Back to Top

Category Archives: Champagner

Hier dreht sich alles um Champagner.

Artisan de Champagne: Champagne Doyard, Yannick Doyard

 

 

1. Oeuil de Perdrix 2007

75PN 25CH, der Pinot aus Ay war im Holz, der Chardonnay kennt nur Stahltanks.

Kräftiges, zugpferdartiges Auftreten, leicht gerbend, ungewöhnlich fordernd für einen Wein mit so zarter Farbe, bei dem man eher ein prinzesschenhaftes Schäumerchen erwarten würde, wäre man nicht von den sehr ernt zu nehmenden ODPs anderer Erzeuger hinreichend gewarnt und vorgeprägt. Unter den Champagnern dieses Stils ist der von Doyard trotzdem ein besonders charakteristischer Wein.

2. Cuvée Vendémiaire Blanc de Blancs, dég. November 2011

2006er Ernte zur einen, 2005 und 2004 zur anderen Hälfte, die eine Hälfte der Cuvée wiederum war im Holz, die andere nicht. Keine Bâtonnage, teilweise BSA.

Herzhaft, mit nicht ganz so viel Säure, wie ich es von seinem Vorgängermix in Erinnerung hatte, dafür mit einer etwas öligen Textur, die ich aber nicht unangenehm fand, da sie dem Champagner etwas Gehaltvolles gab und gut zu seinem weichen Eindruck passte.

3. Cuvée de l'An I Blanc de Blancs 2004

Komplett im Fass vinifiziert, reiner Vertuschardonnay.

Mein Favorit von Doyard, merklicher Holzeinfluss, etwas Sauerrahmbutter; die forsche, nach vorn drängende und ungeduldig von vorn zu sich heranziehende Art hat er vom ODP, das retardierende Moment teilt er mit dem Vendémiaire, ohne dessen stärker abbremsenden Extraktreichtum.

Artisan de Champagne: Champagne Dehours & Fils, Jérôme Dehours

 

Jérôme Dehours gehört zu den Winzern mit Solera-Champagner; der Trio S greift auf eine 1998 angelegte reserve perpetuelle zurück. Die drei folgenden Champagner nicht. Das sind Einzellagenchampagner von teilweise vierzig Jahre und älteren Anlagen. Rebsortenrein im Fass gewesen, gibt es sie nur in kleiner Menge, zwischen 2000 und 3000 Flaschen pro Sorte.

1. Lieu-dit Les Genevraux Extra Brut 2005

100PM

Brotig, mit Brie-Rinde, Birne, Rosmarin; noch sehr jung. Saftig, für meine Begriffe etwas eckig und unbeholfen, ich gehe aber davon aus, dass sich das mit etwas Flaschenreife legt.

2. Lieu-dit Maisoncelle Extra Brut 2004

100PN

Kirsche, Aronia, Jod. Weinig, substanzreich und gut. Für mich der unentschiedenste unter den Einzellagenchampagnern von Dehours, oder der mit der größten Schwankungsbreite.

3. Lieu-dit Brisefer Extra Brut (Brut Nature) 2003

100CH

Rassig, räucherig, mit Speck, Kraft und Säure. Wirkt wie drei gleichzeitig gerauchte Mentholzigaretten aus dem Osten Europas nach einem längeren Zeitschwimen. Mein Favorit aus der Einzellagenkollektion von Jérôme Dehours.

Jahrgangsinspektion bei Piper- und Charles Heidsieck (II/II)

Zum Abschluss der Verkostungsreise gab es die gerade erst zur zweiten Gärung in der Flasche angesetzte Assemblage 2011 des Piper Heidsieck Brut und die schon in Flaschen befindliche Assemblage 2010 des Charles Heidsieck, dessen 2011er Assemblage noch nicht endgültig feststeht und deshalb nicht probiert werden konnte. Das, was bei den Vins Clairs an vereinzelten Elementen und Eigenschaften herauszuschmecken war, zeigte sich nun in Summe. Der Geist des kupferrötlicher schimmernden Piper-Heidsieck gegenüber dem des tiefer gelbgoldenen Charles ist mir pikant-würzig vorgekommen, mit Apfel-Zwiebel-Confit, Mangochutney, viel blumigem Dekor und diskreter Säure. Kakaotrüffeliger, schmelziger und feinkörniger war dagegen der Charles, dem seine längere Standzeit natürlich zugute kam. Nahtlos angeknüpft haben wir die fertigen Champagner probiert, zu denen man nach einer solchen Studie ein ganz anderes Verhältnis gewinnt.

Die Champagner:

1. Piper-Heidsieck Brut

An die 100 Crus wandern in den Piperstandard, mit ca. 65% überwiegend Pinot Noir von der Aube und aus der Montagne de Reims. Chardonnay macht 15-20% aus, Pinot Meunier ca. 15%. Der Reserveweinanteil ist nicht so hoch, in der Vergangeheit war dafür auch gar nicht genügend Masse da; er liegt bei etwa 20%. Der Champagner ist fruchtig, entwicklungsfreudig, mit Aromen von Palmiers und Croissant, etwas Birne und nordeuropäischem Obst. Die hochsommerliche Blumennote, die ich bei den Grundweinen immer wieder wahrgenommen habe, fand ich beim Champagner nicht mehr so deutlich, aber immer noch in zarter Ausprägung wieder.

2. Charles Heidsieck Brut

Drittelmix mit ca. 40% nicht nur jungem Reservewein, mit 11 g/l dosiert. Exakt gleiche Vinifikation wie Pipers Standadrbrut und trotzdem ist das Produkt so völlig anders. Toffee, Buttercrème, südliches Obst, Aprikose, Mandelkerne., goldener Toast. Harmonisch, spätsommerlich.

3. Piper-Heidsieck Rare 2002

70CH 30PN, mit 11 g/l dosiert. Brotrinde und Malz treffen gelbe Kiwi und Ananas, torrefaction meets smoothie.

4. Charles Heidsieck Blanc des Millenaires 1995

100CH aus Cramant, Avize, Oger, Le Mesnil-sur-Oger und Vertus, dosiert mit ca. 12 g/l

Die Kulmination des Charles-Stils mit Stoßrichtung Burgund. Haferflocken und Aronia, eine Konditoreiauslage voll süßer Schweinereien, dazu ein erfrischender, die Süße vergessen lassender Schluck Tonic Water mit Yuzu im Hintergrund.

5. Piper-Heidsieck 2004

55PN 15CH 30PM.

Tonisch und athletisch, wie Régis eingangs bei den Montagne-Chardonnays bemerkte. Noch nicht sehr weit entwickelt, schmeckt der Champagner mit seiner milden Weizenkleiearomatik sogar irgendwie gesundheitsfördernd.

6. Charles Heidsieck Brut Vintage 2000

55CH 45PN, dosiert mit ca. 10 g/l.

Nach dem Blanc de Millenaires, der die Konsistenz von Kalbsbries hatte, wirkt der 2000er Vintage wie ein Stück gebratener Kalbsleber. Dichter, intensiver, gedrängter im Aroma, aber auch einseitiger, nicht so wechselspielbegabt. Trotzdem ein schöner Champagner, dessen erfrischender, fast minziger Ausklang überrascht und erfreut.

7. Piper-Heidsieck Brut Sauvage 1982, dég. Anfang der Neunziger

Was Überraschung und Freude betrifft, so hatte Régis mit diesem Schätzchen meinen Nerv genau getroffen. Eine vor kurzem getrunkene Scharzhofberger Spätlese 1991 von Egon Müller hatte dieselbe betörende ménage à trois von Süße, Säure und Firne. Pilz, Eukalyptus, weißer Pfeffer, saftiger Pfeifentabak, in der Ferne etwas Sherry. Wenn man bedenkt, dass dieser Champagner undosiert geblieben ist, damals keinen BSA durchlaufen hat und sich dann heute trotzdem noch so ultrafrisch präsentierte, kann man getrost die immer wieder aufkommenden Bedenken hinsichtlich der Reifefähigkeit von Brut Nature Champagner über Bord werfen und hinter sich lassen.   

Jahrgangsinspektion bei Piper- und Charles Heidsieck (I/II)

Bei Licht betrachtet ist die Grundweinprobiererei in der Champagne eine ziemliche Schinderei, das Zahnfleisch braucht nach einer mehrtägigen Säuretortur, wie sie jedes Frühjahr über Wochen hinweg unausweichlich ist, Wochen, um den ursprünglichen Stand wieder zu erreichen, vom Zahnschmelz ganz zu schweigen. Vin Clair schmeckt oft weder zauberhaft noch mystisch, oder lässt den ungeübten Betrachter gar einen Blick in die Zukunft werfen; mit dem Glaskugelblick hat ein Schluck Vin Clair vielleicht die teils noch milchige Farbgebung gemeinsam, oder den beißenden, schwefligen Geruch abgenutzter Jahrmarktgauklereien, Kinder und Tiere meiden ihn deshalb instinktiv. Trotzdem kommt es einem Privileg gleich, einen Blick in die Kinderkrippe des Champagners werfen zu dürfen und der schlummernden Säuglingsschar beste Anlagen zu- oder abzusprechen. Nach einem Verkostungstriathlon über drei Tage, bei dem die überragende Mehrzahl der fünfzig besten, in Frankreich und weltweit höchstgehandelten Winzerstars und -sternchen ihre 2011er und aktuellen Experimente vorstellten, habe ich den Blick zur Abwechslung und auf Einladung von Piper- und Charles Heidsieck in die dortige Gärküche geworfen. Régis Camus und Christian Holthausen empfingen in den noch gar nicht so alten Räumlichkeiten der Schwesterhäuser Piper- und Charles Heidsieck vor den Toren von Reims, unweit der ähnlich zweckdienlichen Anlage von Bruno Paillard.

Kellermeister sind eine sehr eigene Sorte Mensch. Oft eher nach innen gewandt, als persönlich geltungssüchtig, verstehen es die meisten von ihnen, mit dem Medienrummel, der von ihren Arbeitgebern entfacht oder befeuert wird, stoisch bis professionell umzugehen, ohne sich allzusehr mit den ihr Produkt bereffenden Werbeaussagen zu identifizieren, denn wenn überhaupt dann müsste ja umgekehrt ein Schuh draus werden, d.h. die Werbeaussage und im Idealfall die Medienberichterstattung müsste das, was der Kellermeister geplant und – natürlich bei den großen Häusern nicht aus alleiniger eigener Machtvollkommenheit, aber immerhin mit der ihm zukommenden natürlichen Autorität zumindest salviert – in die Welt entlassen hat, möglichst ohne Übertragungsverluste als das identifizieren, was es eben nach seiner Vorstellung sein soll. Und genau da drückt der Schuh am meisten. Die lautesten Krakeeler sind dabei die, die sich für ein Produkt starkmachen und ins Zeug werfen, das nach Möglichkeit ohne Marketingschiebereien auskommen soll, also für sich selbst steht und überzeugt. Dass das selbst beim marketingversauten Nischen- und meistmissverstandenden Luxusgetränk Champagner funktioniert, wird vor allem in Stunden, wie ich sie in Reims verbracht habe, klar.

Régis Camus, der vom Decanter so oft zum Sparkling Winemaker of the Year gekürt wurde, wie niemand anders sonst, erwies sich einmal mehr als aufgebuffter Didaktiker, nachdem er so oder so, wie bekanntermaßen alle großen Kellermeister der Champagne, über ein richtiggehend napoleonisches Strategieempfinden verfügt. Was man darüber und folglich über Piper- und Charles Heidsieck wissen muss, ist dabei weniger, dass beide eine glanzvolle Geschichte haben und, dies als echter geldwerter Tip, dass es sich unbedingt lohnt, alte Jahrgänge und sogar alte (d.h. vor Anfang der Achtziger) jahrgangslose Flaschen von beiden Häusern stets zu kaufen, wenn der Füllstand einigermaßen vertrauenerweckend ist; viel wichtiger ist die jüngere Kellermeister-Geschichte der beiden Häuser. Daniel Thibault, unbestritten einer der größten Kellermeister seiner Zeit, arbeitete wie sein Nachfolger Régis Camus für beide Häuser, sah sich aber nur Charles Heidsieck in puncto Qualität verpflichtet. Für Piper-Heidsieck, wo bis etwa 1991 konsequent der biologische Säureabbau vermieden wurde, blieb bei seiner Arbeit nur der Abfall. Als 1995 die neue Cuverie errichtet wurde, begann sich das langsam zu ändern. Weine werden seither rebsorten- und lagenrein vinifiziert, für Piper-Heidsieck wurde eine Reserveweinreihe eingerichtet. Den Schwerpunkt aller Bemühungen bildete trotzdem Charles Heidsieck. Als 2002 Daniel Thibault verstarb, übernahm Régis Camus das Ruder. Keine leichte Aufgabe. Charles Heidsieck lief, aber auf Kosten von Piper. Die knappen Ressourcen, die für Piper freigemacht werden konnten, nutze Régis klug und begann damit, die Flaschenreife von damals nur 18 Monaten schrittweise zu verlängern und schließlich auf 36 Monate zu verdoppeln. Der Start des unter seiner Führung entstandenen neuen Piper-Heidsieck Champagnes beginnt deshalb eigentlich nicht schon 2002, sondern erst im Jahr 2005. In der Zwischenzeit ist das Reserveweinreservoir größer geworden und die recht verschiedene Stilistik beider Häuser dadurch dauerhaft gesichert. Régis Camus wirkt durch seine Doppelverantwortung auf mich wie ein Musiker, der Geige und Bratsche mit gleichem Gefühl und derselben Virtuosität zu spielen vermag. Was, ganz ohne Bratscherwitz, selten ist.

Unsere Verkostung führte uns den Jahrgang 2011 in allen Farben vor Augen, bevor wir die Reserveweinjahrgänge hinabstiegen bis 1995.

Technisch betrachtet war das Jahr 2011 nicht schlecht, das bestätigten die ersten Schlucke sofort. Die Schwierigkeit des Jahres liegt nicht so sehr in seinem erfreulichen, vergleichsweise eiligen Reifeverlauf, sondern bei der problematischen Ernte. Piper und Charles werden den 2011er Jahrgang deshalb nicht deklarieren. Dafür ist er zu zwiespältig.

Die Chardonnays:

Régis Camus stellte zuerst die drei Säulen des Chardonnays vor, wie sie von ihm gesehen werden. Erst das Sézannais: Frisches Grün in der blumigen, pflanzlichen Grundnotierung, dazu kommen grünliche Obsttöne vom Apfel und sehr reifer Limette und im Gegensatz zur Côte des Blancs wirkt der Chardonnay hier nicht so abyssal mineralisch, sondern sachte und zeitlupenhaft. Villers-Marmery hatte danach einen mineralischen und zugleich belebenden touch, wirkte insgesamt geschlossener und gesetzter als der fruchtige und leichte Chardonnay aus dem Sézannais. Dann schnürten wir wieder etwas weiter runter nach Oger, wo uns Chardonnay von der Statur eines Pinots entgegenkam. Den konnte man ohne Vertun trinken, aber, und da beginnt es wirklich kitzlig zu werden, die Eignung für einen Jahrgangschampagner fehlte ihm nach Meinung von Régis. Das merkte ich erst anhand des zum Vergleich eingeschenkten 2004er Ogerchardonnays, der ebenfalls vom Tisch weg trinkbar, aber eben in allem besser war. So ist das also mit den Jahrgangsweinen in der Champagne, dachte ich mir noch, da erklärte Régis Camus schon, welcher der Chardonnays in welchen Champagner wandern würde. Der runde, feinfruchtige, blumig-elegante Chardonnay geht in den Charles Brut Reserve, weil er so eine delikate und verführerische Art hat, außerdem verwendet Régis ihn wie einen zusätzlichen Meunieranteil. Der Villers-Marmery ist ein klassischer Piper-Chardonnay und nach meiner Auffassung ist er das nicht zuletzt deshalb, weil er den Piper-Stil ohne BSA fortführt, wie Andreas Scholl den Kastratengesang, Régis Camus hält die Montagnechardonnays für reinsortige Athleten, die ihm teilweise etwas zu muskelbepackt vorkommen, aber wenn man das weiß, kann man damit gut arbeiten und am Ende wird darin vielleicht sogar das Geheimnis der Langlebigkeit manche Standardcuvée liegen, die sich zu guten Teilen aus der Montagne bedient; unnötig zu erwähnen, dass ich eine Schwäche für reife Piper-Heidsiecks hege. Der von mir schon für sehr gut gehaltene, aber nunmal nicht jahrgangstaugliche Chardonnay aus Oger wird als Reservewein für Charles dienen. Ok. Das gab mir ein allererstes Gefühl dafür, wie Régis Camus seine Champagner aufbaut.

Die Pinot Noirs:

Unter den großen Kellermeistern ist Régis Camus Aube-Pionier insofern, als er nie mit seiner positiven Meinung über das Aubeterroir hinter dem Berg, sprich der Montagne de Reims gehalten hat (die 2010er Pinots von der Aube gefallen ihm gar besser, als die Grand Crus der Montagne und der Grande Vallée de la Marne). Der von ihm vorgestellte Pinot aus Merville bewies, warum. Vollmundig, nur gegen Ende etwas hitzig, mit rotem Apfel und Himbeersauce, einer Reife und Eleganz, die es ihm nicht schwermachte, an den starken 2004er Oger anzuschließen und besser in der Probenfolge gar nicht hätte platziert werden können. Mächtiger türmte sich dann der Pinot aus Ambonnay auf, Struktur und eine hochklassige Säure, gravitätische Weinigkeit und Frucht, die wie in einer Monstranz zur Schau gestellt wurde. Für einen Jahrgang wäre der sicher geeignet, dachte ich mir, schon etwas vorsichtiger geworden, aber zum einen wusste ich schon, dass es keinen 2011er geben wird, zum andern ahnte ich, dass Régis das Showtalent des Ambonnay nicht überzeugt haben konnte. Wie zur Bestätigung brachte er dann einen 2002er Ambonnay ins Glas, der noch auf der Weinhefe liegt. Honig, Quitte, Schafwolle, Butter, Mandelkerne und das Gefühl, auf einer Landstraße im Burgund zu stehen. Das war also der nächste Hinweis auf das, was nach Régis' Meinuing jahrgangswürdig ist. Registriert. Den abschließenden Pinot aus Ay gand ich hart und etwas malzig, am ehesten erinnerte er mich an belgisches Kirschbier. Bei solchen Assoziationen war mir klar, dass es sich um einen Wein für Piper-Heidsieck handeln müsste, was Régis dann flugs bestätigte, bevor es weiterging.

Die Pinot Meuniers:

Ich will nicht sagen, ohne Meunier ginge es nicht. Man kann Pinot Meunier in seinen Standardbruts gut und gerne weglassen und trotzdem oder gerade dann einen guten Champagner bekommen. Man kann es aber wahrscheinlich leichter haben, Chardonnay und Pinot Noir einander anzunähern, wenn man Meunier als Scharnier, wo nicht Katalysator verwendet. Streng, trocken bis krachend und mönchisch fand ich den Pinot Meunier aus dem Massif St. Thierry, genauer: Merfy. Zwischen exotischer Blumenpracht und exotischem Fruchtaroma balancierte der Meunier aus Jouy-les-Reims. Animierend fand ich das und trank das Glas mit Freude leer. Danach kam der runde, schon sehr entwickelt wirkende Meunier aus Verneuil in der Vallée de la Marne. Dessen erwachsene, aber nicht strenge Art prädestinierte ihn für den Einsatz im Charles Heidsieck. Zum Abschluss der Rebsortengrundweine gab es einen 2004er Verneuil, der mit seiner rahmigen, crèmigen Art sofort meinen Zuspruch fand, aber auch merken ließ, dass da nicht mehr viel kommen dürfte.

Als erstes Schmankerl und wie zur Belohnung gab es dann einen Pinot Noir aus Verzy, 1998er. War der schön. Honig und Leinentuch, reife Süße, ein weingewordenes Idyll und reinste Landliebewerbung.

Es folgte eine Reihe reifer Cramantchardonnays, die sich gut anhand anderer Weingegenden charakterisieren ließ. Der überbordende und extravant fruchtig anmutende 1999er war am ehseten einem Alsace Grand Cru Riesling vergleichbar und hatte eine gewissermaßen schwere Süße, die ihm Bodenhaftung verlieh. Leichter, jugendlicher und schärfer geschliffen wirkte der 1998er, der ebensogut von der Loire hätte kommen können. Weit entwickelt und schon abflachend war der 1997er, einem abbauenden Chablis nicht unähnlich. Nobel und burgundisch war dann der den flight überragende 1996er. Lehrreich war an der Reihe vor allem, wie ausdrucksstark und vielfältig Cramant sein kann, da nimmt es nicht wunder, dass Magier wie Jacques Diebolt sich dort säuisch wohl fühlen und ich bedaure sehr, bei meinem letzten Besuch bei Sugot-Feneuil niemanden angetroffen zu haben.

Terres et Vins de Champagne: Benoit Tarlant

 

Vins Clairs 2011:

BAM (Pinot Blanc-Arbanne-Meslier), vom Sablo-Calcaire aus Oeuilly; Mocque Tonneau (Pinot Noir) vom Calcaire dur aus Celles-les-Condé, der Grundwein für den Vigne Rouge; Chardonnay aus der Lage Crayon, Ausgangsstoff für die Cuvée Louis. Süßsauer wie ein köstliches Asiasüppchen, spaßig und gut war der BAM, was angesichts des ungeliebten Weißburgunders viel bedeuten will. Denn Weißburgunder wirkt beim Champagner auf mich immer wie ein gräßlich entstellter, notdürftig verkleideter Zwerg auf einem ausgelassenen Kindergeburtstag. Beim BAM hatte ich dieses peinliche Gefühl nicht. Mehr Frucht und mehr Schmatz, weniger Quirligkeit hatte der Pinot Noir aus dem Mocque Tonneau. Knorrige, strenge Säure wurde beim Louis-Chardonnay von fröhlich ausgleichender Frucht umtost wie ein Patriarch, der auf dem Familiensommerfest im Kreise seiner tobenden Enkel sitzt.

Champagner:

1. La Vigne d’Or Blanc de Meuniers 2003

Mit 2 g/l dosiert.

Fruchtgeprägt, etwas bärchenhaft und tapsig. Dafür, dass Brut Nature Champagner den Ruf haben, dem Gaumen mit ihrer schneidenden Schärfe und Fokussiertheit ernsthaft verletzungsgefährlich werden zu können, wirkt der Vigne d'Or sehr zahm. Wie ein Bärenbaby, das gern genauso furchterregend brüllen würde wie seine älteren Artgenossen, stattdessen aber eher niedliche Laute macht.

2. La Vigne Rouge Blanc de Noirs 2003

Mit 1 g/l dosiert.

Das eine Gramm wirkt in diesem Champagner zehnfach vergößert, so fruchtig und süß schmeckt er. Dass trotzdem belebende Säure enthalten ist, muss man sich extra aufschreiben, denn nach dem ersten Mundeindruck überwiegt der süße Anteil so sehr, dass man geneigt ist, den Champagner allein daran festzumachen. Ob es beim Namens Vigne Rouge bleiben wird, ist noch unklar; beim Dachverband ist man damit offenbar wegen der Verwechslungsgefahr mit Rotwein nicht einverstanden. Sei's drum. Das ist der massentauglichste, easyeste Wein von Benoit und Melanie Tarlant. Von seiner Entstehung her würdig, das dritte Glied im Bunde der Vigne de … Champagner zu sein und in dieser Form bis auf weiteres einzigartig im Portfolio von Tarlant.

3. Cuvée Louis, dég. à la volée

1998, 1997 und 1996.

Neptun, den Fluten entsteigend. In dieser absoluten Höchstform habe ich die Cuvée Louis noch nicht oft getrunken, denn leider ist der Champagner weder bei den großen noch bei den kleinen Erzeugern frei von Varianzen. Wenn ich aber bedenke, wie wenig dieser Champagner eigentlich kostet und welche Entwicklungskurve er bisher hingelegt hat, ist klar, dass ich mir davon noch schleunigst ein paar Flaschen besorgen werde, möglichst undosiert.

Terres et Vins de Champagne: Fabrice Pouillon

 

 

Von Elodie und Fabrice Pouillon stammt mit dem 2XOZ ein klares Statement für puren Champagner und die stilistische Visitenkarte: Herbe Zitrusnoten, feingestoßenes Kalkmehl und ein hochfloriger Säureteppich. Säure spielt bei den Champagnern von Fabrice Pouillon nicht die tragende Rolle. Bei ihm sind die aromatischen Vermischungen bedeutungsvoller. Das macht die Champagner schwieriger. 

Vins Clairs 2011:

PN Ecueil, Solera 97-11, Rosé de Saignée PN aus Mareuil sur Ay, 12h Standzeit. Sehr detailverliebt herausgearbeitet waren die Stärken der einzelnen Grundweine. Der spontanvergorene Pinot hatte seinen BSA im jungen Barrique hinter sich gebracht, bei 7,65 g/l Säure und pH 3,03 war von ihm natürlich keine Scharfkantigkeit zu erwarten, sondern eine Neigung ins rundliche, die sich als Pillenboxaroma ausdrückte. Der Solera war weich und krautig im Sinne einer Haschzigarette, klebte gar mit seiner Säure am Gaumen. Rotweinig und blumig, mit einem nicht fehlerhaften, sondern pikanten, gamayhaften Pflanzengeschmack präsentierte sich der Rosé.

Champagner:

1. Cuvée du Vigneron

Hälftig PN/CH aus Mareuil-sur-Ay, 50% Jahrgang 2008, 50% Solera 97-07, mit 5 g/l dosiert.

Ein richtiges Zentrum hat der Champagner nicht, Honig, Blüten, Anis, Fenchel, Dill, bewegen sich im Kreis und sind nur schwer zu fassen. Dabei wirkt die Cuvée leicht und unangestrengt.

2. Brut Nature

Hälftig PN/CH aus Einzellage in Mareuil sur Ay, 2006er mit 2005er, spontanvergoren in Eicenfässchen.

Schlank, apfelig-zitronig, mit einer makellosen Fassade. Eine von Juhlin apostrophierte besonders enge Verwandtschaft zum Clos St. Hilaire kann ich nicht erkennen, finde den Champagner aber trotzdem sehr gut und meine, dass er mit etwas Zeit noch deutlich mehr preisgeben wird, als jetzt. Immerhin muss man bedenken, dass der Clos St. Hilaire aktuell beim 1998er Jahrgang steht, der Mareuil Brut Nature aber schon beim 2006er angekommen ist und daher bei weitem noch nicht so ausgefaltet sein kann.

3. Chardonnay Extra Brut

Hälftig Le Mesnil/Aÿ 2003, mit 3 g/l dosiert

Weit entwickelt, mit einer anoxidierten Nase. In dem vollmundigen Champagner trifft Kreidebodenmineralität aus Le Mesnil auf orientalische Dicklichkeit und verwöhntes Fett aus Ay. Wenig Säure, leicht überreife Süße.  

Artisan de Champagne: Champagne Pierre Gerbais, Pascal Gerbais

 

 

Aube. Stahltank. Weißburgunder. Pascal Gerbais verfügt über einen für Champagnerverhältnisse gewaltigen Bestand – alter! – Weißburgunder, gepflanzt 1904.

1. Cuvée de Réserve

60PN 40CH, 2008er Basis, mit 5 g/l dosiert.

Aus dem als plumper Bauerntrunk verkleideten Champagner wird mit etwas Luft der reinste Roadrunner. Verblüffende Mischung aus gekonnter Knackigkeit und moderater Komplexität mit langem Untehaltungswert.

2. N.N. Zéro Dosage

100PN, 2008er Ernte, 11 mg/L Schwefel total.

Eindimensional, hart und kurz. Wirkt auf mich nicht offensichtlich fehlerhaft, insbesondere nicht korkig, sondern einfach nicht sehr gelungen.

3. L'Originale Les Proies

100Pinot Blanc, 2007er Ernte, mit 5 g/l dosiert.

Pascal Gerbais hat 4ha mit Pinot Blanc, das sind ziemlich genau 4% des Gesamtrebbesitzes dieser Rebsorte in der Champagne, die sich damit in seinen Händen befinden. Räucherspeck, Leberwurst, Apfel-Zwiebel-Stückchen. Nicht sehr lang, stark raumfordernd im Mund und sättigend.

4. Rosé

Assemblage aus Cuvée de Réserve und 12% Coteaux Champenois Rouge, mit 8 g/l dosiert. Unmittelbar nach der prise de mousse Lagerung sur pointe.

Der Aufwand lohnt sich. Der Rosé ist meiner Meinung nach Pascal Gerbais' bester Champagner. Buttrig, weinig, mit rotfruchtigen Noten, wie beim Abendbrot in Juan-les-Pins, wo ich als Austauschschüler gern den einfachen Roten mit ein paar reingeschnittenen Nektarinenspalten verzehrt habe, bevor es zur weiteren Abendgestaltung an den Strand oder auch mal nach Antibes hinein ging.

Terres et Vins de Champagne: Olivier Paulet

 

 

Vins Clairs:

Der Mann, der ein bisschen aussieht, wie ich mir den frühen Dolph Lundgren vorstelle, servierte drei eigentümlich gute Vins Clairs, die Lust auf mehr machten. Die 2009er Assemblage aus 50PM 25CH 25PN, 2010er Meunier von alten Reben aus der Lage Champs à l’Eau ohne Malo im Stahltank vergoren und 2010er Chardonnay aus dem Stahltank.

Champagner:

1. Brut Tradition Premier Cru Extra Brut

50PM 25PN 25CH, mit 4,5 g/l dosiert

Als hätte er meine Bemerkungen zu den im letzten Jahr verkosteten Champagnern gehört und ernstgenommen, war der diesjährige Brut Tradition nicht mehr mit 7, sondern mit viel gesünderen 4,5 g/l dosiert und schmeckte gleich viel besser, entschlackter und fitter.

2. Mazerationsrosé 2004

80CH 20PM, drei Tage auf der Maische, mit 6,5 g/l dosiert.

Kräftig obstig in Nase und Mund, mit 6,5 g/l wieder gefährlich nahe an der Überzuckerung. Die Rettung heisst: gut gekühlt zum Essen servieren oder etwas einfältige Frauen damit betören.

3. Cuvée Risleus, dégorgiert im September 2009

47CH 20PN 33PM, 2001er, ohne BSA, 1/3 bâtonnage; ungeschönt, ungefiltert.

Noch immer mein Lieblingschampagner aus dem Hause Paulet. Kaffee, Kondensmilch, Schoko, rote Äpfel, gebratene Pfifferlinge und Steinpilze, dazu sehr feine Röstnoten vom Holz.

Terres et Vins de Champagne: Franck Pascal

 

 

Vins Clairs 2011:

62,5PN + 37,5CH sur silex et meulière, PN Marnocalcaire aus dem Barrique , PM sur argiles à calcaires durs aus dem Barrique.

Champagner:

1. Reliance Brut Nature

60PN 25CH 15PM, 2007er Basis.

Der Vorgänger des Reliance hieß Sagesse und basierte auf dem 2006er Jahrgang, war noch ganz anders gestrickt, mit einem viel höheren Meunieranteil und nur 5% Chardonnay, weshalb er kaum Säure ins Spiel geben konnte. So unterschiedlich die Cuvées, so ähnlich sind sie sich in ihrer frühesten Jugend. Der alte Sagesse und der jetzige Reliance sind beide hart und unzugänglich, richtig viel Säure ist mir hier wieder nicht aufgefallen, wir werden sehen, ob sich der Reliance als seines Namens würdig erweis und sich ebenso zuverlässig schön öffnet wie sein Vorläufer.

2. Harmonie Extra Brut 2004

50PM 50PN.

Dieser ambitionierte Blanc de Noirs spielte mit den fruchtigen Komponenten beider Rebsorten. Das leichtfruchtige, exotische Element kam vom Meunier, die dunklen, tiefaromatischen heimischen Fruchtaromen ordne ich dem Pinot Noir zu. Beide fanden sich gut zusammen, wobei der Meuieranteil dem Champagner eine ihn bestimmende Leichtigkeit gab.

3. Quint-essence Extra Brut 2004

Die Quint-essence 2004 begegnete mir mal ausgelassen bis irr, mal gemäßigt und fast bieder. So gefiel sie mir übrigens besser. Und so macht sie scheinbar weiter. Bei meiner letzten Verkostung war sie schon rundlich und gesetzt, hatte einen ganzen Sack voller Essenzen und Extrakte dabei, der bedachtsam geöffnet und geleert werden will. Gerade ist Preiselbeerkompott dran und sei es, weil ich zu der Zeit gerade Hunger hatte, ich meine, es ist auch etwas Camembert zu erschnuppern.  

Terres et Vins de Champagne: Dominique Moreau

 

Vins Clairs 2011:

Das jüngste Mitglied der Winzertruppe der Terres et Vins de Champagne ist die zierliche Dominique Moreau aus Polisot an der Aube. Seit 2000 bewirtschaftet sie biodynamisch die 2,5 überwiegend mit Pinot und nur zu 10% mit Chardonnay – jeweils aus sélection massale – bepflanzten Hektar des nach ihrer Großmutter benannten Betriebs. Jungfernjahrgang war 2005. Die Vins Clairs für Résonance, Efflorescence, Eloquence habe ich probieren können. Die beiden ersten sind reine Pinot Noirs, der Vin Clair für die Efflorescence wurde nicht geschwefelt, hat aber einen langen biologischen Säureabbau hinter sich, Eloquence ist ein reinsortiger Chardonnay aus den Jahren 2011 (53%) und 2010 (47%).

Champagner:

Während einer Tour durch die Weinberge habe ich die Efflorescence von Dominique Moreau zu gegrillten Boudin Blanc und Boudin Noir, Gougères und Schweinebauch probiert. Herrlich. So schlank der zartapfelblütenduftende Champagner wirkt, so hemmungslos genussfreudig zeigt er sich zu den rustikalen Köstlichkeiten vom Grill. Wer skandinavisches Alu- und Stahlinterieur schätzt, die dänische und schwedische Formensprache mag, im Urlaub eine Mischung aus Städtetrip und Saunablockhütte in der Einsamkeit pflegt, ist bei Marie-Courtin bestens aufgehoben.

1. Eloquence Brut Nature 2008

100CH, Holzfassvinifikation.

Energiegeladen und drahtig, feminin, aber nicht damenhaft, entspricht ein wenig der Macherin selbst.

2. Résonance Brut Nature 2009

100PN, Stahltank.

Stark, rein, von schneidender Klarheit, die sich bis zum lupenreinen finish hält.

3. Résonance Brut Nature 2009 ungeschwefelt

Kann mit der geschwefelten Version nicht mithalten und wirkt lascher, nicht so risikofreudig, irgendwie ärmer und zum Schluss nicht klar, sondern nur wässrig.