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Tag Archives: biodynamie

Renaissance des Appellations und Haut les Vins Biowein Tastival II/II: Champagnes Fleury, Bedel und Laherte

Weiter geht's mit Champagner:

II. Champagner

1. Champagne Fleury

a) Brut Nature Fleur d‘Europe

85PN 15CH, 2005er Basis mit 2004.

So schmecken die klassischen Aubechampagner, kräftiger Körper und eine Spur Leichtigkeit, die den massigen, arbeitsamen Körper wie ein flottes Textil helfend zu bedecken versucht.

b) Brut Tradition Blanc de Noirs

2010er Basis mit 2009, 2008, 2007, mit 7 g/l dosiert.

Gut, glatt, von sanftem Gemüt und etwas länger als der mit einer Spur Dosagezucker vielleicht überlegene Fleur d’Europe. Trinkt sich gut weg, hinterlässt aber kaum bleibenden Eindruck

c) Notes Blanches

100PB

Seit 2009 hat der Weißburgunder ein eigenes Forum im Fleury-Portfolio, wo er vorher als Verschnittpartner diente. Leider korkte die Flasche, so dass ich nicht mehr berichten kann.

d) Bolero No. 4 Extra Brut

100PN, 2004er Basis, zu einem Drittel im Holz vinifiziert, zweite Gärung unter Naturkorken, mit 4 g/l dosiert.

Ein ganz anderes Kaliber kommt nun mit dem Bolero auf den Markt. Munter, mit schalkhaft blitzenden Augen und einer für die Rebsorte ungestümen bis hyperaktiven Art, vom Holz eher noch aufgepeitscht als gebändigt, außerdem fast schon obszön triefend saftig und mundgängig.

e) Robert Fleury

Je ein Drittel PB, PN, CH, 2004er Basis, großteils Fassgärung, Flaschengärung unter Agraffe.

So etwas wie der Spitzenchampagner des Hauses, mit einem bemerkenswert hohen Weißburgunderanteil, der beim Vorgänger (2002) sogar noch deutlich höher ausfiel. Einzuordnen ist er bei den typischen, klassischen Champagnern traditioneller Machart, was meist auf Kosten der Finesse geht und den Champagner berechenbar macht. Ganz im Gegensatz zum hauseigenen Herausforderer Bolero oder zur neuen Sonate läuft hier alles seinen reifen, runden, geregelten Gang, wie der Einkauf beim Bäcker oder Metzger. Röstaroma finden Sie hier, Blüten, Honig und Hefe da, etwas Orangenschale vielleicht noch? Ja, bitte. Dürfen es auch Äpfel und Nüsse sein? Gerne doch. Und ein rundgedrechseltes, poliertes finish? Ich bitte darum. Alles in allem ein sehr guter Champagner, dem gegenüber den jüngeren Cuvées nur das – gar nicht immer und von jedem geforderte – Überraschungsmoment fehlt.

f) Rosé de Saignée

Bei Fleury wird der Rosé demnächst auf einer 2010 begonnenen réserve perpetuelle des Blanc de Noirs basieren. Dieser hier gehört noch nicht dazu.

Erst mineralisch, dann fruchtig, aber leider mit alkoholischer Note, die in eine Kirschpaprikanote übergeht und eine für mich schwer definierbare, vielleicht vom Alkohol vielleicht von stehengebliebener Äpfelsäure herrührende Schärfe transportiert. Dürfte am besten zum Essen passen, wobei ich nicht weiß, ob er das Gewicht hat, um Andouillettes zu begleiten.

g) Sonate 09 Zéro Dosage, ungeschwefelt

100PN aus der ersten (1989) biodynamisch bewirtschafteten Parzelle des Hauses „Val Prune“

Estragon- und Dillnoten werden bei diesem insgesamt erstaunlich fruchtigen und trotz vollen BSAs ziemlich frisch wirkenden Champagner von Apfel- und vor allem Wassermelonenschale eingerahmt. Das klingt nach viel grün, ist aber im Ergebnis gut trinkbar und lässt sich von diesem Startpunkt aus gut verfolgen.

 

2. Champagne Bedel

In zwei bis drei Jahren soll, so erzählte mir Vincent Bedel, die 1997er Cuvée Robert Winer endlich rauskommen. Ich verspreche mir davon sehr viel, wenngleich ich nicht glaube, dass es große Ähnlichkeit zum beeindruckenden 1996er RW geben wird.

a) Dis, Vin Secret Brut

80PM 15CH 5PN, 2005er Basis

Spielt mit Minze, Toffee und Crema Catalana; wirkt dabei nicht so mastig, wie es sich anhört, kühlt den Mund unabhängig von der Trinktemperatur sogar ganz leicht und geht weich ab, ohne seine stattlich wirkende Dosage verhehlen zu wollen, ähnlich einer prachthintrigen Konkubine, die soeben den Saal verlässt.

b) Entre Ciel et Terre Brut

80PM 20PN, 2004er Basis

Sehr gut hält sich dieser Wein, dessen besondere Stärke in der vielgepriesenen Balance und Ausgewogenheit zwischen den aromatischen und sonstigen organoleptischen Polen liegt. Dieses Mal wirkte er besonders erfrischend und klar auf mich, plätscherte nur gegen Ende mit einer entfernt scotchigen Note in den Hals und wird sich mit der Entwicklung nobler Reifetöne sicher noch etwas Zeit lassen, selbst wenn sie sich jetzt ankündigen.

c) L’Âme de la Terre Extra Brut

67PM 17PN 16CH, 2003er Basis. Einen immer volleren Körper legt sich der Champagner zu, die ohnehin geringe Säure tritt neben den schokoladiger werdenden Aromen und den schweren Blütenessenzdüften in den Hintergrund, bzw. bald ganz von der Bühne ab. Trotzdem ist der Champagner in der Extra Brut Version – noch – nicht schwerfällig. Gleichwohl ists langsam Zeit für einen Nachfolger.   

 

3. Laherte Frères

a) Blanc de Blancs Ultradition

Seit ich die Champagner von Laherte kenne, ist der Blanc de Blancs Brut Nature ein recht gleichbleibender, meist gleichgewichtiger Mix aus Basisjahr und Vorgängerjahr. Daran hat sich bei der 2010er/2009er Version nichts geändert. Nur der Name hat sich geändert. Nur der Name? Nein. Früher erschienen mir diese Champagner härter, bissiger und eckiger, aber auch ungelenker, noch nicht ganz versiert. Mittlerweile hat Aurelien offenbar einen Pfad gefunden, den er mit seinen Champagnern beschreiten will und der ist bei den Chardonnays von unaufdringlichem, aber merkbarem Holzeinsatz und einer daraus resultierenden sehr typischen Winzernote geprägt. Die Champagner sind griffig, saftig und reif, wo sie vorher ungeschliffen und hart, aber nicht uncharmant waren. Mit dem Ultradition macht der Chardonnay von Laherte einen weiteren Schritt raus aus der Experimentier- und Kinderstube.   

b) Grand Brut Ultradition

60PM 30CH 10PN, 2010er Basis mit 2009er Reserve.

Der hier zum Einsatz gelangte hohe Barriqueanteil half erfreulicherweise, die zwar nicht verstockten, aber vielleicht eigenwilligen Meuniers zu öffnen, wobei leider die Säure ins Hintertreffen gelangt ist. Da half der Verzicht auf Dosagezucker nicht weiter, der Champagner muss sich nun, nackig wie er ist, die nächsten Jahre auf sich allein gestellt entwickeln, bevor man wieder Stellung zu ihm beziehen kann.

c) Les Empreintes

50PN 50CH, davon 30% Chardonnay Muscaté; 2008er Basis.

Einer der ungewöhnlichen Champagner nicht nur von Aurelien Laherte, sondern innerhalb des gesamten Gebiets, der mir schon immer besonders gut gefiel. Nach dem Auslaufen des Empreintes auf 2007er Basis habe ich letztes  Jahr erstmals den Empreintes auf 2008er Basis probiert und fand ihn exquisit. So auch jetzt. Die Fruchtexotik hat sich verschärft, der Champagner ist gleichzeitig noch etwas frecher geworden, trinkt sich aber weiterhin so bequem wie kalte Limonade aus dem Jumbobecher, wenn man zu viele Nachos mit zu vielen Jalapenos und Käsesauce vertilgt hat. Selbst davon würde sich dieser trotz aller Flippigkeit ausnehmend stabile Champagner nicht aus seiner in sich verzahnten und verschränkten Ausgewogenheit bringen lassen.

d) Les Vignes d’Autrefois 2008

100PM.

Auch den 2008er Vignes d’Autrefois kenne ich schon seit seinen ersten Gehversuchen. Auffallend war immer die hervorgehobene, sehr animierende Säure, die dem versöhnlichen, manchmal einfältigen, überwiegend exotisch-fruchtigen Naturell der Rebsorte eine erstklassige Umgebung bot, um sich optimal zu präsentieren. Herausgekommen ist keine vollgeholzte Wuchtbrumme oder ein vor lauter Raffinesse blutleeres und angekränkeltes Filigranstweinchen, sondern ein druckvoll agierender Wein mit Selbstbewusstsein und Ausdruck, leicht getrübt nur von einer anisig-fencheligen Note, die ich nicht unbedingt hätte haben müssen.  

e) Les 7 (früher: Les Clos)

Spätes, d.h. erst kürzlich, genauer: im Januar 2013 vorgenommenes Dégorgement dieses aus allen sieben mehr oder weniger klassischen Rebsorten der Champagne bestehenden Weins, der wiederum auf einer 2005 angelegten Solera beruht (im Startjahr 10% Fromenteau = Pinot Gris, 18% PM, 18% CH, 15% Petit Meslier, 8% Arbane, 15% Pionot-Noir, 17% Blanc Fumé = Pinot Blanc). Batonnage; kein BSA, mit 4 g/l dosiert.

Wirkt dem Dégorgierdatum entsprechend sehr jung und noch reichlich hölzern. Zeigt enormen Vorwärtsdrang und gehörige Muskeln, nicht jedoch die sonst soleratypischen Abrundungserscheinungen. Gefiel mir sehr gut.  

f) Millésime 2005

85CH 15PM, Ende 2011 dégorgiert.

Schon sehr rund, in Sachen Sprudel, Druck und Säure kein Vergleich zu den vorherigen Champagnern, wirkte auf mich gesetzt und müde.

g) Rosé Ultradition

PM in Rotweinfässern weiß vinifiziert, 2010er. Assemblage mit 15% PM Rotwein. Ganz schön festfleischig und völlig unverspielt, ohne jeden unnützen Schlenker, Schnörkel oder puderzuckrige Verzierung und gerade deshalb ein ungebremster, lebhafter, freudespendender Wein.

h) Rosé 2008

PM Mazerationsrosé ohne BSA und weniger als 3 g/l Dosage.

Ernster, ruhiger, langsamer Wein, programmatisch ganz anders ausgerichtet, als der Rosé Ultradition und für einen Meunier fast schon gravitätisch, aber noch unter der Würde, Eleganz und Gediegenheit eines Spätburgunders angesiedelt. 

Bulles Bio – Teil III: Grand Cru und Premier Cru

C. Grand Cru und Premier Cru

Avantgarde findet nicht nur in den Schmuddelecken der Champagne statt, sondern auch in den teuren Crus. Die Entwicklung dort ist stiller oder wirkt wenigstens so. Ein paar Vorreiter klopfe ich immer wieder mal darauf ab, ob sie ihrer Vorreiterrolle noch gerecht werden, bzw. ob mir deren manchmal nur schwer zu erlangenden Erzeugnisse schon, noch oder wieder schmecken und Freude bereiten.

I. Larmandier-Bernier

Pierre Larmandier stellte seine Champagner sitzend vor, da er augenscheinlich gerade Nasenbluten bekommen hatte. Da half auch alle seit 1999 betriebene Biodynamie nichts.

1. Blanc de Blancs Premier Cru Extra Brut, 2008er und 2007er, dég. Feb. 2011

Neben den Grand Crus Cramant, Avize und Oger ist nur noch Vertus als Premier Cru enthalten.

In der Nase Maistortilla, Apfel, Butter, Blüten. Im Mund vorwiegend ruhige Säure und eine milde Süße.

2. Terre de Vertus Premier Cru Brut Nature 2007, dég. Mai 2011

Blanc de Blancs auf 2006er Basis aus den Einzellagen Les Barillers und Les Faucherets in Vertus.

Im Gegensatz zum normalen BdB PC durch seine ausgeprägtere Mineralität enger, straffer, disziplinierter, beißt aber nicht. Weniger gelbe und rote Fruchtnoten, dafür mehr Steinobst und grüne Früchte. Lang.

3. Vieilles Vignes de Cramant Mill. 2005, dég. März 2011

Klar, das Flaggschiff: tief, langsam, würdevoll, für einen Grand Cru Champagner der Côte des Blancs vergleichsweise säurearm, was zwei Gründe hat: Cramant und alte Reben; bleibend. Sowas gefällt auch Fans der Großen Gewächse des VDP.

4. Rosé de Saignée Premier Cru Extra Brut, reiner 2008er, dég. Feb. 2011

Pinot aus Vertus (hier hat u.a. auch Veuve Fourny die Pinots für den dort ebenfalls gut beherrschten Rosé her) Schweinefleisch mit Wacholder und rosa Beeren, sicher einem leichten Schwefelböckser geschuldet. Wacholdereindruck und rosa Beeren bleiben, hinzu kommen Kirsche, Mandel, ein etwas seifiges, zum Schluss leicht trocknendes, auch salziges Mundgefühl so ähnlich wie von Ziegenfrischkäse mit Cranberries, außerdem eine niedliche, etwas verdruckste Säure. Der Champagner wirkt im Kontrast zu seiner tiefen Farbe leicht.

II. Benoit Lahaye

Seit 2003 Biowinzer auf 4,5 ha überwiegend in Bouzy und Tauxières. War in Topform.

1. Brut Nature 2008

85PN 15CH.

Der Vorgänger iritierte noch mit einer phenolischen Nase und schien aromatisch nicht ganz gebändigt. Das ist beim schon sehr reichhaltigen 2008er Brut Nature nicht mehr so. Alles ist am Platz und sitzt sittsam, der Champagner ist wohlgefasst wie ein Valentinsschmuckstück, eine pektinige Note verabschiedet den hauptsächlich an Rote Grütze erinnernden Mittelteil vom Gaumen Richtung Pharynx.

2. Blanc de Noirs Nature, 2008 und 2007

Die Trauben stammen aus Bouzy und Tauxières.

Der Wechsel vom Extra Brut zum Brut Nature erweist sich erneut als kluger Zug. Dunkel, waldig, mit Baumrinde, rottem Laub und Flechten, dabei viel weniger oder besser: weniger vordergründiger Säure, als vermutet. Der Körper mag nicht jeden reizen, der Waldelfencharme ist schon etwas eigen, für Bouzy sogar ganz untypisch, doch nicht abstoßend oder verstörend.

3. Rosé de Maceration Extra Brut 2008

Mit 3 g/l dosiert.

Tiefe Pinotfrucht, ein wahrhaft brugundischer Charakter, so konsequent waldig wie seine beiden Vorgänger es im Vergleich nur andeutungsweise und weder mit derselben Vollendung noch Substanz waren. Beerig, vollreif, lang, groß. Ohne jeden qualitativen Abstrich schon jetzt viel zugänglicher als der Vorgängerrosé von Lahaye.

III. Vincent Laval, Champagne Georges Laval

So gut gelaunt, wie eh und je stellt Bio-Urgestein Vincent Laval (arbeitet auf seinen 2,5 ha seit 1971 en bio) die gesuchten Laval-Champagner vor. Im Gegensatz zu Pierre Larmandier, der für seine mehr als 16 ha ein Flugzeug mieten kann, um biodynamischen Tee zu versprühen, bearbeitet Vincent Laval seine viel kleinere Fläche mit Pferdchen und kleinem Trecker. Als einziges Additiv kommt Schwefeldioxid an den Wein, überschaubare 30 mg/l.

1. Cumières Premier Cru Brut, 95% aus 2008, 5% aus 2006

50CH 30PN 20PM, mit ca. 6 g/l dosiert.

Mit diesem und mit Vilmarts Champagner kann man selbst Holzhassern den sinnvollen Gebrauch von Holz nahebringen. Der Chardonnay platzt fast vor Kraft, die beiden Pinotrebsorten schaffen es aber, ihn rechts und links zu bändigen, dabei lösen sich Kirsche, Pflaume, Veilchen, Orange und Limette funkensprühend heraus. Schön.

2. Cumières Premier Cru Brut Nature, 2/3 aus 2007, 1/3 aus 2006 – Obacht: dier aktuellen Magnums sind reine 2004er

50CH 25 Pn 25 PM.

Harscher und puristischer als der normale Brut. Für einen Brut Nature schon recht schmeichelhafte, beinahe handzahme Aromatik, ganz ohne Kaktusgefühl am Gaumen. Gleichzeitig herb, mit Verbene und Zitronenmelisse unterlegt, wie sich vor allem mit mehr Luft zeigt.

3. Les Chênes Cumières Premier Cru Brut Nature 2006

100CH. Ähnlich wie beim 2002er gab es vom aktuellen 2006er Les Chênes nur 850 Flaschen – vom 2004er gab es die ca. doppelte Menge, was eine der vielen Segnungen des an schönen Champagnern nicht armen Jahrgangs ist.

Jedes Mal aufs Neue schwärme ich von diesen Champagner, denn jede Flasche davon ist zu jeder Zeit ein Erlebnis. Diese erinnerte sehr eindringlich an Lamorresi-Haselnusstrüffel mit Grappa di Moscato und selbstgemachtes Apfelmus von hängengebliebenen Herbstäpfeln des nahegelegenen Mutterhauses der Dominikanerinnen, wegen der ungekünstelten, grob geraspelten Zitronenschale, dezent würzigen Zimtnote und seiner minimal oxidativen Art. Unter den vielen vor allem von gutmeinenden Weinhändlern und mehr Wein- als Champagnerkritikern als Dom-Périgon-Killern und Selosse-Wiedergängern verkauften, bzw. gepriesenen Winzerchampagnern ist dieser einer der ganz wenigen, die den Lorbeer wirklich verdienen. Kostet hier eben so wie in Frankreich seine hundert Flocken und mehr; die zugeteilten Mengen sind winzig. Dringende Kaufempfehlung.

4. Les Hautes Chêvres Premier Cru Brut Nature 2006

100PN.

Pinotreben aus den 1930er Jahren mit – für die Champagne winzigen – gerade mal 5000 kg Ertrag pro Hektar.

630 Flaschen gab es hiervon. Das macht ihn noch seltener als den schon raren Chênes-Champagner von Laval. Hinzu kommt, dass die Jahrgänge noch restriktiver deklariert werden. Das lohnt sich. Für Vincent Laval, weil der Champagner entsprechend bepreist ist, ohne nach meiner Einschätzung überteuert zu sein, für den Champagnero, weil er etwas bekommt, wofür man sich schonmal ein Bein ausreißen darf. Mit den Attributen feinster, reifer, alter Burgunder ausgestattet, bei denen die Größe durch einen Schluck Rhônewein noch unterstützt wird. Schwarzer Pfeffer, leuchtend rote Beeren. Amaretti morbidi und Eau de vie de Kirsch. Noblesse, Kraft und Konzentration und letztlich das, was sparkling Shiraz gern wäre, was Crémant de Bourgogne definitiv nicht ist, eben das was nur ein richtig großer Blanc de Noirs aus der Champagne sein kann.

IV. David Léclapart, Champagne David Léclapart

David Leclapart ist in Deutschland immer noch ein unbekannter kleiner Champagnerwinzer, für die meisten so austauschbar wie das wöchentliche Champagner-Sonderangebot im Leclerc. Ich zähle mich nicht zu seinen Verehrern oder Bewunderern, dafür sind mir alle Champagner die ich von ihm getrunken habe einfach noch zu jung gewesen. Bei praktisch jeder Verkostung ist das jeweilige Potential der Leclapart-Champagner förmlich greifbar; doch ich bin immer noch in einer Phase des Herantrinkens und des Umrundens. Ich halte das sowieso für angemessener, als blinde Lobhudelei.

1. Amateur 2008

100CH von sechs Parzellen. Stahltankausbau.

Mein bisher bester Amateur. Mit typischer Kraft und Länge, jetzt von Beginn an mit wildfrischem Zitrusduft, unbeschwertem Charakter und einer gewissen Zuckerwattigkeit, die man nicht als Schwäche missverstehen darf.

2. Artiste 2006

100CH von zwei Parzellen. Halb Stahl, halb Barrique.

Mehr Butter, mehr Haselnuss, mehr Nougat, als der Amateur. Weichheit und Rondeur gehören hier zum Konzept. Wenn der Amateur als deutscher Internatsschüler und Louisenlunder beispielsweise gelten kann, dann hat der Artiste seine Schulzeit in Harrow verbracht.

3. Apôtre 2005

Aus der Lage Pierre St. Martin stammt Leclaparts Champagnerfanal, der Apôtre. Die Reben sind gut siebzig Jahre alt und werden seit fünfzehn Jahren biodynamisch bearbeitet. Gute achtzig Euro kostet der Spass. Ob der Nachfolger des schon jetzt legendären 2004er Apôtre auch so ein Kritikerliebling ist? Na jedenfalls sagt er mir von Beginn an mehr, als der berühmte Vorgänger. Ich gehöre nämlich nicht zu denen, die den 2004er Apôtre so überwältigend gut finden, dass man dafür schon jetzt in die Knie zu gehen hätte, wenn der Name nur geraunt wird. Dafür habe ich schon zu viele andere Champagner vor ihrem vermuteten Höhepunkt selbst in die Knie gehen sehen. Sicher hat der 2004er alles, was man braucht, um so wie der 1996er Selosse Blanc de Blancs Extra Brut einen Pflock in der Champagnerwelt einzuschlagen. Nur ist er eben noch nicht dort angekommen. Der 2005er ist da schon eine ganze Ecke weiter. Griffig und fordernd einerseits, rund, mit viel weichem Kalk und Obstsalat andererseits. Puristisch wie skandinavisches Edelstahldesign, schmiegsam wie ein Kaschmirpulli.

V. Bruno Michel

Bruno ist der Sohn des Meuniermagiers José Michel, dessen hundertprozentiger Meunierchampagner und dessen alte Jahrgänge zu den besten Beispielen für das Potential der Traube sind. Mit seiner Extra Brut dosierten Rebellencuvée wäre Bruno Michel eigentlich auch was für die Rutz-Rebellen, fällt mir an dieser Stelle noch ein. Dabei wirkt er selbst gar nicht rebellisch, sondern strahlt Zufriedenheit und Freude aus, wenn er zu seinen aktuellen Champagnern befragt wird. Dazu hat er guten Grund, seine Kollektion gefällt.

1. Cuvée Carte Blanche Brut

50PN 50CH. Auf 2008er Basis mit Reserve aus 2007. Mit 8 g/l dosiert.

Champagner, den man so trinken kann, wie man eine Hand voller reifer Beeren zerquetscht und sich den Saft in den Mund fließen lässt. Die immer schon merkliche Säure von früher ist so sauber, selbstbewusst und kooperativ wie nie zuvor. So kommen auch die anderen, floralen und vegetabilen Aromen besser zum Zug. Man meint, den schalkhaften Kommunalpolitiker Bruno Michel zu erkennen. Macht Freude.

2. Cuvée Carte Blanche Extra Brut

Gleiche Zusammenstellung wie die normale Carte Blanche, allerdings von anderen Parzellen. Ernster und härter, im Geschmack nicht so facettenreich und limonadiger.

3. Cuvée Blanc de Blancs Pierry Premier Cru

Alte, 1964 gepflanzte Chardonnay-Einzellage "Les Brousses" auf 2008er Basis mit Reserve aus 2007. Mit 8 g/l dosiert.

Gegenüber der Carte Blanche fast auftrumpfend frech, mit Apfel, Zitrus, vor allem auch gelbem Obst, dabei mit seiner feinen Buttrigkeit und dem feinen Nusston länger und tiefer. Hat Bürgermeisterqualität. Macht daher noch mehr Freude.

4. Cuvée Rosé

80PM als Saignée und 20CH als Assemblage dazu. Auf 2008er Basis mit Reserve aus 2007. Mit 8 g/l dosiert.

Es bleibt dabei, dieser Champagner ist perfekt für Andouillettes gemacht, sein rotfruchtiger Fleischstinkerduft bekräftigt das immer wieder aufs Neue. Wildschwein aus den Ardennen lasse ich hierzu auch noch durchgehen, denn die mit Luft sich zeigende Cranberrypaste offenbart auch dieses Mal wieder Einsatzmöglichkeiten, die über das reine runterspülen von Regionalspezialitäten hinausreichen.

Bulles Bio – Teil I: Aube

A. Aube

Lange dachte ich, an der Aube würde sich ein Großteil der Menschen mit abgemagerten dreibeinigen Hunden um Essensreste streiten, Väter würden dort den ganzen Tag lang Abbeizmittel trinken und versuchen, die wenigen schrecklosen Nutten in der Region auf den Mund zu küssen, während die verwahrlosten und oftmals grotesk entstellten Kinder dort entweder frühreif oder früh gewalttätig seien. Zum Glück stimmt das alles nicht. Oder zumindest nur in den ganz entlegenen Gebieten der Côte des Bar. Immerhin: Hier hat Renoir eines seiner Lieblingsmodelle gefunden, hier hat sich Voltaire zurückgezogen und hier wurde er begraben, ja im Mittelalter ging von hier die Reformation der Benediktiner unter Bernard von Clairvaux aus. Kein Wunder also, dass hier ebenso bedeutsame Champagner entstehen können.


I. Thierry et Valerie de Marne, Champagne DeMarne-Frison

Zur Zeit werden 3,5 ha biobewirtschaftet, was ca. 4000 Flaschen im Jahr bringt. Der Plan ist es, bis 2014 auf 20000 Flaschen zu kommen. Bei den beiden Aubelieblingen gab es Lalore und Goustan aus dem Jungfernjahrgang 2007 und außerdem die blutjunge neue Lalore 2009. Meine Allokationsbenachrichtigung hatte ich passenderweise kurz zuvor erhalten, ganze sechs Flaschen darf ich haben. Dafür habe ich Thierry und Valerie dann so viel wie möglich schon jetzt weggetrunken. Wenn die weiterhin alles mit derselben traumwandlerischen Sicherheit richtig machen, wird es nämlich über 2014 hinaus schwierigst bleiben, an vernünftige Mengen zu kommen.

1. Blanc de Blancs "Lalore" Brut Nature, 2007er Ernte, dég. Okt. 2010

Merklich in der Übergangsphase. Die Primäraromen verschwinden langsam, Butter, Banane und Kirsche tauchen ab, die ungewisse Zeit des Fortentwickelns nimmt der Chardonnay ungeduldig hin, kratzbürstig oder pubertär wirkt er dabei nicht.

2. "Goustan" Brut Nature, 2007er Ernte, dég. Okt. 2010

Ein wohlentwickelter Ephebe, crèmig, fruchtig, jugendlich, frisch, schlank. Außerdem gelassener, cooler, lässiger als die Chardonnayschwester und damit leicht im Vorteil.

3. "Lalore" Brut Nature, 2009er Ernte, dég. Oktober 2011

Kräuterhex, mit Waldmeister, Campher, Hibiskus. Kneifende Säure in der Backe. Kleines Biest. Dieser Champagner wird nicht nur freches Gör sein, sondern frühreifer Vamp.


II. Bertrand Gautherot, Champagne Vouette & Sorbée

Bertrand Gautherot, angetan im buntesten Freizeithemd, das ich je gesehen habe, schenkte Champagner ein, der für den Augenschmerz entschädigte.

1.

Blanc d'Argile

100CH. 2008er. Dégorgiert Nov. 2010. Gegenüber dem letzten Boxenstop hat sich nicht viel verändert. Bananenschale, die dem vorhandenen Tannin viel grip verleiht, immerhin ist aber das primäre Himbeer-Erdbeer-Kirschgemisch nicht mehr so beherrschend, dafür gesellen sich freche Orangen- und Nektarinenaromen dazu. Die röhrende Säure wirkt dadurch weniger bissig. Gute Aussichten für später, der Champagner ist ein Gewinnertyp. Aufregend wäre der im Gespann mit Boxenluder Lalore.

2. Fidèle

100PN. 2008er. Dégorgiert Okt. 2010.

Mehr der Typ Waldläufer und geheimnisvoller Einzelgänger ist trotz seiner Jugend der in sich ruhende Fidèle. Dunkel, moosig, mit Thymian und Rosmarin, würzig, lendenstark und fruchtbar.

3. Saignée de Sorbée

2008er. Dégorgiert Jan. 2011.

Ein Traum von Pomelo, Pink Grapefruit, Aperol, Nektarine und Yuzu. Lang, rein, fein. Wenn der sich auf diesem Niveau hält, kann er zu den größten Champagnern seiner Art aufschließen.


III. Jean-Pierre Fleury, Champagne Fleury

Das Schwergewicht unter den Biodynamikern und in Deutschland sicher einer der am weitesten verbreiteten Biochampagner, wenngleich man hier aus seinem Programm meist nur den Standardbrut kennt, ist Fleury, ebenfalls an der Aube zu Hause. Von seinen 15 ha und Zukäufen von weiteren 8 biodynamisch bewirtschafteten Hektar erzeugt Jean-Pierre Fleury jährlich 200000 Flaschen Champagner.

1. Fleur de l'Europe Brut Nature, 2005er Basis mit Reserve aus 2004

90PN 10CH.

Stahlig, kratzig, mittleres Gewicht, wobei doch eher hager und ich würde ihn zu den flacherbrüstigen Champagnern zählen. Kein must have.

2. Blanc de Noirs, 2007er Basis mit 2006

mit 8 g/l dosiert.

Brotig, apfelig, ein Champagner, der in Richtung eines Lufttons geht, wie er von klassischen Sektliebhabern klar abgelehnt wird. Dabei ist der Champagner recht massig, nicht klobig, nur vielleicht etwas hohltönend.

3. Millésime 2000 Extra Brut

70PN 30CH, mit 4 g/l dosiert

Eine dieser pinotdominierten Cuvées, die man blind aufgrund ihres Apfelkuchen-, Zimt- und Zitrusdufts für Chardonnay halten kann. Für das nicht besonders großartige Jahr ein guter Champagner, der sauber, jugendlich und mit Spannkraft auftritt.

4. Rosé de Saignée Brut (2007)

80PN 20CH, mit 6 g/l dosiert.

Am besten gefiel mir von Fleury der feinpricklige Rosé, dessen gesunde und selbstbewusste Herbe kraftvoll wirkte, wie es beim Rosé von Fleury ja eigentlich immer der Fall ist. Geschmackvoll sind die Beern drapiert, Unterholz und männliche Poinotattribute kommen nicht zu kurz, wirken andererseits völlig unaufgesetzt. Sympathischer, seriöser Rosé. 

Champagne: Farmer’s Fizz

 

Winzerchampagner ist ein ganz besondres Elixier. Glanz und Elend liegen hier besonders dicht beieinander. Die erfolgreichsten Winzer eint, dass bei ihnen meisterlicher Umgang mit den natürlichen Vorgaben, Avantgarde und Experimentiersinn eine günstige Liaison eingehen und Champagnerfreunde in ihren Bann ziehen. Daraus entwickeln sich verkürzt gesprochen manchmal Trends, die bei einigen der großen Erzeugern mit Freude aufgenommen werden. Die stellen natürlich nur allgemach ihre Portfolios um, denn in der Champagne entscheidet man nicht von Jahrgang zu Jahrgang, sondern muss immer ein diachrones Moment berücksichtigen: die Hefeverweildauer der Champagner von zum Teil mehreren Jahren. Tuchfühlung bei den richtigen Winzern bedeutet deshalb fast so etwas wie einen Blick in die Zukunft zu werfen, was dem intensiven Verkosten einen zusätzlichen Mehrwert verleiht. 

1.Pehu-Simonet

Der Winzer aus Verzenay hat seine Ausbildung wie zahlreiche Champagnerwinzer-Kollegen seiner Generation und eben wie der unvermeidliche Anselme Selosse in Beaune abgeschlossen und orientiert sich bei der Weinbereitung an den Vorgaben aus Burgund. Der Weinberg (8ha) und speziell der Boden wird schonend,bzw. 'nachhaltig' bewirtschaftet. Auf BSA wird weitestgehend verzichtet. Zur Verfügung stehen Stahltanks, 30 Burgunderfässer und 10 klassische Champagnerfässer mit einem Format von 205l. Flaschenvergoren wird kühl bei ca. 10°C.

1.1 Sélection Grand Cru

70PN 30CH, kein BSA, 30% Reservewein aus den beiden Vorgängerjahren, 15% werden fassvergoren. Mit 8 g/l dosiert.

Sauberer Champagner-Winzerschoppen, bei dem man von der Säure zwar nicht überfahren, aber doch bleibend beeindruckt wird.

1.2 Transparence Grand Cru Extra Brut 2006

Hat im Frühjahr einen BSA durchlaufen, ist dafür nur mit 3 g/l dosiert.

Vom Konzept her ein Sélection Grand Cru mit verlängertem Hefelager. Es gibt nur 3000 Flaschen davon, verkauft werden die exklusiv auf der Domaine. Man merkt einen holzigen Einschlag, eine angenehm hefige Note und ein Quentchen mehr Reife, als beim Sélection Grand Cru.

1.3 Blanc de Blancs

2008er Trauben aus einem jungen Weinberg in Le Mesnil, im Stahltank ausgebaut und mit 9 g/l dosiert.

Gefiel mir gut. Rauh, schlank, dabei leicht amylisch, mit den angenehmen Bonbonnoten kühl vergorener Champagner. Dabei bleibt er zum Glück nicht, eine grantelige mineralische und sehr mesnilige Note setzt sich recht schnell durch.

1.4 Rosé

80PN 20CH, 2007er Basis und 25% Reservewein aus den beiden Vorgängerjahren. Teilweise Biotrauben, ohne BSA. Assemblage aus Blanc de Noirs mit einem Anteil Verzenay Rouge. 15% Fassausbau, sonst Stahltank. Mit 7 g/l dosiert.

Hier merkt man paradoxer Weise am deutlichsten den angestrebten Burgundercharakter. Mandel, Marzipan, gehackte Nüsse, im Mund sehr schlank, aber nicht harmlos, minimal adstringierend, dann wieder stahlig, dicht und in sich geschlossen. Kein Moderosé.

1.5 Blanc de Noirs Grand Cru

2007er Basis, Trauben von alten Reben in Verzenay. Ausbau zu 40% im Stahltank und zu 60% im Holzfass von der Tonnellerie de Champagne, die Eichen dafür stammen aus dem Wald von Verzy, nur wenige Meter entfernt über dem Weinberg. Mit 8 g/l dosiert.

In einem komfortablen Bett aus weichem, ganz gegen die Gewohnheit der Tonnellerie de Champagne schonend getoasteten Eichenholz liegt der unruhige Säurekern, eingebettet in dämpfende Ananas-Mangoaromen. Wirkt unausgeglichen, müsste man beobachten.

1.6 Millésime Grand Cru 2005, dég. Nov. 2010

50PN aus der Lage Les Noues in Verzenay, Ausbau im Barrique; 50CH, davon 40% aus Le Mesnil, 60% aus Verzenay Grand Cru, ganz genau aus Pisses-Renard, einer der wenigen Chardonnaylagen in der Pinothochburg, im Stahltank ausgebaut. Mit 8 g/l dosiert.

Unter dem leichten Böckser präsentiert sich ein exotisches Duftbouquet, das in ein Geflecht aus Birne, Ananas, Pfirsisch, Banane und ein paar Nüssen übergeht. Was dieser Champagner wirklich drauf hat, wird sich erst zeigen, wenn die noch fast alles überdeckenden Primärnoten sich mit zusätzlicher Flaschenreife verzogen haben.

 

2. Die Avantgarde der Biowinzer

Besonders rege und betriebsam sind die Biowinzer. Unter ihnen finden sich alteingesessene Großmeister und die junge Generation von Winzern, die teilweise Stück für Stück Pachtverträge mit den großen Häusern ablaufen lässt, um diesen Teil der Weinberge nach eigenen Vorstellungen selbst – und meistens eben biologisch/nachhaltig/biodynamisch – zu bewirtschaften. In der Champagne, wo sowieso jeder mit jedem verwandt ist, netzwerkeln diese Winzer untereinander meist ebenso erfolgreich, wie sie sich neuer Medien bedienen.So kommt es, dass man Kleinsterzeuger mit gerade einmal 3 ha Rebfläche im New Yorker Cru, im Kopenhagener Noma und in Tokyo sowieso auf jeder besseren Weinkarte findet.  

2.1 Benoît Lahaye, Naturessence, dég. 3. August 2010

50PN 50CH

Phenolisch, aber nicht kränkelnd, mit scharfer Säure, dabei sehr traubig, erinnerte mich schon beim Bioweintasting in Paris an einen besonders süffigen Verjus; hatte hier schon etwas Druck verloren und Temperatur gewonnen, wirkte daher gebändigter und trinkfreundlicher.

2.2 Georges Laval, Cumières Premier Cru Brut Nature

Ein Füllhorn an Zitrusfruchtaromen, mit mentholischem touch, kräuterig, mineralisch, ein Spaziergänger mit sehr strammem Schritt.

2.3 Larmandier-Bernier, La Terre de Vertus Premier Cru, non dosé

Blanc de Blancs auf 2006er Basis aus den Einzellagen Les Barillers und Les Faucherets in Vertus.

Stachelbeere, gelbe Johannisbeere, Quitten, Hagebutten, Limetten, dazu eine feine, mineralische Art, die den Wein aber nicht verschließt, sondern stützt. Wo der Laval marschiert, schreitet der Larmandier-Bernier.

2.4 Tarlant, La Vigne d'Antan, Chardonnay non-greffée, 2000

Zusammen mit dem berühmten Vieilles Vignes Francaises von Bollinger einer der ganz wenigen Champagner von ungepfropften Reben, in diesem Fall Chardonnay. Und genauso schwer zu bekommen, aber wenn, dann für ca. ein Zehntel der VVF. Massives Chardonnaygeschütz aus einer anderen Zeit.

2.5 Jérôme Prevost, La Closerie, fac-simile, Rosé Extra Brut

100PM davon 11% Meunier Stillweinzugabe, 2009er Basis. Ausbau in jungen und alten Barriques.

Helles Rosé und natürlich schmeckt er viel zu jung. Kaum, dass sich übrhaupt aromatische Anlagen ausgebildet haben, noch überwiegen sehr unroséhafte mineralische Noten, Geißblatt, weiße Blüten, Akazie, auch eine ganze Reihe frischer Beeren ist dabei, aber das Aromenkonzert klingt wie durch eine dicke Glasscheibe.

2.6 Olivier Horiot, Cuvée Sève "En Barmont", Blanc de Noirs non dosé 2004, dég. 16. April 2009

Nicht sehr inspirierend war leider der fassvergorene, eher schlichte, wenngleich extraktstarke und dadurch süßlicher wirkende Champagner aus dem für seine Rosés prominenten Aubedörfchen Les Riceys.

2.7 Robert Dufour, Bulles de Comptoir Extra Brut

Pinot Blanc, Pinot Noir, Chardonnay.

Einmal mehr zeigt sich, dass Pinot Blanc keine so wahnsinnig gute Schaumweintraube ist. Nach gut gelungenem Sekt schmeckte dieser Champagner, der reinsortige "Les Instantanés" Blanc Gourmand Extra Brut, bzw. sogar Brut Nature 2003, von Dufour lässt grüßen.

 

3. Penet-Chardonnet

Dieser Familienbetrieb aus Verzy verfügt über sechs Hektar ausschließlich in Grand Crus. In Verzenay, bei Pehu-Simonet begann die kleine Winzerchampagner-Revision und im benachbarten Verzenay schließt sich der Kreis für dieses Mal. Diesen kreglen Betrieb, der zu den größten der Gemeinde gehört und sich gehörig für die Zukunft herausgeputzt hat, muss man ernsthaft im Auge behalten. Schönes Detail: die Rückenetiketten sind mit QR-Codes versehen, wer auf seinem Smartphone eine entsprechende App hat, braucht davon nur ein Bild zu machen und wird dann automatisch auf die website des Erzeugers geführt, wo er die technischen Angaben zum betreffenden Champagner nachlesen kann.

3.1 Extra Brut Millésime 2005

70CH 30PN.

Gelungene Jahrgangsinterpretation, Orangenblüten und Akazienduft, apfelig und mit fröhlicher Säure unterlegt, eine unbeschwert tänzelnde Komposition.

3.2 Réserve Grand Cru Extra Brut, dég. Sep. 2010

2/3PN 1/3CH aus Verzy und Verzenay, Basisjahr 2004, 4 g/l.

Rund, mild, reif, mit toastigen Röstnoten und Lemon Curd. Der Mund wird unversehens zum Nobelplanschbecken, so viel quietschvergnügte Champagnerfreude auf einen Schlag gefiel mir sehr gut.

3.3 Grande Réserve Grand Cru Brut Nature

2/3PN 1/3CH hauptsächlich aus Verzy, Basisjahr 2001

Gesetzter, reifer, etwas strenger war die Grande Reserve. Auch dies ein Champagner, der den Mund schlagartig ausfüllt und lange nachhallt, was man bei Brut Nature Champagnern nur dann erlebt, wenn sie richtig gut gelungen sind – sonst zeigen die sich nämlich gern mal lakritzig, ausgezehrt und streng gegen Ende.

Die Blanc de Noirs Nacht

 

1. Wilhelmshof, Blanc de Noirs Brut 2007

20 Monate Hefelager.

Der erste Wein in einer Verkostung sein zu müssen, ist immer mit Schwierigkeiten behaftet. Der Gaumen mancher Verkoster ist vielleicht noch nicht recht kalibriert, die Begeisterungsschwelle noch nicht alkoholbedingt gesunken. Der Wilhelmshof musste als leicht zu enttarnender Pirat diese undankbare Einsteigerrolle übernehmen. Für den bekanntermaßen exzellenten und vielfach dekorierten deutschen Sekterzeuger mit der hohen Champagneraffinität war die Pole-Position leider besonders ungünstig, denn Sekt und Champagner lassen sich nur ganz schwer in einer Probe, bzw. in einem flight unterbringen. Hinzu kommt noch, dass der konkret verkostete BdN mit einem unangenehmen Sauerkrautstinker nicht auf Anhieb begeistern konnte; besser wurde er dann zu allem Unglück auch nicht mehr. Keine Spur von der sonst vom Wilhelmshof bekannten Sekt-Noblesse, keine betörende Frucht, zwar ein angenehmes Mundgefühl, aber letztlich zu wenig von allem.

2. Marie-Noelle Ledru, Ambonnay Grand Cru Brut

80PN 20CH, mit ca. 8g/l dosiert.

Von Viticultrice Marie-Noelle Ledru ist mir die Spitzencuvée de Goulté sehr ans Herz gewachsen. Ihre anderen Champagner kenne ich nicht so gut und so war es für mich schwer, mich dem Champagner blind zu nähern. Hochwertiges Lesematerial konnte man vermuten, dafür gaben Struktur und Gewicht des holzlos ausgebauten Weins genügend Anhaltspunkte. Die deutlich schmeckbare Wildkirsche kam mir allerdings allein etwas zu simpel vor, Nebenaromen konnte ich kaum ausmachen.

3. Roger Brun, Cuvée des Sires, Grand Cru "La Pelle" Extra Brut 2002

100PN aus südlich exponierter Einzellage; in kleinen Holzfässern vinifiziert. Unfiltriert, mit 3 g/l dosiert.

Kräftig, reif, vollmundig, dabei etwas pektinig und ganz leicht trocknend, daher an der Gaumenmitte vielleicht nicht gerade ein Loch, aber eine dünnere Stelle. Ich dachte wegen seiner verschwenderischen Fruchtnase (Kirsche, Banane, Bratapfel) zuerst an eine noch ganz junge Cuvée des Signataires von Régis Fliniaux, den ich erst kurz zuvor noch besucht hatte. Zumindest was den Ort betrifft, lag ich also richtig. Ein schöner Champagner, der wegen seiner durchdringenden Aromatik nicht an einen 2002er denken lässt und gut zum Essen passt.

4. André Clouet, Un Jour de 1911 Multi Vintage (2002, 2001, 2000 (?))

100PN aus Bouzy Grand Cru.

Ein langgehegter Wunsch ging in Erfüllung: mal eine etwas reifere Flasche vom 1911er trinken. Bisher habe ich diesen Champagner immer viel zu jung getrunken. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn schon in seiner Jugend schmeckt er famos, bei mir ist er als Burlesque-Champagner abgespeichert. Doch ist mir bei früheren Flaschen stets sehr schmerzlich bewusst gewesen, wie viel Potential er hat. Köstlich war der Mix aus weichen, sämig-fruchtigen Aromen vollreifen Beeren, die behutsam daruntergewobene Vanilligkeit, die unverpampte Textur. Die sehr scharf umrissenen Konturen von Goji-Beere, Cranberry und Zitrusfrüchten jüngerer Flaschen sind jetzt nicht verschwommener, aber gaumenfreundlicher, nicht mehr so dichtgedrängt und quirlig. Dieser Reifezustand entspricht seinem wärmenden Naturell – vielleicht schaffe ich es jetzt, dies Flaschen länger unangetastet zu lassen.

5. Jérôme Prévost, La Closerie, Rosé Brut Nature "fac-simile" (2007er), #58/2800, dég. Dezember 2009

100PM davon 11% Meunier Stillweinzugabe. Ausbau in jungen und alten Barriques.

Ich meine ja, dass längst nicht jeder der mal bei Anselme Selosse ein Praktikum gemacht hat, gleich ein Selosse-Schüler ist. Jérôme Prévost ist aber doch einer. Zu Hause ist er in Gueux. Das ist ein beschauliches Nest westlich von Reims, an der A4 Richtung Paris, IKEA-Freunde wissen, wo. Das Aufsehenerregendste in Gueux ist die freundlich-geschwätzige Verkäuferin im Tante-Emma-Eckladen, aber rein äußerlich gewiss nicht das Prévostische Anwesen. Daran fährt man schnell mal vorbei, denn Monsieur Prévost bewirtschaftet nicht zig Hektar und residiert nicht wie die großen Herrschaften. Über eine unscheinbare Bimmel kündigt sich der Besucher an, wenn er Einlass begehrt und wird freundlich aber bestimmt abgewiesen, wenn es nichts zu verkaufen gibt, was der Regelfall ist. Sein Champagner mit dem außergewöhnlich schlichten Etikett kam hell-zwiebelschalenfarben ins Glas. Kaum zu greifen war die Aromatik dieses noch ganz blutjungen Champagners, von dem man sich nur wünschen kann, dass er in Zukunft mehr Zeit auf der Hefe verbringen darf. Mineralisch, dicht, wandlungsfreudig. Beerig, vegetabil, mineralisch. Wispernd und leise, aber nicht vernuschelt. Kompromisslos und bestimmt, mit hoher Kraftreserve und viel Potential, allerdings von völlig anderer Machart als der 1911er in seiner Jugend. Sehr schön dürfte dieser ultrarare Champagner derzeit zu sparsam gewürztem Fisch mit hoher Eigenaromatik schmecken, noch viel schöner in fünf Jahren solo.

6. Jacquesson, Rosé, Dizy Premier Cru Extra Brut "Terres Rouges" 2003, mise en bouteille 14. Mai 2004, dég. 1er Trim. 2008

83PM, gepflanzt 1971 und 17PN, gepflanzt 1993; Mazerationsrosé mit 12 Stunden Schalenkontakt. Vinifikation im Fuder, dosiert mit 3,5 g/l.

Mit diesem Champagner kam das genaue Gegenteil des Prévost ins Glas. War der eine schon fast zu hell für einen Rosé, so war dieser hier meiner Meinung nach zu schon wieder sehr sehr dunkel und hätte ebensogut als – unzulässiger – Rotchampagner eingeordnet werden können. Dem 1959er Bourgogne Mousseux Méthode Champenoise vom Wochenende zumindest in der Farbe sehr ähnlich. In der Nase konzentriert, schwere, aber nicht bordellige Duftschwaden. Intensiv erdbeerig, mehr noch kirschig und mit viel Bodenhaftung – kein bloßer Früchtchenchampagner, sondern merklich enge Verwandtschaft zu Burgund. Sehr reif, säurearm. Überaus stark in Kombination mit Schinken, Salami, Pfeffer, Edelschimmelkäse. Faszinierend.

7. Xavier Leconte, "Les Vents d'Anges" 2005

100PM.

Nach dem Roséflight und ganz besonders nach dem mächtigen Jacquesson hatte es dieser weiße Meunierflight nicht leicht. Die Champagner von Xavier Leconte aus Troissy gehören zu den eleganteren Vertretern aus dem Marnetal. Von bäuerlicher Unbeholfenheit und trampelnder, etwas unsauberer Fruchtigkeit bei ihm keine Spur. Die Rebsortenchampagner aus seiner Serie "Les Vents d'Anges" gefallen mir alle gut, am besten gefallen mir Chardonnay und Pinot Noir. Den Pinot Meunier habe ich bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal geöffnet. Grapefruit und Birne, reif, aber nicht überreif. Schlanker Wein ohne störende Holzeinflüsse.

8. Leclerc-Briant, Cumières Premier Cru Les Authentiques "La Ravinne"

2006er und 2005er, Blanc de Noirs von Pinot Meunier aus Verneuil. Mit 5 g/l dosiert.

Von der Frucht her dem Leconte sehr ähnlich, lediglich mit einer Spur mehr frischer Säure und einer etwas breiteren Bauart.

9. Egly-Ouriet, Blanc de Noirs Grand Cru Pinot-Noir Vieilles Vignes "Les Crayères", dég. nach 54 Monaten im Januar 2008

Erste Gärung im Holzfass (kennt man sonst noch von Krug oder Alfred Gratien). Ungeklärt, ungeschönt, ungefiltert. Kein BSA. Mit 2 bis 4 g/l dosiert.

Ein klarer Schritt nach oben und gelungener Abschluss eines schönen Blanc de Noirs Abends war der Crayères von Egly-Ouriet. Sattes Gold kündigt reife Aromen an, aber auf das dann kommende Erlebnis sollte man vorbereitet sein. Der erste Schluck ist, als würde man in eine bereits fahrende Achterbahn einsteigen. Temporeiche Entwicklung, mit Beerenfrüchte, Zwetschgenkuchen, pikant holziger Minzigkeit, die entfernt an amerikanische Eiche erinnert und ganz dezenter Hefe. Anders als in der Achterbahn rutscht man hier nicht auf einer glatten Sitzbank hin und her, sondern hat in phantastischen Sportsitzen jederzeit perfekten Halt. Völlig zu recht ein weithin begehrter Champagner.

10. Zoémie de Sousa, Blanc de Blancs, Cuvée Precieuse

Chardonnay aus Chouilly, Cramant, Avize, Oger und Le-Mesnil.

Der große Erfolg der Winzerchampagner von Erick de Sousa führte dazu, dass er den Status des négociant erwarb und begann, unter dem Namen Zoémie eine Champagnerlinie zu kreieren, bei der er Trauben zukauft. Das gelingt ihm ganz gut, denn an den Prinzipien der Weinbereitung wird dabei nicht gerüttelt. Die Vinifikation findet in 400-Liter Eichenfässern statt, es folgt ein dreißigmonatiges Hefelager. Autolytische Aromen, rote und grüne Äpfel prägen das Geschmacksbild.

Bio-Champagner nachprobiert

 

I. Françoise Bedel

Ein nettes Wiedersehen mit der stets sehr eleganten Madame Bedel und ihren Weinen. Auf ihre exzellente Cuvée Robert Winer befragt, gab Madame Bedel zur Antwort, dass sie einen 2008er in petto hat. Darauf wird die Champagnerwelt leider noch gute zehn Jahre warten müssen, fügte sie aber sogleich hinzu. Wenn der 2008er mit dem famosen 1996er vergleichbar ist, werde ich gerne warten.

1. Dis, Vin Secret Brut Nature 2003

86 PM 8 PN 6CH. Die Apfelaromen vom letzten Mal haben sich wohl ausmetamorphiert und entschieden, sich in Richtung überreifer Schattenmnorellen zu entwickeln. Trotz seiner weichen Art mit einer angenehmen Spritzigkeit ausgestattet, wobei die Säure etwas überfordert wirkt.

2. Entre Ciel et Terre Brut 2002

100PM. Das feine, leichte elegante Element der Weizenmehlnase hat sich gehalten und verfeinert. Hinzu kommt ein leicht herbes Quittenmusaroma. Der Champagner ist balanciert, lebhafte Säure und eine leichte Mürbe stehen in gutem Gleichgewicht und können sich so sicher noch ein paar Jahre spannungsvoll belauern, bevor der Champagner abbaut.

3. Origin'elle Brut 2004

78PM 9PN 13CH. Alkoholische Nase, im Mund herb. Säurearm und in gewisser Weise effizient: aus dem was er an Meuniercharakter hat, holt er das beste raus.

4. L'âme de la Terre Extra Brut 2002 – informell –

Drittelmix. Erde, Brot, Getreide, wie der Name schon ankündigt. Im Mund glatt, sauber und schnittig, wenn nicht gar seidig. Milde, charaktervolle Herbe.

II. Thierry de Marne, Champagne Frison Demarne

Die allerersten Flaschen gab es, noch ohne Rückenetikett (das später einmal das Dégorgierdatum des jeweiligen Lots tragen wird). Im Frühjahr hatte ich in Paris die damals noch namenlosen Cuvées probiert, nun gab es die in den Startlöchern stehenden Champagner quasi als pre-opening.

1. Blanc de Blancs "Lalore" non dosé, 2007er Ernte

Hatte ich auf meine Merkliste gesetzt und siehe, der Champagner hat sich ganz prachtvoll entwickelt. Frisches Chardonnaynaturell, das mich auf Anhieb an einen am Vorabend getrunkenen 2004er Blanc de Blancs "Les Vents d'Anges" 2004 von Xavier Leconte erinnerte. Knackig, lang, ein vorwärtsdrängender Chardonnay mit einer feinen Butterweck-, Buttercroissantnase. Wenn dieses junge Haus so weitermacht und seinen Champagnern später einmal noch mehr Zeit auf der Hefe gönnt, haben wir einen neuen Spitzenerzeugeranwärter.

2. "Goustan", 2007er Ernte

50PN 50CH. Auch hier lohnt es sich, den Champagner im Blick zu behalten. Rassig, mineralisch; wie seine blonde Schwester mit starkem Vorwärtsdrang, etwas dunkler, eher auf der Krustenbrotseite. Sehr charmantes Mentholfinish.

III. Jean-Pierre Fleury, Champagne Fleury

Aus der Vielzahl der Cuvées von Fleury gab es diesmal drei Champagner.

1. Fleur de l'Europe Brut Nature

85PN 15CH. 2001er Basis mit Reserve aus 2000.

Frische Baumwollnase, dicht gewebt, fast filzig. Etwas chlorig, mittelschwer. Nicht der größte Wurf aus der Fleury-Kollektion.

2. Extra Brut 1995, dég. 2009

80PN 20CH.

Reifer 95er, dem man mit ein wenig glücklicher Spekulation das späte Dégorgement abschmecken kann. Vornerum lebhafte Frische, hintenrum altersangemessen Mürbe. Ähnliche Spannung wie bei Bedels Entre Ciel et Terre 2002. Kann noch ein ganze Weile.

3. Rosé de Saignée Brut (2007)

80PN 20CH.

Herber, kräftiger Rosé, dessen Blumendekor über sein männliches Interieur täuscht.

IV. Bertrand Gautherot, Champagne Vouette & Sorbée

Bertrand Gautherot stellte die Erzeugnisse seiner Kinder vor.

1. Fidèle

100PN. 2007er. Dégorgiert am 14. Dezember 2009. Je mehr Flaschenreife der Champagner bekommt, desto weiter entfernt er sich von seinem niedlichen Namen. Zur Zeit wirkt er kraftstrotzend und zeigt das reinste Raubkatzennaturell. Fleischig, gerbstoffig, lang.

2. Blanc d'Argile

100CH. 2007er. Am 12. Januar 2010 dégorgiert. Immer noch Banane, immer noch üppiges Erdbeer-Himbeer-Aroma, das sich mit Luft in einen gar nicht mal unangenehmen Klebstoffduft umwandelt. Sehr sportlicher, ausgeruhter und mühelos wirkender Typ, geht wie ein Rennwagen über die Zunge. Vom Holz merkt man nicht mehr ganz so viel. Wird sich weiterhin positiv entwickeln, denke ich.

3. Saignée de Sorbée

Ein 2006er. Dégorgiert am 12. April 2010. Dieser Champagner hat sich gegenüber dem letzten Mal gefangen. Ein betörender und für Roséchampagner ungewöhnlich geheimnisvoller Boudoirduft macht sich bemerkbar, floral, mit Maiglöckchen und Lilie. Ein Verkoster meint: das ist der Duft von getragenen Damenstümpfen. Wenn ich meine Damenstrümpfe ausziehe, duften die nicht so, aber wahrscheinlich meinte der Kollege das auch nicht. Am Gaumen ist der Champagner eigenwillig schön, die florale, etwas cremige Textur bleibt lang am Gaumen.

V. Vincent Laval, Champagne Georges Laval

Ohne Bart sieht er nicht mehr aus, wie Käpt'n Haddock; cool und entspannt, prächtig gelaunt präsentiert er seine Champagner, dass es eine Freude ist.

1. Cumières Premier Cru Brut Nature

2006er. 50CH 25PN 25PM. Kraftvoll, crèmig, etwas fleischig, milde Parfumnote, Duft von Nivea und Zitrusfrüchten. Am Gaumen dann pinotgeladen, weinig und gefühlvoll. Entwickelt sich scheinbar recht flott.

2. Les Chênes Cumières Premier Cru 2005

100CH. Starker Champagner in kleiner Auflage (1776 Flaschen und 49 Magnums). Haselnussnote und Aromen aus der Thaiküche. Immer wieder Zitronengras, Ingwer, Limette. Mildes Holz, superbe Sauberkeit und enormes Entwicklungspotential.

3. Cumières Premier Cru Brut Nature 2002 en Magnum

Schwebend leicht, fein, weich, haselnussig, mittelgewichtig. Schlank, doch im Kern sehr konzentriert. Da findet sich eine Ahnung von Ammoniak, die aber nicht zehrend oder sonstwie beschwerend wirkt, sondern dem Wein eine sportliche Aggressivität verleiht, die mir gut gefällt.

4. Coteaux Champenois Rouge Cumières Premier Cru 2008

Langpfeffer, Tellycherrypfeffer, Kirsche, mandel- und Aprikosenkerne. Weich, mit dennoch kerniger Säure, die sich aber nicht aufdrängt und gegen Ende etwas seifig wirkt.

VI. David Léclapart, Champagne David Léclapart

Immer Chardonnay, immer Jahrgang, immer ohne Dosagezucker und stets mit vollem BSA. Das ist die scheinbar einfache Formel, auf die sich David Léclaparts Champagner bringen lassen.

1. Amateur 2007

100CH von sechs Parzellen. Stahltankausbau. Nur ca. 2-3 freies SO2 mg/l. Rund, weinig, etwas kratzig, auch gerbstoffig.

2. Alchimiste 2007

Marzipan, Rosenwasser, Aprikosenmus, weißer Pfirsich, Orangenblüten, auch Fleur de Sel und was das Verblüffendste ist: ein Geschmack von frischer Foie Gras. Enorm.

3. Artiste 2005

100CH von zwei Parzellen. Halb Stahl, halb Barrique. Weich, schaumig, rund und lang. Schmeichelhafte und leichtfüßig daherkommende Mineralität mit darübergestreuten Zuckerblüten. Sanftes Timbre, das ein wenig der Stimme von David Léclapart entspricht

VII. Champagne Leclerc-Briant

Pascal Leclerc-Briant ist leider am 6. Oktober 2010 verstorben.

1990 begann er mit dem biodynamischen Weinbau nach Jacques Puisais in einer nur 50 Ar großen Parzelle. Im Jahr 2000 wurden erst die Lagen Les Crayères und Les Chèvres-Pierreuses, dann der gesamte Rebbestand in Cumières und Verneuil biozertifiziert. Seit 2006 ist der gesamte Rebbesitz von Leclerc-Briant bio-, seit 2008 demeter-zertifiziert. Pascal Leclerc-Briant war einer der unermüdlichen Antreiber in der Region und einer der wirkmächtigsten Biopioniere der Champagne. Auf ihn gehen die Bio-Tastings der AIVABC zurück.

1. Cuvée de Reserve Brut

70PN 30CH aus 06, 05 und 04. Mit 8 g/l dosiert. Entweder hat die zusätzliche Flaschenreife dem Champagner sehr gut getan, oder die vor einem halben Jahr probierte Cuvée de Réserve hatte einen Hau, bzw. war eben einfach noch nicht soweit. Saftig, g'schmackig, mit einer für 8 g/l schon mehr als nur leichten Süße, dennoch mit hintergründiger Kraft. Schöner Standardbrut.

2. Les Chèvres Pierreuses Cumières Premier Cru

40PN 40CH 20PM.

Mein Liebling aus der Kollektion von Leclerc-Briant. Fordernder, druckvoller Mix aus quietschlebendigem Chardonnay und nur scheinbar um Seriosität besorgtem Pinot, der gegen Ende handzahm wird.

3. Cuvée Divine 2004

50PN 50CH.

Weicher Champagner mit dem Charakter von Kalbfleischrollbraten. Was ich auf der Master Class schon festgestellt habe, bewahrheitet sich hier erneut. Der Champagner ist dicht, aber nicht fokussiert, wuchtig, aber nicht massig.

VIII. Bruno Michel

Bruno Michel erklärte mir, weshalb sein "Rebelle" diesen und nicht einen anderen Namen bekommen hat. Weil er die Biobewegung als eine rebellische Bewegung ansieht, die sich gegen den industriellen Massenwein zur Wehr setzt. Eine sympathische Begründung, wie ich finde.

1. Cuvée Blanche Brut

50PN 50CH. 07er Basis mit Reservewein aus 2006. Mit 8 g/l dosiert. Fruchtiger, für die Chardonnays aus Pierry und Chouilly recht typischer Stil, angereichert mit floralen Aromen von Geißblatt und Weißdorn. Stoffig und etwas rauh am Gaumen. Schön.

2. Cuvée Rebelle Extra Brut

2006er von alten Reben. Mit 2 g/l dosiert. Herb, griffig, gegenüber der letzten Probe deutlich runder und nicht mehr so stürmisch-kämpferisch. Kirschkerne und Birnengehäuse, drumherum weiches, sehr aromatisches Fruchtfleisch.

3. Cuvée Blanc de Blancs Pierry Premier Cru

Gegenüber der Cuvée Blanche verfeinert, geschliffener, eleganter, länger und tiefer.

4. Cuvée Rosé

80PM als Saignée und 20CH als Assemblage dazu. Dieser Champagner passt zu Andouillettes, das habe ich beim ersten mal festgestellt und dabei bleibt es nach meiner Meinung auch. Jetzt schmeckt er allerdings schon deutlich feiner nach pürierten Erdbeeren, bzw. Erdbeermargarita. Schlotzig.

IX. Franck Pascal

Neue, wie Franck Pascal einräumte auch schönere Etiketten zieren nun seine Flaschen. Der Inhalt entspricht dem, was ich bereits von ihm kennengelernt habe.

1. Sagesse Brut Nature, dég. 11. Mai 2010

57PM 38PN 5CH.

Alkoholische Nase, wässriger Gaumen. Dann viel Säure. Wieder mal ein viel zu junger Champagner von Franck Pascal. Ich wüsste zu gerne mal, wie die denn in reif schmecken. So kann ich wenig drüber sagen.

2. Tolérance Rosé, dég. 6. Juli 2010

Aus Assemblage entstanden, bilden 96% Sagesse und 6% Pinot-Noir + Pinot Meunier die Cuvée. Etwas enger zusammengeschnürt sind bei diesem Champagner die verschiedenen Stränge aus Säure und wässrig-flüssigem Aromen-Liktorenbündel. Leicht, mineralisch, fruchtarm.

3. Coteaux Champenois Rouge Confiance

Erinnert in der Nase an gedeckten Pflaumenkuchen und an den selbstgebrannten Pflaumenschnaps der Bauern in der Gegend um Nevers. Griffige, konsequent kühl und etas steinig wirkender Pinot.

Rotes Österreich

Was die deutschen Winzer ruhig bei den Österreichern lernen können: die Angaben zum Lesezeitpunkt, Vinifikation und Fülldatum finden sich erstaunlich und erfreulich oft auf den Etiketten, noch häufiger auf den gut gestalteten Webseiten der Erzeuger. Das Design ist insgesamt ein Punkt, in dem ich in Deutschland Nachholbedarf sehe. Zwar gefällt nicht jedes außergewöhnliche Etikettendesign, doch das liegt in der Natur der Sache. Mehr Mut beim Verlassen der altbackenen, oft nichtssagenden Designs wäre jedenfalls vielen deutschen Winzern sehr zu wünschen.

Die Preispolitik: mir kamen die nachfolgend probierten Österreicher alle relativ hoch bepreist vor. Nun kenne ich nicht die Verkaufspreise in Österreich, aber die probierten Qualitäten bis ca. 12,00 EUR waren ganz überwiegend nicht überzeugend, jedenfalls nicht für diese Preisklasse. Zwischen 12,00 und ca. 20,00 EUR fanden sich dann einige Weine, die ich beim Kauf in Erwägung ziehen würde, jenseits der 20,00 EUR wurde die Qualität überwiegend richtig gut, aber auch recht international im Sinne von beliebig. Unter den Cuvées fielen mir als österreichische Rebenmixe positiv auf Heinrichs einfacher Red und sein Pannobile. Die anderen Cuvées hatten immer einen Anteil Cabernet, Merlot oder gar Syrah, was die Weine nicht schlechter machte, ihr Profil aber auch nicht gerade schärfte.

1. Pfaffl, Blauer Zweigelt, 2009

Pfeffrige Nase. Kräftiger wein mit Kirsche und pfeffriger Schärfe auch am Gaumen.

2. Stiegelmar Blauer Zweigelt 2007

gefüllt am 20. Mai 2010

Brotiger Naseneindruck mit etwas Kirsche. Am Gaumen mild, etwas kirschig, beerig, kaum Tannin.

3. Tesch, Zweigelt, 2008

In der Nase rote Paprika, Kirsche, etwas Vanille. Im Mund frisch, griffig, rundlich, dabei etwas spritig.

4. Tement, Zweigelt, Temento Red, 2008

Kühl, erfrischend, leicht gerbstoffig, eher einfach.

5. Tement, Zweigelt, Selektion RT, 2007

Leicht parfumierte, zuckrig wirkende Nase. In der Nase außerdem ein Weihnachtsmarktduft von Zimt und Nelken. Im Mund dafür etwas säuerlich, mit mittlerem Grip.

6. Gernot Heinrich, Zweigelt, 2008

abgefüllt im Februar 2010

Beerenkompott, Maulbeere, etwas herber Gaumen-Eindruck.

7. Tesch, Zweigelt, Hochberg, 2008

Kirschkuchen, Rumaroma, bzw. Rumtopfnoten, dazu Marillenkerne und eine etwas kräuterige Aromatik. Im Mund mild pfeffrig, zwischen rund, sanft und herb angesiedelt.

8. Polz, Zweigelt Klassik, 2008

Kirsche mit reichlich Fruchtfleisch. Griffig, schlank, insgesamt etwas einfache Kirmesschönheit mit einer alkoholischen Schärfe zum Schluss. Gefiel mir trotzdem gut.

9. Markowitsch, Rubin Carnuntum, Zweigelt, 2008

Stinkerle mit überreifen bis angefaulten Kirschen, am gaumen dann sehr konzentriert, fleischig, mit Sandelholz und Tabaktönen. Gegen den Naseneindruck doch noch rund, organisch und ausgewogen.

10. Stiegelmar, Zweigelt, Ungerberg 2006

gefüllt am 10.Juni 2008

Sehr vanillig und vollgeholzt, darunter aber eine ordentliche Struktur, könnte auch ein sehr gelungener badischer oder fränkischer Spätburgunder sein. Flotter, ansprechender Wein, der sich mit Luft gut entwickelt und dabei immer schön schlank bleibt.

11. Tesch, Blaufränkisch, Classic, 2008

Weiche Kirschnase, auch am Gaumen rund, kirschig, weich.

12. Stiegelmar, Blaufränkisch, 2007

gefüllt am 12. Mai 2009

Veilchendurft, Mössinger Sommerwiese, nach einem druckvollen Start in der Gaumenmitte sehr luftig, ja fast schon leer, danach kommt die Tanninreserve und eine kirschsaure Abgangsaromatik.

13. Tesch, Blaufränkisch, Hochberg, 2008

Rundlich, kirschfruchtig, etwas jodig, mineralischer Eindruck. Im Mund gediegen, reif, mit leichter Süße. Ordentlicher Wein.

14. T-FX-T, Blaufränkisch, A'Kira, 2007

Konzentrierte nase mit viel Pflaume, Rumtopf und Roter Grütze. Im Mund sehr weich, fließend, ja elegant, auch etwas pfeffrig und hitzig. Sehr international wirkender Stil, aber ok.

15. Tesch, Blaufränkisch, Selektion, 2006

gefüllt am 17. Juni 2008

Aprikosenkerne, Mandelaroma, Vanillenote. Mittelschwer bis einigermaßen kraftvoll.

16. Pichler-Krutzler, Blaufränkisch Weinberg, 2007

gefüllt am 12. Mai 2009

Fassige Note, Brandyduft. Zeigt sich am Gaumen herb und kraftvoll, geht mit süsslichen Zungenrändern und einigem Druck saftig nach vorne.

17. Tement, Pinot Noir, 2006

Künstlich wirkende nase mit überwiegendem Wachsduft und angebranntem Plastik, mit Luft entwickelt sich daraus so etwas wie Zimtduftkerzenaroma. Im Mund recht süß und auch hier ein störender, wachsiger Eindruck. Nicht mein Wein.

18. Bründlmayer, Langenloiser Dechant, Pinot Noir, 2004

Zunächst ein nur zurückhaltendes Pinotdüftchen, vermischt mit jungen, noch ganz saftigen Aachener Printen, süsslich und pricklig, wirkt unruhig und etwas unentschieden, wird mir gegen Ende zu süß.

19. Polz, Steinbach, Pinot Noir, 2006

Wachsig, filzig, darunter fruchtig. Im Mund ausgewogen, mit Früchtekompott und sehr feiner kräuterwürze. Schanker, eleganter Weine, dem man Holzeinsatz praktisch nicht abschmeckt. Gefiel mir sehr gut.

20. Bründlmayer, Cecile, Pinot Noir 2005

Erdberr-Himbeer-Kompott, wirkt hochreif und etwas laktisch. Am gaumen zaghafter Griff, sauber, am Ende jedoch wieder immer süßlicher werdend, ohne ein geeignetes Säure- oder Gerbstoffgegengewicht anzubieten. Wirkt unstrukturiert und scheint mir am ehesten etwas für esoterisch empfängliche Damen zu sein, die im Kontakt mit Engeln und anderen Geistwesen stehen.

21. Markowitsch, Pinot Noir Reserve, 2007

Üppiger Holzeinsatz, für mich schon hart an der Grenze. Mit sehr viel Luft zeigt sich dann, dass der Wein darunter nicht gelitten hat. Es entfalten sich sehr bestimmt und kräftig Himbeeraromen, Quitte, auch eine leichte Teenote, der Wein ist süsslich, aber nicht einfältig, hat einen etwas spröden, noch sehr jugendlichen Schmelz, Kraft, Tiefe und Rückgrat, bleibt aber durchweg fein und hat somit alles, was Bründlmayrs Cecile leider fehlt.

22. Pfaffl, Wien 2, 2009

70ZW 30PN

Etwas staubige, sonst angenehm kirschfruchtige Nase. Einfach, aber gut.

23. Gernot Heinrich, Red 2008

BF/ZW

Ledrige Nase, animierende Säure, milde Würze, sanftes Tannin. Eine Spur ansprechender, als der Wien 2 von Pfaffl.

24. Markowitsch, Carnuntum Cuvée, 2009

85ZW 15PN

Andouilette-Nase, kurz, herb bitter, auch mit Luft nicht mein Fall.

25. Gut Oggau – Eduard Tscheppe, Atanasius, 2008

BF/ZW, demeter

Vom Etikett schaut ein Jünglingskopf, den auch Arno Breker nicht besser hingekriegt hätte. Von allen Etiketten des Weinguts schauen übrigens Köpfe. Charakterköpfe, die den Eigenschaften des jeweiligen weins entsprechen sollen. Der Atanasius nun ist tatsächlich noch ein Jüngling, der sich von jugendlicher, aber nicht versponnener oder nervtötender Säure tragen lässt, wohin, ist ungewiss, doch vermute ich, in eine eher sportliche, als gemütlich-fette Zukunft. Im Auge behalten – den Wein und das Weingut.

26. Tesch, Kreos, 2007

BF/ZW/Syrah/Merlot

Internationale Nase, die mit ihrer Mischung aus Eukalyptus-Menthol und After Eight an Neue-Welt-Weine erinnert. Im Mund weiches Tannin, aber auch lebhafte, spritzige Aromenverwirbelungen. Entwickelt sich mit Luft. Gut.

27. Stiegelmar, Heideboden, 2007

70ZW 30BF, gefüllt am 4. März 2009

Jod- und Makrelennase, darunter Frucht und Würze, seidig, glatt und straff eingewickelt in herbmännliches Tannin.

28. Pfaffl, Excellent, 2007

60ZW 20C-S 20 Merlot

Porridgenase, arg laktisch. Im Mund pfeffrig und sonst aufgrund des wohl übertreibenen BSA erwartungsgemäss erdbeer-himbeer-fruchtig und überfein.

29. Polz, Urbani, 2006

BF/ZW/C-S

Charaktervolle, sehr ansprechende Mischung aus Cherry Coke, Cassis und Langpfeffer, dazu eine Handvoll Blüteneinsprengsel und ein mittleres Gerbstoffgerüst.

30. T-FX-T, Arachon, 2007

BF/ZW/Merlot/C-S

Allerlei Kirschsorten, von dick, schwarz und saftig über Maraschino- und Cocktailkirsche bis hin zu hellrot und knacksauer. Außerdem eine fleischig-saftige, grüne Komponente wie von Sukkulenten. Mildes Tannin. Saftiger, schmatziger und leicht süßer, von Pfeffernoten fast unbeeindruckter Eindruck am Gaumen.

31. Stiegelmar S 2006

53ZW 25BF 22C-S, gefüllt am 10. Juni 2008

Beginnt verhalten, ruhig und leicht röstig, etwas brotig. Im Mund reif, volllmundig, leicht süss. Rund, andeutungsweise bordeauxig.

32. Tesch, Titan, 2007

BF/Merlot/C-S

In der Nase eine sehr ansprechende Mischung aus schwarzem Tee, Formosa Oolong, Erdbeer-Sahne-Rooibush; saftig. Im Mund ausgewogen, facettenreich, merklich strukturiert, aber nicht eckig oder klobig.

33. Markowitsch, Rosenberg, 2008

50ZW 45Merlot 5C-S

Zunächst etwas flüchtige Säure, dann ein Duft von Nivea und Cassis. Im Mund recht süss mit zupackendem Griff. Noch lange nicht im Reinen mit sich selbst, könnte aber durchaus etwas Schönes draus werden.

34. Gernot Heinrich, Gabarinza, 2007

60ZW 30BF 10Merlot; Sponti, abgefällt Mitte Juli 2009

Kaffee und Zwetschgenröster, Mandelnase und ein Hauch Rhabarber. Im Mund ziemlich geschniegelt, angenehme Herbe und erfrischende Rotfruchtigkeit halten sich spannungsvoll die Waage.

35, Gernot Heinrich, Pannobile, 2007

60ZW 40BF, Sponti, abgefüllt Anfang Juni 2009

Seidig, verhalten, anfänglich nur eine milde Erdbeer-Sahne-Nase, die sich langsam dunkler färbt und in Richtung Cassis-Brombeer-Aromatik verschiebt, mit einer Andeutung von frischem Liebstöckel, Kerbel und Estragon. Im Mund dann stoffig, griffig, krachlederner und derber als der Gabarinza, mit mehr Druck, besserer Kontrolle und mehr Mut zum Aromawagnis.

36. Zöhrer, Adonis Vinotheksfüllung, 2007

PN/Merlot

Ausgeprägte Honignote, erinnert an trockene Rieslaner Spätlese. Spritzig, freche Säure, rote Früchtchen und Aromen von eingelegtem grünem Pfeffer. Leider ein etwas kurzer Trinkspass, aber jedenfalls ein bemerkenswerter Spassfaktor. Aus einem schwarzen Glas würde es bei diesem Wein extrem schwerfallen, ihn als rot oder weiss zu erkennen.

Sommerchampagner – Fortsetzung

 

Die Sommerchampagner-Reihe setze ich mit einem Nicht-Champagner von einem Champagnerhaus fort, den man in Deutschland schwer oder gar nicht bekommt, weil er offiziell nicht importiert wird. Er gehört, anders als manches Erzeugnis des Mutterhauses, zu den bemerkenswerten Sprudlern und ist deshalb hier gut aufgehoben. 

1. Mumm Napa Cuvée DVX Brut 2000

50PN 50CH, mit 1% Dosageliqueur.

Knapp 15% Holzausbau. Wirkt auf Anhieb nicht wie Champagner, sondern wie sehr guter Sparkler. Wenig, aber dauerhaft vorhandene, eher untergründig wirkende Säure. Gleichzeitig reif und frisch. Das sprach für einen Schäumer mit langem Flaschenlager und noch nicht sehr weit zurückreichendem Dégorgement. Üppig dosierter Grosshausstil. Musste meiner Vermutung nach aus einem säurearmen Jahr oder heißer Gegend mit regelmäßig sehr reifem Lesegut stammen, denn für ein spätes Dégorgement fehlte die aggressive Vitamin-C-Aromatik. Dass es sich schließlich um den bei uns seltenen Mumm Napa DVX handelte, freute mich sehr. Vielleicht könnte man Ludovic Dervin noch empfehlen, weniger laktische Noten zuzulassen, oder die Dosage etwas herabzusetzen (für die Schleckermäulchen gibt es ja eigens eine DVX Santana mit höherer Dosage).

2. Marc Hébrart Brut Premier Cru

75PN 25CH. 12,5 ha Pinots aus Mareuil-sur-Ay, Avenay Val d'Or, Bisseuil, Chardonnays aus Chouilly und Oiry.

Apfelspass vom stückigen Apfelmus und frischer Hefezopf. Ein Pinotchampagner, der wie Blanc de Blancs duftet und schmeckt. Würde es sich um einen Blanc de Blancs gehandelt haben, wäre ich nicht enttäuscht gewesen, so war ich sogar beeindruckt, denn dass man von einer Cuvée mit diesem Rebsortenverhältnis so in die Irre geführt wird, ist immer wieder verblüffend und lehrt einen auch nach langen Jahren der intensiven Champagnerverkostung immer wieder Demut. Unter Chardonnaygesichtspunkten ist bemerkenswert, wie dieser Champagner dem Apfelthema in einer seiner einfachsten Formen so lohnende Facetten abgewinnt.

Weiter entlang der Marne geht es zu

3. Yves Ruffin Brut Premier Cru Élaboré en Foudre de Chêne

75PN 25CH.

3ha in Avenay Val d'Or und Tauxières. Bioanbau seit 1971, dem Jahr nach Gründung der Domaine. Ausbau der Grundweine in Eichen- und Akazienholz. Drei Jahre Hefelager. 

Die 2009er Grundweine waren alle verschlossen, geheimnisvoll und kryptisch, die aktuelle gamme dagegen ziemlich vielversprechend. Der Eindruck bestätigt sich bei diesem sehr guten Champagner, der zu den besonderen Tips in der Champagne gehört. Schattenmorellen und Sandelholz, außerdem Hagebutte, Quitte, Sanddorn. Viel gesunde, aber nicht unangemessen auftrumpfende Säure, die ohne biologischen Säureabbau vielleicht genervt hätte, dazu krachendes Fruchtfleisch und ein klärendes Gaumengefühl.

Einmal um die Montagne herum und wir kommen zu

4. Henri Chauvet, Brut Réserve

60-70PN 30-40CH. Drei Jahre Hefelager. Mathilde und Damien Chauvet bewirtschaften 8,4 ha in Rilly-la-Montagne Premier Cru. Davon sind Pinot Noir: 6,20 ha, Pinot Meunier: 0,50 ha und Chardonnay: 1,70 ha.

Der Champagner ist nicht sehr fruchtig, höchstens zu Beginn etwas zuckerwattig und mit einer Andeutung heller Früchte, sonst herb und kraftvoll. Ich fürchte, der Brut Réserve war zu frisch dégorgiert, denn Reifepotential traue ich dem Champagner zu. Warum? Weil die Herbe für mich nicht fehlerhaft war, sondern Ausdruck der Cuvée an sich. Deshalb denke ich, dass dieser jahrgangslose Champagner genug Rückgrat hat, um ein paar Jährchen in der Flasche zu überstehen und in dieser Zeit ein Flaschenbouquet zu entwickeln, das unabhängig von Primärnoten einen schönen Champagner abgibt.

Dann geht es in das Massif St. Thierry, wo Selosseschüler Alexandre Chartogne wartet

5. Chartogne-Taillet, Cuvée Sainte-Anne

60CH 40PN, Basisjahrgang 2006 mit 20% Reservewein aus 2005 und 2004.

Dieser Standard-Brut gehört zu den kräftigeren, herberen Winzerchampagnern. Hier überwiegt nicht der Eindruck von überirdischer Leichtigkeit, sondern der von sorgfältigem Winzerhandwerk. So wie ich beim Fiacre die hervorragende Vermählung und sahnige Weichheit schätze, finde ich bei dieser Eingangscuvée die softe Dominanz der etwas herben Spätburgunder gegenüber der nicht quirligen, aber den Eindruck von Beweglichkeit vermittelnden Chardonnays gelungen. Wie ein schwimmendes Fundament legt sich der Chardonnay auf die Zunge und lässt darauf ein schnörkel- aber nicht schmuckloses Burgunderaromenbauwerk seinen Halt finden.

Vom Massif herunter Richtung Marne stoßen wir auf

6. Jean-Francois Launay, Cuvée Grain de Folie

Winzer aus Arthy, einem Örtchen in der Vallée de la Marne, in Richtung Paris direkt hinter Daméry gelegen.

Die Cuvée fällt zunächst wegen ihrer Aufmachung ins Auge, ganz im Stil beispielsweise der Belle-Epoque trägt sie nicht nur ein schnödes Etikett, sondern ist mit einer Teilrückenansicht einer Art-Déco-Schönen serigraphiert, die ein lächerlich kleines Champagnergläschen genießerisch in der Hand und gegen einen traubenüberrankten Hintergrund hält. Das ließ mich einen femininen, leichten, aufgrund seiner Herkunft meunierfruchtigen Champagner erwarten, doch das Exterieur täuscht. Im Glas war der Champagner garconnemäßig rank und drahtig, von einer listig wirkenden Art. Die schlanke Säure wirkte durchdringend und beinahe stechend, wie der Blick des tuberkulosegeschwächten Etikettenzeitgenossen Franz Kafka. Das überraschte mich und ich brauchte einige Zeit, um mich damit anzufreunden. Bis zum Schluss wurde der Champagner in kleinen Schritten besser, ein abschließendes Urteil habe ich mir aber nicht bilden können. Werde ich im Auge behalten.

Etwas abseits ist in Chalons-en-Champagne eines der am wenigsten bekannten großen Häuser beheimatet. In Châlons machte die französische Königsfamilie auf der Flucht vor den Revolutionären kurz Halt und ließ sich wenige Kilometer weiter östlich in St. Menehould der Legende nach noch ein letztes mal die berühmten Schweinsfüsse servieren – so erzählt es uns jedenfalls Alexandre Dumas in seinem Grand Dictionnaire de la Cuisine

7. Joseph Perrier, Cuvée Royale

35CH 35PN 30PM, drei Jahre Hefelager. Reservewein teilweise im 600l-Holzfass.

Mittelschwerer Wein, leider hatte ich ihn etwas zu warm im Glas. Die Trauben kommen ganz überwiegend aus der Vallée de la Marne. Minimale, an manche nicht ganz so gute Winzerchampagner erinnernde Chlornote, sonst fruchtig mit mineralischem Beiwerk, ausgeglichene Aromatik von noch jungem Champagner, fest in der Struktur, mit Flaschenreife sicher noch interessanter und ganz sicher ein guter Begleiter für Pieds de Cochon a la Sainte-Menehould.

Zu guter Letzt darf es auf dem Rückweg nach Epernay einer der schönen Einzellagenchampagner von Leclerc-Briant sein,

8. Leclerc-Briant Blanc de Blancs "La Croisette"

Biodynamischer Chardonnay aus der nach Osten ausgerichteten Einzellage La Croisette (0,37 ha). Sympathisches Detail: am hochwertigen Korkspiegel lacht die biodynamische Leclerc-Briant-Sonne samt Erzeugernamen an Stelle des immer gleichen "Grand Vin de Champagne" Schriftzugs.

Der Champagner ist ein stürmischer Geselle. Ideale Optik für Perlagefreaks, im ganzen Glas wild spiralige und feine Perlenketten. Beginnt mit verhaltener leicht mürber Apfel-Aprikosennase und rennt dann los. Überwiegend gelbfruchtig, nicht mit überschiessender Säure, vollreif, etwas exotisch. lustiges Zigeunermoll. Ein Champagner, dessen Herkunft aus dem Rotweinörtchen Cumières sich an der orientalisch-exotischen nicht schwabbeligen, aber gegenüber Côte des Blancs Chardonnays etwas fetteren Aromatik festmachen lässt.

Am Kamin und unter Bäumen – Mülheim/Ruhr: Restaurant am Kamin

 

Das Restaurant "Am Kamin" ist ursprünglich das Forsthaus der größten westdeutschen Baumschule gewesen und wird seit nunmehr 50 Jahren als Restaurant betrieben. Seit 1992 hat Heike Nöthel-Stöckmann die Leitung inne und übernimmt die Funktion der sprechenden Weinkarte. Nach ihrer Zeit im Aachener Gala, in Davos und im Düsseldorfer Hummerstübchen hat sie den Betrieb von ihren Eltern übernommen. Ehemann Hermann Stöckmann von smartwine sorgt für den Weinzufluss, wobei der Schwerpunkt bei biologisch-nachhaltig, bzw. biodynamisch erzeugten Weinen liegt. Fred Loimer, Gernot Heinrich, Foradori, Fonterutoli und Alvaro Palacios seien stellvertretend genannt, hinzu kommen junge Talente wie Andreas Bender aus Leiwen (mit Rebflächen auch in Hainfeld/Pfalz) und Gut Hermannsberg. Mitten im Winkhausener Wohngebiet liegt das Restaurant in einer idylisschen Mulde mit terrassiertem Außenbereich, von hohen Bäumen schützend umstanden. Im Fachwerkbau ist es urig, vor Weberknechten sollte man sich allerdings nicht fürchten.

Amuse Gueule: Karamellisiertes Schwarzbrotcarpaccio mit Sesam, Pumpernickel mit Kräutercrème, würzige Tomatenwürfel im Teig-Körbchen

dazu: Juve y Camps Reserva de la Familia Brut Natural 2005 en Magnum

40% Macabeo, 45% Parellada, 15% Xarel.lo

Das Etikett der Familienreserve erinnert immer wieder verblüffend an das vom Dom Pérignon, der Inhalt nicht. Was von manchem mittlerweile schon als Gütehinweis verstanden wird. Jedenfalls hatte ich mit der Familienreserve von Juve y Camps bisher noch nicht so viele Ausfaller und Flaschenvarianzen, wie mit dem Zugpferd aus dem Hause Moet et Chandon. Aus der Magnum schmeckt diese Cava am besten, da unterscheidet sie sich wiederum in nichts vom Champagner. Nase, Gaumen- und Gesamteindruck, sind dagegen merklich unterschiedlich, leiden aber nicht unter der Naturdosage. Oft führt der Verzicht auf Zucker im Dosageliqueur zu einem gezehrten, lakritzigen, rapsigen und an Unkraut erinnernden Geschmack, nicht so hier. Das ist jedes Mal ein Pluspunkt für diese Cava, die sich auch sonst entgegenkommend, schmackhaft, einigermaßen komplex und mittellang zeigt. Mit karamellisierten Aromen hat sie freilich einige Probleme, Sesam, Pumpernickel, Kräutercrème und Tomate hat sie hingegen angenehm umspült.

I. Frische Steinpilzpfanne mit Salatbouquet

dazu: Bender, Riesling, Mosel, 2009

Die Steinpilze waren aromatisch, bissfest, adäquat gewürzt und insbesondere nicht versalzen, hätten aber etwas größer geschnitten sein können. Der leichte, moseltypische Bender-Riesling passte gut dazu und war mit seiner fruchtig-schmelzigen Art ein charmanter Begleiter, der sich dezent im Hintergrund hielt, ohne dabei bedeutungslos zu sein.

II. Weisse Salami-Schaumsuppe

dazu: Bender, Weißburgunder, 2009

Das weiße Schaumsüppchen war ausgewogen, milchig, sämig und hatte nur einen Hauch von der Salami abbekommen, was mir anfangs zu wenig erschien, sich gegen Ende jedoch als richtig dosiert herausstellte. Mit jedem Löffel summierte sich nämlich der minimal räucherige Salamigeschmack am Gaumen und hätte tatsächlich nicht viel stärker sein dürfen. Der wieder sehr leichte Weißburgunder von Bender passte auch zu dieser Speise gut, da er eine verwandte Bauart zeigte.

III. Wildkräutersalat

dazu: von Racknitz, Vulkanfelsen, 2008

Von Wildkräutern war nicht viel zu sehen, Blattsalat, Rucola, Feldsalat, Löwenzahn wird es gewesen sein, dazu ein paar Schnittlauchstangen. Da gibt es deutlich mehr an Wildkräutern auf dem Markt und genau das war auch die Erwartungshaltung. Wenigstens Taubnessel, Giersch, Portulak, Spitzwegerich und Brunnenkresse hätte ich mir vorgestellt. Dafür war der Vulkanfelsen von Racknitz gut wie stets.

IV. Tomatentartar

dazu: di Leonardo, Sauvignon Blanc, 2008

Auch nicht sehr beeindruckend war das Tomatentatar, das einem kalten Bruschetta-Belag glich. Schlecht war es nicht, die Tomaten waren reif und aromatisch, aber der Pfiff fehlte. Am Wein gab es nicht viel auszusetzen, ein ordentlicher, kontinentaler Sauvignon-Blanc von mittlerem Gewicht, der sich mit den Tomaten gut vertrug.

V. Kaninchen "en papillottes", mit Peperonicoulis, Lavendel und Amarettobrösel

dazu: Alvaro Palacios, Priorat, Terrasses, 2006

Optisch einer der Höhepunkte des Menus und aromatechnisch sehr klug komponiert. Die Teighülle war hauchzart und knusprig, der Inhalt stand im richtigen Mengen- und Geschmacksverhältnis zueinander. Der kleine Wiesenracker hatte zartes, aromatisches Fleisch, das von einer sämigen, schmeichelnden Sauce und saftigem Paprikacoulis umgeben war. Dezent, doch merklich bereichernd waren Lavendel und Amarettobrösel. Dazu war der Priorat gut, weil immer noch in seiner Entwicklungsphase, die sich verändernden Weinaromen bereicherten den Gang zusätzlich, ohne ihn zu überfrachten.

VI. Heidschnuckenwürstchen mit zweierlei Senfcrème

dazu: Alvaro Palacios, Priorat, Terrasses, 2006

Sehr fein waren die Hedschnuckenwürstel. Sehr aromatisch und nicht viel größer als Nürnberger Rostbratwürste, aber gehaltvoll, stimmig gewürzt und pur noch besser, als mit den Fruchtsenfsorten. Dazu passte der letzte Schluck Sauvignon-Blanc noch gut, denn er unterstützte die kräuterige Komponente, dazu passte ebenfalls der Priorat, solange er noch ganz frisch und etwas orientierungslos im Glas war.

VII. Gnocchi mit getrüffelter Gorgonzolasauce

Die Portion kam mir sehr klein vor, was prinzipiell nicht schlimm ist. Nicht sehr froh war ich aber, als ich auch nach gründlicher Suche keinen Trüffelschnipsel finden konnte und deshalb davon ausgehen musste, die Sauce sei lediglich mit Trüffelöl behandelt worden – was mir der Koch nachher bestätigte.

VIII. Geschmorte Ochsenbäckchen mit Topinambur und Vanilleschaum

dazu: Alvaro Palacios, Priorat, Terrasses, 2006

Die Ochsenbäckchen hätten länger geschmort sein müssen, so waren sie zwar zart, aber mir nicht zart und zerfallend genug. Sehr gut waren dagegen die vanillierten Wurzelwürfel, davon hätte ruhig mehr auf dem Teller sein dürfen. Der Priorat lief hier zu bester Form auf und gefiel zum Essen wie solo gleichermaßen. Mittlerweile hatten sich die Aromen einigermaßen sortiert. Zwischen Zwetschge, Bleistift, Schattenmoerelle, Gestein und Beerenobst fand sich noch genügend Platz für abgelagertes Holz, moosige Töne, bereichernde, strukturierende Säure und maßvolles, bereits süsslich wirkendes Tannin.

IX. Wiener Schnitzel mit Speck-Kartoffelsalat

Die Schnitzel-Panade war nicht kross, sondern laff. Auch schien mir das Schnitzel eher dick und klein als platt und gross. Das verwendete Kalbfleisch war allerdings in Ordnung.

X. Mangosorbet im Apfel-Meerrettich-Mus

dazu: Bender, Paulessen, 2009

Das Apfel-Meerrettich-Mus schmeckte ganz genau so, wie man es erwarten durfte. Zwar als Schaum annonciert, war es doch mehr ein Brei, verwob aber die Apfelfrucht untrennbar mit der würzigen Schärfe vom Meerrettich. Die wirkte konziliant und schien zunächst nicht lange vorzuhalten, kam aber doch hintenrum zum tragen. Das war jeweils der Moment, indem man ein bisschen Mangosorbet nachführen musste, um die sich entwickelnde Schärfe in exotischem Fruchtaroma einzuwickeln. Der Bender-Wein war dazu eindeutig zu mild. Solo sicher ein angenehmer Moselvertreter, dem Meerrettich aber nicht gewachsen, dem Zusammenspiel von Apfel, Merettich und Mango dann gleich dreimal nicht.

XI. Brownie mit flüssigem Schokokern und weißem Amaretto-Schokoladeneis

dazu: Geheimrat Dr. Wegeler, Kaseler Nies'chen, Riesling Eiswein 1993

Unschuldig wirkte der Brownie, bis man ihn dann anstach und er heisse, flüssige Schokolade aus seinem Inneren entließ. Die vermählte sich schleunigst mit dem weißen Eis, und das auf sehr ansprechende Weise. Dazu konnte man den Eiswein mit viel Freude trinken, mir machte er solo am meisten Spass. In der Farbe konnte man den ohne schlechtes Gewissen auf Anfangneunzigerjahre schätzen, im Duft war er reif, aber noch nicht sehr stark firnig oder petrolig. Frische, leicht vegetabile und kräuterige Noten überwogen in der Nase und im Mund zeigte sich der Wein ausgelassen und tobte mit einer wirbelwindartigen Säure über den Gaumen. Erst zum Ende des langen Nachhalls zeigten sich andeutungsweise Alterserscheinungen in Form einer leichten Buttrigkeit, vermischt mit noch sehr unterwürfigem Kratzen.

Diplomatico Rum Reserva Exclusiva 12 yo, Venezuela

Am Rum habe ich nur geschnuppert, wie ich das bei Spirituosen fast immer mache. Viel Alkohol, etwas Holz, ein schwerer, körperreicher Vertreter seiner Art, mit dunklen, an Früchtebrot, schwarze Schokolade und Rumrosinen erinnernden Aromen.

Runder Burgunder

I. Marc Colin

Die verkosteten Weine stammen noch aus der Zeit lange vor 2005, als zwischen den Geschwistern friedliche Eintracht herrschte und Pierre-Yves Colin noch nicht mit seinen bemerkenswerten Weinen auf eigene Faust für berechtigte und positive Furore sorgte.

1. St. Aubin 1er Cru En Remilly 1999

Warmes, einladendes Schimmern in goldgelbgrün, Hundefellnase, die wenig Platz für andere, vorwiegend pflanzliche Aromen lässt. Flache Säure, mittellang und etwas zu breit geraten.

2. St. Aubin 1er Cru En Remilly 2000

Nur geringfügig schicker und ausdrucksvoller kam mir der 2000er vor. Zu der unangenehmen Hundefellnase gesellten sich Akazie, Honig und eine andeutungsweise saftige, aber doch eher wässrige Fruchtigkeit wie von gelben Pflaumen. Wieder nur wenig Säure.

 

II. Château Fuissé

1. Pouilly-Fuissé 2002

Heu, Butter und Öl.

2. Pouilly-Fuissé Vieilles Vignes 2001

Der deutlich ernstere Wein kam von den alten Reben. Feschere, forderndere Säure, die sich nicht vom ebenfalls vorhandenen Fett an die Wand drücken ließ, herber, griffiger und dichter als der einfache Lagenverschnitt. Gefiel mir.

 

III. Francois Jobard

Wieder ein Winzer, dessen Persönlichkeit sich in den Weinen spiegelt.

1. Meursault La Barre 1999

Zunächst schlug mir Schwefel entgegen, dann kam lange nichts und als ich anfing, mir über den Verlust meiner olfaktorischen Fähigkeiten Gedanken zu machen, bemerkte ich ein stacheliges Pieksen in der Nase, das als gelber Früchtekompott vorstellig wurde. Langsam und mit einer schwer durchschaubaren, hintergündigen Art entschleierte der Wein ein Millefeuille von Mineralgesteinen, das mir sehr gut gefiel und etwas nachdenklich machte.

2. Meursault Poruzot 1999

Femininer, mit einer glyceringesättigten Art, ohne gleich buttertriefend zu sein, war der Poruzot. In der Nase samtig, am Gaumen ähnlich vielschichtig, mittellang und kein Iota fruchtärmer, aber stärker an Kürbis und Sanddorn erinnernd, als der La Barre.

 

IV. Etienne Sauzet

1. Chassagne-Montrachet 2000

Spritig, hitzig, alkoholisch mit scharfer Säure. Überhaupt nicht mein Fall.

2. Puligny-Montrachet 1er Cru Les Combettes 2001

Apfel, Honigmelone, Nashibirne. Saftig, wenngleich etwas hitzig. Kam mir angenehm und reif vor.

 

V. Marquis d'Angerville

1. Meursault 1er Cru Santenots 2001

Sehr leichtfüßig und zart war der Meursault vom Marquis d'Angerville, zarte, etwas parfumiert wirkende Pfirsichnoten, die sich mit steiniger Mineralität die Waage hielten.

2. Pommard 1998 

Sauerkirschen und der Duft von alten Gewürzkisten oder eher -säcken, denn ein trocken-staubiger Duft von alten Fasern vermischt mit dem von schwitzigen Händen war auch dabei. Am Gaumen kräftig, leicht trocknend, nicht uncharmant. Männlicher, nicht ganz ausbalancierter Wein.

3. Volnay 1er Cru Champans 1998 

Etwas hysterische Fruchtsirene, Himbeertötchen, Milchkaffee und Nagellack fiel mir dazu ein und vor meinem inneren Auge entwickelte sich dazu ein corporate wife, das mit Lockenwicklern im Haar und akkubetriebenem Staubsauger in der Hand durch das marmorgeflieste Wohnzimmer saugt.

4. Volnay 1er Cru Champans 2000 

Mehr Volumen und mehr Säure hatte der 2000er Champans. Das war mir dann auch wieder zu viel, denn essigsaure Tonerde wollte ich nicht im Glas haben.

 

VI. Domaine de la Pousse d'Or

1. Santenay 1er Cru Clos Tavannes 2001 

Ein unangenehmes Erlebnis hatte ich mit diesem Wein, dessen erdige Nase zunächst ansprechend wirkte, sich im Mund aber als schlammig und faulig entpuppte. Kaputter Wein. Schade.

2. Pommard 1er Cru Les Jarollières 2000 

Sehr mittelmäßig bis enttäuschend war auch der Jarollières, bei dem die erdige Nase in Richtung Schwefelböckser varriiert wurde. Eintönig und fahl blieb der Wein am Gaumen.

3. Volnay 1er Cru En Caillerets 2000 

Als einziger aus dem Trio hatte dieser Wein einige sympathische Noten, konnte aber mit seiner auf Kirschwasser, Brett und Rahmchampignons konzentrierten Nase nicht sehr hoch mitpunkten.

 

VII. Méo-Camuzet

1. Hautes-Côtes de Nuits Clos St. Philibert Monopole 2001

Brioche, Mandelkerne, Krokant, etwas stinkig. Stumpfe Frucht und spitze Säure. Habe ich auch schonmal besser getrunken.

2. Marsannay 2001 

Dünner, tanniniger Ausdruck ohne nennenswertes Fruchtfleisch. Wie stillgewordene Kirsch-/Beerensaftschorle.

3. Fixin 2002 

Beerig, waldig, kräftig. Gut abgerundete Ecken, die noch vorhandene Säure stützt den Wein von innen her und ich denke, der Wein ist jetzt genau auf den Punkt.

4. Nuits St. Georges 1er Cru Aux Boudots 2000 

Kraftvoll, fest, dicht, aber nicht schwer. Vibrierendes Naturell mit einer belebenden Mischung aus Pfeffer, Paprika und Vanille, die über einige rote Früchte in mild-alkoholische Schärfe übergeht.

 

VIII. Armand Rousseau

Biodynamisch.

1. Gevrey-Chambertin 2000 

Duftig, fein, leicht buttrig, Erdbeeren, Himbeeren, frische Pilze, alles sehr adrett arrangiert, nur im Mund für mich eine Spur zu sauer und vielleicht schon über seinen Höhepunkt hinweg.

2. Clos de la Roche Grand Cru 2000 

Kräftiger, fleischiger, würziger und trotzdem mit derselben Eleganz und Leichtigkeit wie der Gevrey-Chambertin, wirkt auf mich etwas unruhig und entweder noch nicht ganz entwickelt oder schon wieder kurz vor dem Auseinandergehen. Gefiel mir gut.

 

IX. Domaine de la Vougeraie

1. Clos de Vougeot Grand Cru 2000 

In der Nase animalisch, tanninig, herb bis angebrannt und mit Eau de Vie abgelöscht. Im Mund der Eindruck von flüssigem Rauch, Kirschwasser, Kaffee und zahlreichen erdigen Noten.

2. Vougeot 1er Cru Le Clos Blanc de Vougeot Monopole 2000

Sanft, ausgewogen, mit einer Mischung aus gehackten Haselnüssen, Trockenkräutern und eingelegtem grünem Pfeffer. Salbei, Maronen, etwas Minze und am Ende macht sich Sprit bemerkbar. Gefiel mir besser, als der rote Clos de Vougeot.