neigen, wenn der Winzer vergisst, eine Kontrollfunktion einzubauen, hier in Form von Butter, Crème Brûlée und Milchkaffee. Deutschen Verkostern kommt sowas immer überreif, oxidativ und was weiss ich nicht alles vor. Mich stört's selbst bei einem vergleichsweise jungen Champagner nicht, ich stelle das aber durchaus beim Alterungspotential in Rechnung. 

4. Dehours Collection Blanc de Meuniers 2007

Von Jérôme Dehours sind die Einzellagen besonders begehrenswert und bisher ohne erkennbare Schwäche. Dabei könnte ich nicht sagen, dass sich der Schwerpunkt seines Könnens beim Pinot Meunier festmachen lässt. Dazu sind die anderen reinsortigen Champagner von ihm viel zu stark. Aber eine ortsbezogene Verpflichtung gegenüber dem Meunier lässt sich kaum leugnen. Deshalb schaue ich bei Dehours gern in die zweite Reihe, hier in Form der Jahrgangscollection. Die ist merklich näher an den typischen Eigenschaften der Rebe, leider auch im negativen Sinn. Dadurch wird der Champagner nicht schlechter, aber man muss diese Typizität wollen. Beim Meunier 2007 ist eben nicht alles bis ins letzte durchdacht und perfektioniert, da tun sich Spaltmaße auf, wie man sie bei englischen Sportautooldtimern hinnimmt, bei modernen Produkten aber nur als Liebhaber zu tolerieren bereit ist.

5. Pol-Roger Cuvée Sir Winston Churchill 2000

Was ich eben zum Bollinger gesagt habe, trifft in gewisser Weise auch auf Pol-Roger zu. Nur dass bei Pol-Roger die Produktpalette bedeutend größer und dadurch in den letzten zehn Jahren etwas unruhiger geworden ist. Vor allem das Dosagethema wurde bei Pol-Roger nicht so fugenlos bearbeitet, wie ich mir das gewünscht hätte. Um mich damit nicht unnötig zu belasten, habe ich den jüngsten Neuzugängen meines Handvorrats aus dem Hause Pol-Roger etwas Ruhe und zeitlichen Abstand gegönnt. Das hat sich gelohnt. Jedenfalls bei der Cuvée Sir Winston Churchill 2000, der ich in meiner grenzenlosen Hoffnung immer schon viel zugetraut habe, Jahrgang hin oder her. So delikat wie ein geschälter Pfirsich, ganz ohne jede unwirsche Überheblichkeit, die man bei einer Cuvée dieses Zuschnitts erwarten oder befürchten könnte.Trotz des traditionellen Übergewichts an Pinot Noir wirkt der Champagner ausgewogen, als wäre der Pinot nur gedanklich in der Übermacht. Am Gaumen merkt man natürlich schon eine Dichte, für die man die Mixverhältnisse verantwortlich machen kann; nur ist dieser SWC eben so erudiert, dass Technikfragen völlig zurücktreten.

6. Marc Hebrart Special Club 2008

Ein Artisan de Champagne ist Paul Hébrart und seine Champagner sind seit Jahren eine sichere Bank. Klarer Fall, dass 2008 dort gelingen musste. Die Dosage ist hier geringfügig höher eingestellt, als mancher Champagnerpurist sich das wünschen mag, aber Champagnerdosage ist nunmal kein kirchenrechtliches Dogma und mehr als sonst gilt beim Champagner: jeder wie er will und toll, wenn's klappt. Für mich ist der Specual Club von Hebrart einer der ganz großen Freudenspender. Unernst, trotzdem inspirierend, munter, kregel und zum Leichtsinn verleitend, euphorisierend, tonisierend und besser als jeder noch so gelungene one night stand.

7. Jean Vesselle Oeuil de Perdrix

Als Rosé ist dieser hellzwiebelschalenfarbene Pinot-Champagner von Delphines 11 Hektar im Hanutaterroir von Bouzy kaum zu erkennen, solange man ihn nicht im Mund hatte. Dort zeigt er sofort, aus welchem Stall er kommt. Erdbeere, Törtchen, Nuss, aber davon nur ganz wenig. Lang, weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege, wagala weia, Wallala wogend wie die Rheintöchter aus dem Ring (des Nibelungen). 

8. Nicolas Feuillatte Palmes d'Or 1999

Als hätte ich es gewusst oder zumindest geahnt. Erst seit paar Tagen ist bekannt, dass der eponymische Monsieur Feuillatte im gesegneten Alter von 88 Jahren verschieden ist. Fiducit. Fiducit auch, Palmes d'Or, in absichtsloser Vorausahnung. Nach dem zierlichen Oeuil de Perdrix von Vesselle war das ein absehbar mächtiges Geschoss (vulgo: Oschi), das unmittelbar nach dem Bollinger sicher besser gepasst hätte. 

9. Agrapart Mineral 2007, dég. Sep. 2013

Chardonnay aus Avize, so ruhig und beruhigend, in sich geschlossen und firm wie man ihn nicht oft bekommt. Er braucht nach dem Dégorgement gut und gerne sein neun bis zwölf Monate Ruhe, Enthusiasten trinken ihn schon früher reulos.

10. Daudet-Cotel 

Als ich bei Michel Drappier zu Tisch war, wies mich der auf Champagne Dautel-Cadot hin, dort würde ich einen bemerkenswerten Weißburgunderchampagner finden. Da ich sowieso in Essoyes noch zu tun hatte und mich mit Charles Dufour treffen wollte, bot sich ein Abstecher zu Dautel-Cadot an, bzw. drängte sich auf. Die dort mit Sylvain Dautel verkosteten Champagner waren leider alle viel zu kalt und ließen nur wenig erkennen. Also musste eine Testreihe mitgenommen werden, vor allem der Pinot Blanc interessierte mich natürlich. Und siehe, mit Ruhe und wohltemperiert offenbart sich die ganze Eleganz und blühende Fülle dieser Rebsorte, deren Aromatik nie auf Champagner weist, die aber in den Händen eines Champagnerkönners bis zur Machbarkeitsgrenze ausgelotet werden kann. Bei Dautel-Cadot wirkt der Weißburgunder besonders blütenduftig und fruchtig, auch reif, saftig und mir, der ich gerade solche Champagner dosagelos bevorzuge, eigentlich zu süß, aber das bedeutet nichts. Denn Sylvain legt es auf gourmetfreundliche Champagner an, die sich nicht so sehr im Laborvergleich, sondern beim convivialen Weindîner bewähren sollen.   

11. Christian Senez Cuvée Renoir

Christian Senez macht angenehme Champagner zu vernünftigen Preisen. deshalb war meine Freude groß, als ich erfuhr, dass die Distribution in Deutschland vorankommt. Bei meiner letzten Aubetour habe ich gegenüber den unmittelbar zuvor genossenen Kreationen von Charles Dufour zwar einen merklichen Abfall hinnehmen müssen, aber wenn man es umgekehrt aufreiht oder auch gleich ganz nur bei Senez bleibt, oder aber nach einer langen Verkostungsrunde sich einfach so ein Fläschlein Senez genehmigt (so zuletzt erwiesenermaßen erfolgreich und krampflösend praktiziert nach, bzw. während eines anstrengenden Berlinaufenthalts), dann geht's. Gefällig mit leichtem Säurekick, ein Champagner, der keine unnötigen Fragen stellt oder aufwirft, sondern einfach nur helfen will. 

12. Piollot Rosé de Saignée 1982 dég. à la volée

Am Ufer der Seine liegt das kleine Gut von Dominique Moreau (= Champagne Marie-Courtin). Ihr Mann macht dort auch Champagner, den er unter eigenem Familiennamen verkauft. Im Keller hat er scheinbar noch erhebliche Mengen älterer Ware liegen. So richtig wild aufs verkaufen ist er damit nicht; eigentlich erfuhr ich das mehr zufällig und beiläufig und eigentlich sagte ich mehr spaßßeshalber, dass ich ja ganz gern auch davon mal etwas probieren wollte, denkend, es würde sich um so altes Zeugs handeln, für das er sich vielleicht ein wenig schämt, so defensiv, wie das alles klang. Ohne große Erwartuzng, zumal nach der sehr hohen Vorlage seiner Frau, probierte ich dann eine Flasche vom 82er Rosé de Saignée und hätte am liebsten gleich die ganze Restpalette vom Fleck weg gekauft.  Unwahrscheinlich frisch, durch das Handdegorgement gleichsam alterslos, mit ein wenig Buchenrauch und Mandel, köstlichem Speck, gekonnten Burgunderanleihen, cold brew coffee und massig torrefaction, obwohl ausschließlich im Stahltank gelagert, war das ein krönender Abschluss meiner Versuchsreihe.

 

Taittinger Comtes de Champagne 1999

Lustige und tolle Sprüche, Memes und Witzischkeiten aller Art finden sich heute leichter denn je. Mit die besten stehen aber traditionell im Alten Testament:

„Gebt starkes Getränk denen, die am Umkommen sind, und den Wein den betrübten Seelen, daß sie trinken und ihres Elends vergessen und ihres Unglücks nicht mehr gedenken.“ (Sprüche 31; 6,7)

Obwohl es nur wenig später schon wieder heißt und bis heute am Schabbes der Hausfrau zum Lob vom Hausvorstand vorgetragen wird:

„Wem ein tugendsam Weib beschert ist, die ist viel edler denn die köstlichsten Perlen.“

Gemeint sind natürlich nicht die köstlichen Champagnerperlen, muss der Hobbyexeget teleologisch reduzierend hinzufügen. Dann liest sich der Rest der Spruchweisheit erst richtig schön:

„Ihres Mannes Herz darf sich auf sie verlassen, und Nahrung wird ihm nicht mangeln. Sie tut ihm Liebes und kein Leides ihr Leben lang. Sie geht mit Wolle und Flachs um und arbeitet gern mit ihren Händen. Sie ist wie ein Kaufmannsschiff, das seine Nahrung von ferne bringt. Sie steht vor Tages auf und gibt Speise ihrem Hause und Essen ihren Dirnen. Sie denkt nach einem Acker und kauft ihn und pflanzt einen Weinberg von den Früchten ihrer Hände. Sie gürtet ihre Lenden mit Kraft und stärkt ihre Arme. Sie merkt, wie ihr Handel Frommen bringt; ihre Leuchte verlischt des Nachts nicht. Sie streckt ihre Hand nach dem Rocken, und ihre Finger fassen die Spindel. […]“

Darauf einen Dujardin. Nain. Lieber nicht. Sondern lieber Champagnerperlen. Diese hier zum Beispiel:

http://www.captaincork.com/weinauktion-auctionata.de-champager-1999-taittinger-comtes-blanc-de-blancs

Champagner Orientierungskurs

Um sich in die Champagne einzufühlen ist nichts besser, als eine Fahrt dorthin. Die Gastlichkeit und das Lebensgefühl vor Ort nehmen doch einige Schleier weg, die den Mythos Champagner umgeben. Was dahinter zum Vorschein kommt, ist (oft) mitnichten der befürchtete Industriezombie, sondern eine –  nich lückenlos umwerfend schöne, aber immerhin sehr sehr geile, teilweise – Weinbauregion wie es sie gewiss so oder so ähnlich überall auf der Welt gibt, mit einem Boden, den es dann schon nicht mehr ganz überall auf der Welt gibt und einem Weinbauvölkchen, das entgegen aller von Interessenvertretern unterschiedlichster Herkunft hochgepeitschten Wahrnehmung doch überwiegend, auch preislich, auf dem Boden geblieben ist. 

Wenn man aus welchem Grund auch immer nicht jedes oder jedes zweite Wochenende in der Champagne verbringen kann, schadet ein Herantasten in Flaschenform nicht und wenn ich, was vorkommen soll, darum gebeten werde, dann stelle ich diese kleinen Reisesurrogate zusammen. 

I.1. Champagne Bissinger (Lidl)

Ein Discounterchampagner zum einnorden sollte dabei sein. Der schmeckt nicht zum weglaufen, aber schon ein wenig so, wie ich in der Schule meine Hausaufgaben erldigt habe, wovon ich nur deshalb heute noch so detailverliebt berichten kann, weil die wenigen Male mir in guter Erionnerung geblieben sind. Der Lidl-Champagner schmeckt also gerade nach dem in Erfüllung der Mindestvorgaben für Chmpagner allernötigsten. Durchaus saftig und noch nicht einmal simpel, aber auch nicht mit besonderer Ambition zur Reife. Komplexität oder irgendetwas, das die Palette hochwertiger menschlicher Emotionen anrührt findet sich nicht. Muss auch nicht, der Discountsprudel ist ja nur das Sprungbrett.

I. Vincent Couche Blanc de Blancs Perle de Nacre Extra Brut

Den saftigen Charakter nimmt der Champagner von Vincent Couche auf und zirkelt drauf, dran und drumherum ein Gebäude wie es die chinesischen und/oder vietnamesichen Küchenkünstler mit Wssermelonen machen, denen sie die kunstvollsten Szenerien einschnitzen. Das ist zwar noch nicht gleichzusetzen mit der großen Küchenkunst an sich, aber zeigt bedeutende handwerkliche Fähigkeiten und so wie Wassermelone schlichtweg jedem schmeckt, schmeckt auch die Perle de Nacre sicher einer breiten Menge trotz ihrer für Blanc de Blancs untypischen, geradezu rotfruchtigen Eigenschaften.

I.3 Michel Turgy Blanc de Blancs Grand Cru

Ein Blanc de Blancs von klassischerem Zuschnitt mit dennoch eigenem Gepräge ist der von Turgy, dessen Jahrgänge ich schon seit Jahren wie närrisch kaufe, um sie dann immer viel zu schnell wieder ausgetrunken zu haben und mich wegen meiner Gier zu bemitleiden. Ganz auf diesem Niveau spielt der jahrgangslose Chardonnay von Turgy nicht, aber er ist so kräftig, mit dickem Kreidebelag ausgestattet und nicht zu sauer, so dass Ersttrinker von ihm nicht verschreckt werden. Zwei Champagner, die nach dem Lidlstoff klarmachen, was der Unterschied zwischen einer einfachen Basiscuvée und individuellem Chardonnay ist.  

II.1 Moussé Blanc de Noirs

80PM 20PN aus Cuisles, Jonquery, Châtillon sur Marne und Vandière, 24 Monate auf der Hefe

Sehr delikat war danach der Übergang zum Gegenkonzept Blanc de Noirs. Cedric Moussé gehört nach 12 Generationen Weinbau innerhalb der Familie nun zur neuesten Generation junger Winzer, zu der ich beispielsweise auch Jean-Marc Séleque und Thibaud Brocard zähle, deren Champagnerhandschrift noch nicht ganz ausgefeilt ist, deren Kreationn aber unbedingt verfolgenswert sind. Der Blanc de Noirs von Moussé, der sich bestens auf Pinot Meunier versteht, zeichnet sich durch das wohlige, weiche, fruchtige und unkomplizierte, aber nicht einfältige Meunier-Element aus, das von einem eleganten Spätburgunderaufsatz gekrönt wird. Dieser Übergang vom Blanc de Blancs zum Pinotchampagner ist ein leichter.  

II.2 Bernard Tornay Blanc de Noirs Grand Cru

Mit dem Pinoit aus Bouzy, der dann von Bernard Tornay ins Glas kam, fiel es schon schwerer, sich anzufreunden. Hier war doch sehr viel Kastanie, Honig, auch Hustenmedizin und Rosmarin mit drin, das machte den Champagner langsam als würde beim drag racing der Bremsschirm aufgehen oder eine Pistolenkugel im kriminaltechnischen Prüflabor in einen Jellyglibber geschossen, um das Projektil zu sichern. Zu Illustrationszwecken ist das eine richtige und gute Entscheidung, für den Sologenuss würde ich ehrlicherweise einen anderen Champagner vorziehen, sei es von Tornay selbst (der Palais des Dames zum Beispiel) oder von anderen Könnern im Ort (Maurice Vesselle, Benoit Lahaye, André Clouet, um nur die ersten Namen zu nennen, die mir spontan dazu einfallen). 

III.1 Serge Mathieu Millésime 2008

100PN

Die Reise geht weiter zu Serge Mathieu und damit an die Aube. Der 2008er Jahrgang, ein Champagner voller Ebenmaß und innerem Gleichgewicht, obwohl die Rebsorte taositisches Yin verkörpern müsste, strenggenommen; bzw. eigentlich stimmts ja doch, denn die schwarze Rebsorte mit dem weißen Saft hat in der vorliegenden Form weiße Charakterzüge abbekommen, also Leichtigkeit, Frische, weißes Fruchtfleisch und ein sonnenhelles Gemüt, so dass das buddhistische Bild nicht ganz verkehrt ist. 

III.2 Chartogne-Taillet Millésime 2008 

60PN 40CH, von ca. 30 Jahre alte Anlagen in der Lage Les Couarres

Merfy, mit 84% auf der échelle des crus unter jedem Radar, ist ein Ort, der das klassische System der Grands und Premiers Crus ad absurdum führt. Qualitativ ist der 2008er von Alexandre Chartogne locker im oberen Premier Cru Bereich einer, de lege ferenda, noch zu kreierenden Skala. Fetter als der Aubepinot, was auch die fortgeschrittenen Verkoster bei diesem flight in die Irre zu führen geeignet war. Bei genauen hinsehen konnte man aber beim Aubechampagner die typische Malzigkeit, Kräuterzucker und Grotrinde feststellen, wenngleich in ungewöhnlich nidriger Dosis, während der Jahrgang aus dem Norden frei davon war und sich damit zu erkennen gab.   

IV.1 Marie-Courtin Cuvée Concordance

Alte Pinot Noirs (gepflanzt 1968) aus Massenselktion, im alten Barrique mit weinbergseigenen Hefen vinifiziert, ohne Schwefelzugabe, ohne Dosage. Kompromissloses Zeug. Der schwefelfreie Champagner von Dominique Moreau hatte deshalb die knifflige Aufgabe, in einer kontrollierten Kollision mitzuwirken, einem Frontalaufprall von ganz kleinem und ganz großem Erzeuger. Die Concordance stürzte sich mit Vergnügen in die Auseinandersetzung und legte gewaltig vor. Am Gaumen krachte und splitterte es nur so vor brechendem Kirschbaumholz, schwarzer Johannisbeere, Amalfizitrone und Biscuit. So viel Chaos, so viel Aktion, so viel Kraft auf einmal in einem Glas – schwer, das zu toppen, das war allen am Tisch klar.  

IV.2 Dom Pérignon 2004

Ich kann nicht behaupten, dass der Dom Pérignon 2004, von dem ich sehr viel halte, den Champagner von Marie-Courtin getoppt hätte. Weder mühelos, noch unter Anstrengung. Es war vielmehr so, dass die beiden Champagner überhaupt keinen spürbaren Kontakt zueinander aufgebaut haben und das, obwohl sie unter viel Getöse hätten ineinanderknallen sollen. Der Dom ging der Concordance auch noch nicht einmal hochmütig aus dem Weg, sondern es war mehr wie eine Begegnung auf andrer, unkörperlicher Ebene. Der 2004er Dom bewegte sich nah am vollständig ausgefüllten Phasenraum, so viele Aromatrajektorien oszillierten darin kreuzungsfrei herum, während die Marie-Courtin sich mindestens ebenso dicht am Urknall positioniert hatte. Beide Champagner habe ich so noch nie nebeneinander probiert und war deshalb selbst a überraschtesten vom flight.  

V.1 Drappier Rosé

Vitalisierend, gut durchblutet und mit aller drappiertypischen Eleganz, der man die komplizierten Verstrebungen in ihrem Inneren nicht ansah, kam die Rosécuvée ins Glas und erlöste die Gaumen nach dem Tritonus des vorherigen flights, nicht ohne angeschweppeste Gesichter zu hinterlassen, die den herbfischen Quitten-, Chinin-, Sanddornton des Champagners nach dem ruhevollen Dom Pérignon erst wieder verkraften lernen mussten. 

V.2 Piper-Heidsieck Rosé Sauvage

Nach dem Saignéerosé kam ein anderer alter Bekannter an die Reihe, der wie Kirschmarmelade auf Pumpernickel schmeckte und damit zu verstehen gab, dass er die allererste Zeit nach der Freigabe schon hinter sich gelassen hat. Ein Jammer, fiel mir in dem Moment auf, dass da nicht vorab ein Degorgierdatum zur Handreichung dienlich war, denn dann häte ich wahrscheinlich zum eigenen größeren Vergnügen nicht einen so großen Kontrast zwischen den Rosés gewählt. Didaktisch mag das in dieser Form nämlich noch vertretbar gewesen sein, aber der Piper Rosé war einfach nicht in der klassischen jugendlichen Frischeform, in der ich ihn eigentlich präsentiert haben wollte. 

VI. Janisson-Baradon Cuvée George Baradon 2001

In umso besserer Form war dafür die alte Prestigecuvée von Janisson-Baradon, die ich bei meinem letzten Aufenthalt in Epernay dem großherzigen Cyril in Person abgeschwatzt und aus dem neuen Laden direkt im Herzen des Orts herausgetragen habe, kurz bevor eine kleine Schar Hamburger Champagnerfans im weißen Rolls-Royce vorfuhr und sich bei späteren Wiedersehen zwar als sehr umgänglich erwies, in mir aber Befürchtungen hochkeimen ließ, die gewünschten raren Flaschen möglicherweise nicht mehr zu bekommen, wenn ich nicht schnell genug handelte. Tat ich ja dann zum Glück und wurde belohnt. Die letzte Cuvée George Baradon 2001 habe ich vor längerer Zeit getrunken und da war sie gut, aber schien mir auf dem absteigenden Ast. Diese jetzt war in Hochform und für mich so richtig verständlich geworden, da ich ihre beiden Einzelkomponenten, den Chardonnay Muscaté Toulette und den Pinot Noir aus der Lage Tue Boeuf zwischenzeitlich einige Male nebeneinander hin- und her hatte probieren können. Das Amalgam aus diesen beiden, wobei man sich unter dem Toulettes das Quecksilber vorstellen muss, ist wie ein Kristallnugget, in dem die formschönen Einzelmerkmale von Chardonnay-Muscaté und Pinot Noir eingeschlossen sind. Urwüchsige Knorrigkeit und schwerelose Leichtigkeit, Holz, Frucht und Säure sind hier in einem Klumoen dicht gepackt.  

Born to get fizzy: Ambassadeurstreffen im Louis C. Jacob (**/17)

Vor einem halben Jahr war ich zuletzt im Louis C. Jacob, wo es unter der Wein-Leitung von Markus Berlinghof und seiner Generalin Dagmar Willich so recht champagnerfreudig zugeht. Selbst oder gerade der Koch, Thomas Martin, hat einen besonderen Bezug zum Champagner. Seine letzte Station vor dem Jacob war in der Traube von Dieter Kaufmann, der sich nach ca. 20 Jahren Ansage nun tatsächlich auf das Altenteil zurückgezogen hat. Vor etwa genau so langer Zeit war das mal die Adresse schlechthin für Champagner und Kulinarik zumindest in NRW, wenn nicht in Deutschland, mittlerweile haben mehr, aber immer noch nicht genug Restaurants und Sommeliers ihr Herz für den Champagner entdeckt.

So wie das Jacobs. Da steht der unaufgeregte Mannheimer Martin im Küchenkeller unter dem Restaurant und kultiviert eine klassische Küche mit frischen regionalen Akzenten. Seine Kreationen werden von den Kellnern per Rolltreppe nach oben gebracht, das mindert die Gefahr von Kollisionen auf der statischen Treppe und selbst obwohl Martin nicht zum Türmchenbauen auf dem Teller neigt, werden die Kreationen bis zur Lieferung am Gasttisch geschont. Soweit so gut.

Nachdem der Wettbewerb der Ambassadeurs du Champagne sich 2014 zum zehnten Male gejährt hat, war es an der Zeit für einen Aussetzer, für einen Rückblick und für eine Vorschau. Das deutsche Champagnerinformationsbüro hatte dafür an die Elbe geladen und weil ich in der Riege aller Champagnerbotschafter wahrscheinlich der einzige untalentierte Küchenwerker bin, einen Kochkurs unter der Leitung von Thomas Martin organisiert.  

Zur Erfrischung gab es vorweg Gurke aus den Marschlanden: Gurkencoulis, Gurkenblüte mit Minigurke, Mayonnaise, dazu Ruinart, eine Kombination die sich sehen und schmecken lassen kann, wobei Ruinart und Mayonnaise zusammen schon sehr eigen schmeckten. Dafür ist vor allem die Gurkenblüte von einer Delikatesse, die ich bei dem weiterhin in der Gourmetküche geschätzten grünen Gemüse zu oft vermisse. Mit Champagner wird das zarte Vergnügen dann richtig sexy.

Jacques Lassaigne Les Vignes de Montgueux Extra Brut begleitete sehr gekonnt eine unter meiner Mitwirkung entstandene Hummerbisque, zu der sich auch der Deutz Blanc de Blancs Brut 2007 gut schlug. Besser schien mir der Deutz aber zur warmen Eismeerforelle mit Gemüsevinaigrette geeignet. Denn Lassaigne wog den aromaschweren Hummer und die gut gelungenen Röstaromen der Karkassen auf, während der viel höher dosierte Deutz sich vor allem auf dem Vinaigretteterrain mit der Forelle messen konnte, bzw. musste und reüssierte.

Danach gab es Henriots Brut Millésime 2005, einen Champagner, den man viel zu selten sieht – obwohl er, wie die Jahrgangschampagner von Häusern wie Henriot, Piper-Heidsieck, Taittinger und Alfred Gratien, ganz fabelhafte Möglichkeiten in der Kombination mit Speisen offeriert. Zum Glattbutt mit Bearnaise Aromen waren ihm beide Anspielstationen gleichermaßen gut geläufig wie einem Fussballer, der mit recht und links Tore schießen kann. Vielleicht liegt das Geheimnis in dem lechten Räucherton und dem zarten, haustypischen Toast.

Die auch mir nur schwach bekannte Amazone de Palmer von der für ihre alten Jahrgänge bekannten Genossenschaft sieht man in Deutschland eigentlich nur beim Selbstabfüllfranchise "Vom Fass", in Frankreich dagegen vielfach in gut sortierten Boutiquen, wo sie zu erträglichen Preisen zu bekommen ist. Der hälftige Mix aus Pinot und Chardonnay gefällt nicht jedermann, dafür mischen sich wahrscheinlich zu viele Reifetöne, Trockenfrüchte und klebriger Honig rein. Zum Essen kann man den Champagner freilich wärmstens empfehlen, der Seeteufel auf Cocobohnen vertrug sich jedenfalls vorbildlich damit. Das mag an den pikanten Bohnen gelegen haben, die den Champagner herausforderten, denn einen agilen, zugespitzten Gegenpart auf dem Teller muss die Amazone schon haben, damit ihr Jagdtrieb erwacht.

Den anschließenden Rehrücken mit Mairübchen und Pfifferlingen begleitete Gosset Grand Rosé mit großer, einladender Geste, ganz weltmännisch, gekonnt und glatt, professioneller als die besten Escortladies. Gosset Rosé und Wild kann ein untalentierter Koch nicht kaputtmachen und in der Zweisterneküche wird, unter Zuhilfenahme speziell der köstlichen Mairübchen, ein Gaumenkitzel daraus, der noch nach dem elften Gang beeindrucken würde.

So lange tafelten wir aber nicht, sondern schlossen mit Beaufort und Mimolette, die sich beide mit den letzten drei Champagnern zu einem Aromenringelreihen vereinten, der schlussendlich von Drappiers Cuvée Quattuor, Beeren und Kräutern fürstlich beendet wurde.

Nach dem hochoffiziellen Arbeitsessen ließ mich die wohlsortierte Champagnerbar des Hauses nicht in Ruhe und umgekehrt konnte ich den dotigen Glashumidor mit seinem provokanten Inhalt nicht einfach ungeschoren davonkommen lassen. Deshalb musste unbedingt noch eine Flasche Charles Dufour Oeuil de Perdrix Tirage Limité (311 Bouteilles), dég. 25. Juli 2011, meinen Bauchinhalt veredeln. Mit entschiedenem Behagen ließ sich dieser anfang sperrige Rosé erst nach viel Frischluftzufuhr genießen, doch wenn es erstmal soweit ist, gehört er zu den bereicherndsten Champagnern, die man trinken kann. Knarzig, aber nicht unbeholfen, beerenaromatisch, aber auf ungewohnte Weise, frisch, mit Eukalyptus, Minze, ätherischem Öl und weißem Pfeffer, mit Wacholderbeere, abgrenzenden, herben Aromen und ungewöhnlicher Entwicklungsfreude.