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Category Archives: Champagner

Hier dreht sich alles um Champagner.

Terroirs et Talents: Champagne Aspasie Vignobles Ariston und Maxime Blin

 

Vallée de l'Ardre und Massif St. Thierry. Räumlich trennen die beiden Nester Brouillet in der Vallée de l'Ardre und Trigny im Massif ca. 20 km, Grund genug, zwei ihrer Winzer aufeinanderfolgend zu probieren, was besonders einfach ist, wenn die beiden nur wenige Meter voneinader ihr Probierstanderl aufgebaut haben.

I. Champagne Aspasie Vignobles Ariston Père et Fils

Die Champagner von Aspasie sind alle relativ leicht, eher fruchtig und waren früher für meinen Geschmack zu sehr an den Stil großer Häuser angelehnt, will sagen zu süß. Das mit der Süße hat sich gelegt und mit dem zuerst verkosteten Cepages d'Antan gibt sich Aspasie sogar ziemlich innovativ.

1. Cépages d'Antan

40 Petit Meslier 40 Arbane 20 Pinot Blanc, mit 6 g/l dosiert

Die Rebanlage ist ca. 15 Jahre alt, gehört also nicht zu den uralt-wiederentdeckten, sondern wurde, als das Thema vergessene Rebsorten in der Champagne aufkam, eigens angepflanzt. Von dieser Cuvée habe ich den 2011er Grundwein probiert, der nussig und leicht salzig rüberkommt, Erdnussbutter mag eine Rolle spielen, eine schlanke Säure kommt noch dazu und gibt dem Wein einen ansehnliche, schlanke Figur. Brav und sektig ist der fertige Champagner, der Weißburgunder (meiner Meinung nach) steuert eine rapsige Note bei, die ich nicht mag. Um zu den Namensvettern von Tarlant (Vignes d'Antan) und Bérèche (Reflets d'Antan) aufzuschließen, ist mehr Wagemut erforderlich.

2. Blanc de Blancs

Der 2011er Chardonnaygrundwein ist leicht rauchig, die Säure nur mäßig aggressiv, weshalb man ihn gut trinken kann. Dem fertigen Champagner fehlt die Säure dann aber merklich. Mir war er zu zahm.

3. Brut Millesime 2007

Drittelmix.

Erwartungsgemäß ist der 2007er Jahrgang von Aspasie nichts für Freunde extremer Zuspitzung. Säurearm, mit einer noch sehr primärfruchtigen, bananigen und metallisch unterlegten Art. Ein paar Muskeln kann der sonst gut gerundete Champagner spielen lassen, von den drei verkosteten ist er der kraftvollste, bekömmlich sind sie alle.

 

II. Champagne Maxime Blin

Von den Jahrgängen aus dem Hause Blin war ich bis jetzt immer am meisten angetan, die jahrgangslosen Geschichten kenne ich nicht so gut. Mit guten 9 g/l sind die Blin-Champagner dosiert, das ist in Zeiten der sich immer weiter ausbreitenden Extra- und Ultra Brut Champagner richtig viel. Ob es zu viel ist? Das sehen wir sogleich.

1. Brut Carte Blanche

80PM 20PN

Rund, fruchtig und etwas einfach gestrickt, mürbe und leicht brotig. Den Eindruck zu hoher Süße hatte ich nicht, was mir fehlte, waren Feinheit und Komplexität.

2. Cuvée Maxime Blin

Drittelmix.

Der 2011er Grundwein dieser Cuvée hatte einen ganz ansprechenden, für die Region nicht untypischen Fruchtcharakter, der in Richtung Blutorange und Nektarine geht und sich hier in rundlicher Form zeigte. Was beim Grundwein schön ist und schmeckt, rächt sich dann im fertigen Champagner als zu lahm. Ich kenne natürlich nicht den Grundwein der hier zugrunde lag, kann mir aber vorstellen, dass er ähnlich sanftmütig war. Die Cuvée Maxime Blin würde mehr Druck beim Grundwein sicher danken.

3. Rosé d'Assemblage

100 PN, davon zwischen 14 – 18% roter Coteaux Champenois

Beim Rosé könnte diese Rechnung aufgegangen sein. Der 2011er Grundwein war wie mit Bühnen Make-up etwas zu dick geschminkt, holzig, mit viel Mandel und Marzipan, charakterlich ein Rotwein. Wenn der Grundwein für den jetzt probierten Rosé von gleicher Art war, sollte Maxime diesen Weg weiter verfolgen. Kraftvoll, nicht allzu fruchtig, seriös und weinig. Für den Solospass etwas zu ernst, als Essenspartner darf man ihn nicht überschätzen. Am besten dürften Ziegenkäse, Blätterteigspeisen und helle, gebundene Saucen dazu korrespondieren.   

Fine Signatures: Champagne Déhu Père & Fils

Unter dem Namen Fine Signatures haben sich einige Familienbetriebe aus dem Marnetal zusammengetan, um ihre Exportaktivitäten zu bündeln. Bislang haben die einzelnen Betriebe schlecht und recht vor Ort vermarktet. Deshalb sind die wenigsten von ihnen dem deutschen Publikum bekannt. Champagne Déhu aus dem innerhalb der Champagne zugegeben etwas entlegenen Fossoy zum Beispiel. Bei Champagne Dehu tut sich einiges. Regelmäßige Champagnefahrer kennen den Erzeuger vielleicht aus dem Lädchen C-Comme, wo er oft auf der Karte steht und wo ich die ordentlichen Champagner von Benoit Dehu schon paarmal getrunken habe, ohne mir große Gedanken darüber zu machen. Das hat sich geändert. Ganz bewusst habe ich die gamme von Déhu geschlossen auf der ProWein probiert. Dort erfuhr ich unter anderen, dass der Betrieb sich gerade von Ecocert zertifizieren lässt und sich im ersten Jahr der Konversion befindet. Künftig will Benoit außerdem verstärkt mit Eichenfässern arbeiten. Was die betrifft, ist er in einer glücklichen Lage: zum Weingut gehört ein Wäldchen, aus dem er zehn 100 bis 150 Jahre alte Eichen schlagen lassen konnte, deren Holz die nächsten Jahre trocknet und von Denis Saint Arroman von der Tonnelerie de Champagne zu Fässern mit einem Fassungsvermögen zwischen 228 und 300 l verarbeitet wird. Ein anderer Schwerpunkt wird sich bei der Konzentration auf die Meuniertraube ergeben, ein folgerichtiger Schritt, dessen Resultat ich gern erwarte. Sehr gut: Das Dégorgierdatum wird stets angegeben, ein QR-Code auf dem Rückenetikett führt zur Website des Erzeugers.

1. Brut Tradition NV

75PM 15CH 10PN, kalte Mostvorklärung, im Stahltank temperaturkontrolliert vergoren, BSA, drei Jahre Hefelager, mit 9,5 g/l dosiert.

Leichter, einfacher Champagner mit überwiegend exotischer Frucht und einem leichten Nussanklang, ohne störenden Brotton, der manche meunierdominierten Champagner mangels Gegengewicht runterzieht.

2. Extra Brut Tradition

75PM 15CH 10PN, kalte Mostvorklärung, im Stahltank temperaturkontrolliert vergoren, BSA, drei Jahre Hefelager, mit 4,5 g/l dosiert.

Erwartungsgemäß dichter, in der Nase nicht so offen und mit einem kargeren Naturell, dafür druckvoller und präsenter am Gaumen.

3. Grande Réserve

71PM 24CH 5PN, kalte Mostvorklärung, im Stahltank temperaturkontrolliert vergoren, BSA, fünf Jahre Hefelager, mit 9,5 g/l dosiert.

Komplexer als der Brut Tradition, mit dem Gewicht und dem Druck des Extra Brut, ein gut vorbereiteter und klarer Schritt nach oben, der das Portfolio stimmig wirken lässt.

4. Rosé Prestige

82PM 18CH 17% Rotweinzugabe (PM > PN), kalte Mostvorklärung, im Stahltank temperaturkontrolliert vergoren, BSA, drei Jahre Hefelager, mit 9,5 g/l dosiert.

Der Rosé ist etwas simpel und für mich zu ausdruckslos, ich halte ihm zugute, dass er keinen Sahnebonbongeschmack am Gaumen zurücklässt, sondern eine fruchtige Säure, die sich etwas ungeeint zeigt, wie rote Johannisbeeren auf einem deutlich süßeren Erdbeersorbet.

5. Millésime 2000

68PM 17CH 15PN, kalte Mostvorklärung, im Stahltank temperaturkontrolliert vergoren, BSA, zehn Jahre Hefelager, mit 9,5 g/l dosiert.

Das ist der Grund meiner Begeisterung. Plötzlich öffnet sich das Tor in eine andere Welt, vom beschaulichen Winzerchampagner in die Welt der großen Cuvées – und das aus einem solchen Mickerjahr. Röstig und toastig, Honig, sehr viel bequeme Weite, ein großzügiger, weltmännischer Champagner, wie ich ihn bei Deutz, Henriot, Philipponnat oder Charles Heidsieck erwartet hätte. Auf die anderen Jahrgänge von Déhu werde ich fortan ein Auge haben, das ist gewiss.

6. Cuvée Léon Lhermitte

66PM 24CH 10PN, 2004er Basis; kalte Mostvorklärung, im Stahltank temperaturkontrolliert vergoren, BSA, sechs Jahre Hefelager, mit 9,5 g/l dosiert.

Straffer, jünger, griffiger als der überraschende 2000er. Wenn er in drei bis fünf Jahren sein ganzes Reifepotential genutzt hat, wird er sicher noch beeindruckender, komplexer und vielstimmiger sein, als der 2000er.

7. Blanc de Blancs

2009er Basis, kalte Mostvorklärung, im Stahltank temperaturkontrolliert vergoren, BSA, drei Jahre Hefelager, mit 9,5 g/l dosiert.

Exotisch und vegetabil, ein Spektrum von Maracuja über Waldmeister bis zum grünen Spargel. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man diesen Champagner unbedingt benötigt, oder ob die Chardonnays nicht doch besser in den bisherigen Cuvées aufgehoben gewesen wären. Immerhin schmeckt er nicht schlecht, für das Marnetal darf er sogar als gelungen gelten, im Vergleich mit den Klassikern der Côte des Blancs wird er es aber schwer haben. Andererseits: von dort gibt es genügend mittelmäßige Chardonnays, die wenig bis überhaupt keine Freude bereiten, warum dann nicht einen Exoten wie diesen hier aufziehen?

Brut, Extra Brut, Brut Nature – Ein Querschnitt

Jedes Jahr aufs Neue stellt sich Sascha Speicher vom Meininger-Verlag der champagnerdurstigen Meute. Jedes Jahr mit einem neuen Thema und den dazu passenden Champagnern. Dieses Jahr ging es um das Trendthema Dosage. Trendy ist momentan eine besonders niedrige Dosage. Die Champenois wären aber nicht sie selbst, wenn sie diese Entwicklung nicht zumindest teilweise hinter einem Schleier der Ungewissheit verhüllten. Nicht wenige Erzeuger nämlich geben Brut an, wo ein Extra Brut oder sogar Brut Zéro die Verhältnisse besser beschriebe; und lassen so den Kunden im Unklaren über die wahren Dosageverhältnisse. Während das Pendel gerade in Richtung besonders karger, mineralischer und naturbelassener Champagner ausschlägt, ist die Gegenbewegung natürlich absehbar. Im Stillen entsinnen sich bereits jetzt immer mehr vor allem große Häuser ihrer einstmaligen süßen Cuvées und relaunchen ohne großes Tamtam fluffig ausgepolsterte Champagner, die eine alte Schwäche des Champagners ausmerzen helfen könnten, nämlich die Begleitung von Süßspeisen. Mit Veuve Clicquots Rich, Louis Roederers Demi-Sec, Abel-Jobards Doux oder dem ausgefallenen Doyard La Libertine muss man selbstverständlich nicht unbedingt Speisen begleiten, man kann damit auch einfach nur im Überfluss schwelgen. Für die Champagne erschließt sich mit diesem Typus vielleicht sogar noch eine weitere, völlig neue Käuferschicht, wer weiß. Zurück zur ProWein und zu Sascha Speichers Probe, in deren Verlauf noch ein anderer Aspekt erkennbar wurde: das abnehmende Dosagebedürfnis lange auf der Hefe gereifter Champagner. An dieser Stelle will ich gerne Volker Raumland ins Spiel bringen, der das als einer der wenigen deutschen Sekterzeuger erkannt hat und ganz offensiv danach handelt. Seine Sekte sind kurz nach der ersten Marktfreigabe etwas höher dosiert, als spätere Dégorgements, wie er mir vor Jahren schon verriet.
 

1. A.R. Lenoble Brut Nature

2007er Basiswein

Die Champagner von Lenoble trifft man seit Jahren immer wieder in deutschen Sommelierkreisen an. Das liegt an der kreglen Marketingarbeit des mittelgroßen Erzeugers, an den schmerzlos bezahlbaren Preisen, dem breitgefächerten Portfolio von Grand Cru bis Millésime, Blanc de Blancs bis Blanc de Noirs etc. pp. und der durchgehend stabilen Qualität. Denn was der Sommelier so gar nicht gebrauchen kann, ist ein unzuverlässig arbeitender Winzer, sei es, weil er zu klein ist und eine Folge von schlechten Jahren nicht mit Reservewein ausgleichen kann, sei es weil der Sommelier den Winzer kennengelernt hat, als der die Ernte seines Lebens eingefahren hat und mit seinem stolz präsentierten Ausnahmejahrgang alle Bedenken wegen der etwas dürftigen Eingangsqualität weggespült hat oder sei es von mir aus weil er schlampt.

Der Brut Nature von Lenoble eröffnete mit einer Mischung aus Leberwurstnase und Apfelzwiebelconfit. Rauchnoten mussten sich da mühsam durchkämpfen und vereinigten sich mit zahmer Säure zu einem kräftigen, runden, etwas kurzen Champagner, der kaum Frucht durch- und meiner Meinung nach den für Brut Natures gut geeigneten Chardonnay aus Chouilly nicht mit seiner reifen Grapefruitnote glänzen ließ

 

2. A.R. Lenoble Brut Intense

40CH 30PN 30PM, 2008er Basiswein, sonst wie der Brut Nature.

Sehr viel ausdrucksvoller als der verstockte Brut Nature war der gemeine Brut. Kalkig, aber überwiegend gelbfruchtig, reif, mit einem kontrastierenden Säurespritzer und dadurch hervorgerufener Süffigkeit. Der Königsweg liegt für Lenoble meiner Meinung nach in der Mitte. So wird das dort offenbar selbst gesehen, weshalb alle anderen Champagner von Lenoble zwischen 3,5 und 5,5 g/l Extra Brut dosiert sind.

 

3. Pascal Doquet Le Mesnil sur Oger Blanc de Blancs Extra Brut, dég. 6. April 2011

Basiswein ist mit 2/3 der Jahrgang 2004, 1/3 Reserve stammt aus 2003, Spontangärer im kleinen Holzfass, Tirage im April 2005, dosiert mit 3,5 g/l, mit Diam Mytik verschlossen.

Umgekehrt waren die Verhältnisse bei Doquet. Hier brillierte die sparsamer dosierte Version, wogegen der normale Brut etwas arglos wirkte. Ich will damit nicht Lenoble gegen Doquet ausspielen und Lenoble als einen Erzeuger hinstellen, der bei den massentauglichen Champagnern stark ist und im individuelleren, avantgardistischen Niedrigdosagebereich versagt, denn so ist es ja gar nicht. Man merkt jedenfalls, dass Doquet das Extra-Brut Thema mit seinen Chardonnays bestens im Griff hat. Klug war sicher, dass er die Jahrgänge 2003 und 2004 genügend lange hat ruhen lassen. Klug war sicher auch, dass er 2003er Mesnilchardonnays als Reserve verwendet hat, die sich in dem Jahr wie in Slow Motion zeigt. Reife Aromen, Florentiner, gegen Ende war der Champagner etwas hitzig, sonst war er ausgewogen und gut trinkbar. 

 

4. Pascal Doquet Le Mesnil sur Oger Blanc de Blancs Brut, dég. 6. April 2011

Wie beim Extra Brut, spontanvergoren, dosiert mit 7 g/l.

Rund bis behäbig, kompotthafte Frucht, für mich wie gesagt zu wenig Angriffslust
 

5. Bruno Paillard Réserve Privée Blanc de Blancs Grand Cru, dég. Nov. 2010

CH aus Chouilly, Oger und Le Mesnil, Crémant mit 5 g/l dosiert.

Sehr klug war der Champagner von Bruno Paillard platziert, der mir abgesehen von seinem leichten Brotton wie die Synthese aus den mineralischen Doquets und den schwärmerischen Lenobles vorkam
 

6. Billecart-Salmon Extra Brut NV

80PN 20CH, 07er Basiswein mit 06er Reserve. Tatsächlich ein Brut Nature, reifte ein Jahr länger auf der Hefe als der jahrgangslose Brut.

Eng und säuerlich mit einer pflanzlichen Note. Mit einer gewissen Härte ausgestattet, die zum Konzept dazugehört, zum Glück aber nicht in das von mir gefürchtete Zehren abglitt, sondern sich ruhig und gefasst vom Gaumen verabschiedete. Da muss in ein bis zwei Jahren noch ein Mehr an Entwicklung her

 

7. Billecart-Salmon Vintage 2004 Brut

Tatsächlich ein Extra Brut mit 3 g/l.

Wie ein aufblasbarer Knebel geht der Champagner im Mund auf. Mein erster Eindruck war, dass ich nur bis zur Zungenmitte überhaupt etwas wahrnahm und mich schon enttäuscht abkehren wollte, bis der zweite Schluck das Aroma aufpustete und aus dem verdorrten Dornbusch einen schwertragenden Apfelbaum machte. Herbapfelig, mit Thymian und Rosmarin versetzt, feincrèmig, ohne jedes Gefühl der Schwere.

 

8. Jacquesson No. 735

47PN 33CH 20PM, 2007er Basis, 2006er Reserve geht mit 22% ein, 2005er Reserve macht 6% aus. In Wirklichkeit zutreffend mit Extra Brut beschrieben.

Saftig und entschieden zu jung, aber schon soo verführerisch. Zur quietschlebendigen Frucht kommen Noten von Speck, Torf, hellem Tabak und eine milde Cognacnote. Entwickelt sich für mich immer mehr zum Bollingeräquivalent.

9. Louis Roederer Millesime 2005 en Magnum

Mit 9 g/l Reservewein aus dem großen Fass dosiert

Holz und Popcorn, der Champagner kündigt sich in der Nase großhäusig und mit angstvoll erwarteter Süße an. Die bleibt am Gaumen völlig überraschend aus. Da ist der Roederer facettenreich geschnitten, mit einer wiederum groß angelegten Struktur, einem überlegen wirkenden Auftreten, das von knappen, bestimmenden Säuregesten wirkunsgvoll unterstützt wird.

 

10. Drappier Grande Sendrée 2004 Brut, dég. Jan. 2012

55PN 45CH. Mit 8 g/l dosiert. Der Dosageliqueur besteht aus Reservewein-Zuckerlösung, die im Glasballon gelagert wird. Ziemlich einmalig in der Champagne.

Pillenboxaroma trifft Karamellüberzug, verlängert und wandelt sich mit Luft, wird zu einem noch viel zu frisch wirkenden, aber die freundliche und verbindliche Art seines Namengebers schon jetzt ankündigenden Champagner. Was bei der Grande Sendrée nie im Vordergrund steht oder auch nur besondere Beachtung erhält, ist plakative Frucht. In die Aromen der Grande Sendrée muss man sich vertiefen, sie drängen sich nicht auf, verstecken sich aber auch nicht. Sie sind einfach an ihrem platz, aber man muss drauf kommen, wo. Das fällt mir gerade bei jungen Grande Sendrées nicht leicht. Ich meine hier, neben den Eingangsaromen vor allem Blüten, frische Kräuter und eine Andeutung von Foie Gras mit Calvados und Meersalzflocken wahrgenommen zu haben. Mehr wird die Zeit zeigen.
 

11. Bollinger Grande Année Blanc 2002, dég. Nov. 2011

Die Dosage erfolgt mit derselben Cuvée aus verunglückten, noch undosierten Flaschen. Deren Inhalt wird mit Rohrzucker versetzt.

Die Grande Année gehört zum Oligopol der führenden Cognac-, Tabak-, Dörrobstchampagner, zu dem Jacquesson sich langsam Zutritt verschafft. Die 2002er Grande Année ist bei aller Eleganz und meisterlichen Selbstbeherrschtheit ein auf Anhieb dominanter Champagner mit einem Energiefeld wie aus dem Science-Fiction Film.

 

12. Piper-Heidsieck Rare Vintage 2002

Dosiert mit 11 g/l, Dosageliqueur aus Reserveweinverschnitten der besten Lagen, die 15 Jahre und älter sind und mit Rübenzucker versetzt wurden

Der Prestigecuvéemarkt wird von den großen Häusern bestimmt. Überschlägt man grob die Produktionszahlen und Verfügbarkeit der Champagner, die für über 100,00 € in den Handel kommen, spricht Vieles dafür, dass innerhalb der Exklusivnische "Champagner" die Prestigecuvées gar nicht eine so wahnsinnige Exklusivitätssteigerung bedeuten. Mit anderen Worten: Prestigecuvées gehorchen wahrscheinlich denselben Regeln, wie Normalcuvées. Und das bedeutet am Ende nichts anderes, als dass sie einen auf Champagner nicht besonders intensiv geschulten Massengeschmack bedienen müssen. Der Rare Vintage 2002 ist Massengeschmack in Perfektion. Von allen Prestigecuvées hat der Rare Vintage von Régis Camus den süßesten Gesamteindruck mit auf den Weg bekommen. Das bedeutet, dass gefällige Süße eine wichtige Rolle spielt. Perfektion bedeutet dabei zugleich, dass der Champagner gerade nicht pampig, klebrig und verzuckert schmeckt, sondern mit höchster Präzision und einem wahrscheinlich unerlernbaren Gefühl für das richtige Maß austariert ist. Der Rare wirkt weniger dominant als die Grande Année, ist nicht vom selben Gewicht und hat auch nicht deren Wucht. Doch kommt es für den Effekt, den der Rare erzielen soll, auf diese Faktoren gar nicht an. Seine Stärke liegt in dem abpuffernden Röst- und Toastaroma, das die lockende Süße geschickt einwickelt und zum kuschelweichen Bett für die grazil darübergelgte Mineralschicht und das darauf gelagerte Früchtebett macht. Diese Lagen sind wiederum so schlau miteinander verwoben, dass dem Champagner eine hohe Elastizität eignet und das alles zusammen hat wahrscheinlich das Fine Champagne Magazine in seinem unendlich weisen Ratschluss dazu bewogen, den Rare 2002 in der Nachfolge des Armand de Brignac Brut Gold zum Champagner des Jahres 2011 zu küren.

 

 

Marne vs. Aube: Charles & Yves Dufour ./. Georges Laval

Champagne Dufour, Landreville (Aube)

1. Cuvée de Maison Extra Brut

60PN 40CH, 2 g/l

Rustikal und aubemäßig, dabei geradeheraus und grundehrlich. Der Pinot versucht hier nicht, grandcrumäßige Eleganz und Finesse vorzutäuschen, der Chardonnay will nicht tiefgründig und mineralisch wirken. Die Allianz beider Rebsorten ergibt einen frischen, spritzigen Haustrunk, der nicht besonders gut zu Hegel, aber sehr gut zu einer Runde Holzhacken passt.

2. Blanc de Blancs Brut Nature

2 g/l

Starker Chardonnay mit sonnigem Gemüt. Wenn man vom Holzhacken reinkommt und das selbstgebackene Brot mit einer Auswahl bretonischer Fassbutter von Maître Jean-Yves Bordier wartet, mildgesalzenen, mit geräuchertem Meersalz und als Zitronenbutter, dann will man nur noch den Blanc de Blancs von Dufour dazu, um glücklich zu sein.

3. Oeuil de Perdrix Brut Nature

100PN, 0 g/l

Klebstoffnase, dahinter Frucht und Holzdickicht. Der komplizierteste unter den Champagnern von Charles und Yves Dufour, einer, mit dem man Wissenschaftbibliothekarinnen verführt.

4. Robert Dufour Le Petit Renard Blanc de Noirs Affinage Prolongé 1990, dég. 12. dez. 1998

Der Petit Renard mit dem niedlichen Füchschen auf dem sonst kitschig geratenen Etikett stammt aus der Zeit vor der Umstellung auf Bioweinbau. Mittlerweile macht der Betrieb aus Landreville mit Weißburgunder von sich reden, stößt damit bei mir aber auf wenig Gegenliebe. Weder die Bulles de Comptoir von Charles Dufour mit einem Drittel Pinot-Blanc, noch der reinsortige Weißburgunder (früher Blanc Gourmand, seit dem 1999er Jahrgang Ligne 79, der 2004er als Simplement Blanc) finden meinen frenetischsten Beifall. Wo Aube-Pinot doch so gut sein kann! Aber nicht als versekteter Weißburgunder, sondern als Spätburgunder. Den Beweis dafür trat in besonders schlagender Form der Petit Renard von Dufour an, ein Champagner mit der Sprengkraft einer Luftmine. So perfekt auf den Punkt gereift, schillernd und gewaltig sind mir selbst aus den großen Crus der Montagne de Reims nur wenige Champagner vorgekommen.

 

Georges Laval, Cumières Premier Cru

1. Cumières Premier Cru Brut Nature

50CH 25PN 25PM, 2/3 aus 2007, 1/3 aus 2006

Nun endlich, nach ca. zwei Jahren weiterer Flaschenreife zeigt sich der süße Kern dieses Champagners, eine gegenüber meinen früheren Eindrücken paradox leichte Schaumzuckernase, fein integriertes Holz, gelbe Zitrone und Austernschale.

2. Les Chênes Cumières Premier Cru Blanc de Blancs Brut Nature 2006

Rauch, Speck, Flint. Gemahlene und zerhackte Nüsse, hefig, dazu ein sehr trockenes Mundgefühl. Wirkt auf mich, als sei der Champagner in eine Verschlussphase getreten.

3. Les Hautes Chêvres Cumières Premier Cru Blanc de Noirs Brut Nature 2006

Open Kimono dagegen beim Pinot Noir. Konturierte Bauchmuskeln und fruchtbare Rundungen, zeigen und verhüllen, Agilität und Laszivität in einem. Weinig, spritzig, rund; herausfordernd, divenhaft und burgundisch.

4. Les Meuniers de la Butte Cumières Premier Cru Blanc de Meuniers, dég. 6, Mai 2009

Den Champagner wird es nie wieder geben, die schönen alten Meunier-Reben sind herausgerissen und durch Chardonnay ersetzt worden. Insgesamt gibt es sowieso nur 800 Flaschen, die für Preise um 175,00 € eine neue Behausung suchen. In meinem Bauch sind sie willkommen, auch wenn ich fürs gleiche Geld Champagner bekommen kann, die ich besser finde. Das liegt aber daran, dass Vincent Laval mit der Rebsorte an die Grenze des Möglichen gestoßen ist und die liegt, Stiefkindmalus hin oder her, nach meiner Einschätzung am Ende doch niedriger, als bei Chardonnay und Pinot Noir. Unter den reinsortigen Meuniers gibt es nicht viele gleichartige Höchstleistungen, aus dem Stand fallen mir die Vignes d'Or von Benoit Tarlant, Les Barres von Chartogne-Taillet, Les Béguines von Jérôme Prevost und die Vignes d'Autrefois von Aurelien Laherte ein. Verglichen mit den anderen reinsortigen Meuniers ist der von Laval am unbescheidensten, seine herbfruchtige Art erinnert an Limettenlimonade mit Ingwer, Minze und pinken Partikeln.  

 

Fazit:

Beide Winzer arbeiten biozertifiziert auf 6, bzw. 2,5 ha und sind seit Generationen in ihrer Gegend verwurzelt. Die Basisqualitäten sind bei beiden ansprechend, an der Aube etwas rustikaler, als von der Marne. Beim Chardonnay hat im Moment die Aube ihre Nase vorne, bei den Pinot Noirs sind die Charaktere sehr verschieden, aber auf Augenhöhe. In der Disziplin Spezialchampagner gebe ich dem 90er Füchschen den Vorzug, das war einfach bombastischer als der auf die Spitze getriebene Meunier von Laval.

Champagne trifft Scharzhofberg

Champagne Henri Giraud

Die Hémarts sind seit Jahrhunderten in Ay zu Hause, die Girauds nicht. Trotzdem heißt das Haus heute Giraud. Das liegt daran, dass ein Veteran der Marneschlacht des Ersten Weltkriegs, Léon Giraud, in die Hémartfamilie eingeheiratet hat und dann maßgeblich dafür sorgte, dass die von der Reblaus vernichteten Weinberge wieder bewirtschaftet werden konnten. Der Champagner der Familie Giraud/Hémart kann heute ein wenig als das Pendant zu den Rieslingen von Egon Müller gelten. Wahrscheinlich genau deshalb stehen sich die beiden auch tatsächlich recht nahe.

1. Le Brut

70PN 30CH

In Frankreich heißt die Cuvée "Esprit de Giraud", in Deutschland hat man sich auf das schlichte "Le Brut" limitiert. Birne, Vanille, Brioche und weißen Pfeffer kann man wahrnehmen, stehen für mich aber nicht im Vordergrund. Da sehe ich bei diesem Champagner als viel wichtiger an, dass er bei aller Sportlichkeit etwas verwinkelt strukturiert ist, was ihn nicht ganz leicht wirken lässt. Gleichzeitig lässt er Noblesse und einen ganz eigenen, sehr weinigen und zutiefst herbschönen Charakter erkennen. Dieser Eindruck setzt sich durch die ganze Reighe der Giraud-Champagner fort. Die "Le Bruts" sind die moderne Visitenkarte des Hauses und stehen in deutlichem Kontrast zu den altmodischeren, aber nicht altbackenen Hommageweinen.

2. Le Brut Blanc de Blancs d'Ay Grand Cru

Giraud ist einer der wenigen, die reinsortigen Ay-Chardonnay als Champagnerbesonderheit auf den Markt bringen, am bekanntesten sind wahrscheinlich die Blanc de Blancs d'Ay von Gaston Chiquet, aus dem lieux-dit les Vauzelles, wo auch die Cousins von Jacquesson ihren Chardonnay stehen haben. Regis Fliniaux ist ein anderer Exponent des Ay-Chardonnays, speziell die undosierten Versionen sind hierbei besonders aufschlussreich. Der Ay-Chardonnay von Giraud ist süffigste, exotischfruchtigste und weichste, dabei untypischste von allen Giraudchampagnern, ein typischer Ay-Chardonnay eben.

3. Le Rosé

70PN 22CH und 8% Ay Rouge aus dem Holzfassl.

Der Rosé zeigt seine Nähe zum weißen Le Brut vor allem durch seinen modernen Ansatz, er ist fröhlich, aber nicht leichtsinnig, fruchtig, ohne ins candyhafte abzugleiten. Ein zarter Blumenduft gibt ihm das Quentchen Würde, ohne das er 'nur' ein Sommerchampagner wäre.

4. Hommage à Francois Hémart Blanc

70PN 30CH

Die Trauben stammen auch hier wieder komplett aus Ay, die Weine wurden sechs Monate lang im kleinen Holzfassl aus Argonner Eiche ausgebaut, dort wurde jedwede freche Säurespitze gezüchtigt und ins Glied gestellt. Der Stil ist deshalb wuchtiger, weiniger, dichter. Der Champagner wirkt vornehm, vor allem trägt das Holz nicht zu dick auf.

5. Code Noir

Am wuchtigsten und holzigsten ist der Code Noir. Mir ist das schon eine Spur zu viel und ich fühle mich bei der Hommage wohler.

6. Code Noir Rosé

90PN und 10% Ay Rouge aus dem bewährten kleinen Argonner Holzfassl..

Diesem Champagner hat das Holz etwas besser getan, als dem weißen Code Noir, Speck, Zigarrenkiste, Jod, Pfeifentabak und Bittermandel finden sich in ernster Runde, ein Plaisirchampagner ist auch dieser nicht. Dafür ist er zu streng, zu herb, viel zu wenig leichtsinnig. Dafür meistert er den Umgang mit dem Wildbret des Argonner Walds mühelos und öffnet sich wie ein alter Forstassessor zur bestandenen Jagdprüfung seiner Adjunkten; es wäre die reinste Verschwendung, diesen Champagner solo zu trinken.

7. Cuvée Fût de Chêne 2000

Kein schönes Jahr in der Champagne und dennoch hat Claude Giraud sein Flaggschiff sicher in den Heimathafen gebracht. Die Essenz aus Argonner Holz und Ay-Pinot, ein staatsmännischer Alleinunterhalter.

8. Ratafia Solera (20 Jahre)

30CH 70PN, hier kommen die fruchtigsten Moste der zweiten Pressung zusammen, der älteste ist zwanzig Jahre alt. Sie lagern im Solerasystem in kleinen Fässern übereinander, abgestoppt mit einem Fine de Champagne.

Der Duft ist betäubend, Très Vieux Pineau de Charente, ausentwickeltes Rancio, Gorgonzola, Pilze, heiße Butter, Mascarpone, Nüsse, im Mund dann ein leichtes, eingängiges Trinkgefühl, das zum endlosen Nuckeln anregt.

Champagner quick check: Jacquesson, Philippe Gonet, Besserat de Bellefon

I. Jacquesson

1. 735

47PN 33CH 20PM

Jahrgangsbasis ist das für die Pinotrebsorten schwierige Jahr 2007, 22% Reserve kommen aus dem Jahr 2006, 6% aus dem Jahr 2005.

Wer zufällig gerade keinen Bollingerdurst verspürt, kann nur eines tun: Jacquessons Nummerncuvée trinken. Das ist eine der besten jahrgangslosen Standardcuvées auf dem Champagnermarkt. Stilistisch freilich ganz anders als Bollinger. Nicht so bullig, nicht mit derselben Körperlichkeit. Wo Bollinger Balance vermittelt und panoramisch angelegt ist, ist Jacquesson zugespitzter und auf Thrillsuche, was gerade beim 735 deutlich wird und die Antwort des Kellermeisters auf die unausgewogenen Pinotqualitäten des Jahrgangs sein dürfte – im Moment ist er jung, buttrig und entschieden direktsaftfrischfruchtig. Der 735er gehört neben seinem aktiven, parteiischen Naturell auch noch zu den unruhigeren Jacquessons, die ständig nach neuer Herausforderung verlangen; Trüffelsalami, Anchovis, alter Langres, Hasenkeule, geräucherte Mettenden, der Jacquesson will zu allem probiert werden.

2. 2002

43CH aus Avize (36) und Chouilly (7), 57PN aus Dizy (35), Ay (15), Mareuil sur Ay (7), im Fuder vergoren; Bâtonnage.

Einer der Jahrgänge, in denen man als Kellermeister vermeintlich nichts falsch machen kann. Vermeintlich. Denn falsch wäre es, den Jahrgang unemotional und einfach nur unfallfrei auf die Flasche zu bringen. Das ist verlockend einfach, denn das Jahr bietet jedem Kellermeister das gesamte Eigenschafts-Repertoire der Champagne an. Blütenduft, Apfel, Brioche, Nüsse, Säure, Struktur, Länge, Mineralität, Crèmigkeit, ein touch Exotik, ein Spritzer Weinigkeit und Fülle. Wer das einfach nur wie immer zusammenstellt, komponiert nicht, sondern kompiliert höchstens. Von Jacquesson darf man zu recht mehr erwarten und wird nicht enttäuscht. Reife und Subtilität stehen hier im Vordergrund; gelbe Knorpelkirsche, Buttercrème, Blätterteig, Croissant, Baiser, Himbeer-Maccaron. Der Champagner wirkt für einen Jacquesson ungewohnt fragil, dabei sahnig und gehaltvoll.

 

II. Philippe Gonet

Der Großvater von Chantal Gonet war einer der ersten, wenn nicht gar selbst der erste, der die besonderen Qualitäten der Chardonnays von Montgueux erkannte. Heute wird Montgueux vor allem von Lassaigne-Anhängern als der Montrachet der Champagne, von Winzern aus der Côte des Blancs gern auch 'nur' als der Montrachet der Aube bezeichnet. Chantals Vater war übrigens schon ein guter Kumpel von St. Urbans-Hof Nik Weis' Vater und bis heute stehen die Familien in enger Beziehung zueinander, zumal sie sich auf vielen Exportmärkten, z.B. in Indien, denselben Importeur teilen. Ein Besuch bei Gonet in Le-Mesnil ist jetzt nach längerer Bauphase wieder umstandslos möglich, verfehlen kann man das Anwesen mitten im Ort kaum.

1. Blanc de Blancs GC NV

Basis 2008, 30% Reserve

Apfel, Salz und Toffee, etwas wenig Säure für Le Mesnil, aber ein guter Einstieg in den Chardonnay dieses Orts.

2. Cuvée 3210 Extra Brut

Die Ziffernfolge steht für 3 Jahre Hefelager, 2 Terroirs (Le Mesnil und Montgueux), 1 rebsorte und 0 Zucker. Hier knallen Welten aufeinander, nämlich die beiden entgegengestztesten Chardonnay-Terroirs der ganzen Champagne. Entsprechend brodelt der Champagner, ohne jede Zuckermoderation und mit dreijährigem Hefelager auch nur mühsam abgepuffert. Die Benamsung ist etwas arg modisch, so wie der Weinberg Montgueux zur zeit sehr en vogue ist, aber dem Champagner schadet's nicht. Rassig, schlank, meiner Meinung nach leicht vom Mesnilchardonnay dominiert.

3. Roy Soleil, dég. 29. Nov. 2011

Reiner Le-Mesnil, der seinem raumgreifenden Namensgeber alle Ehre macht und auf allzu harte Säure, allzu kompromisslose Mineralität verzichtet. Wer die sucht, findet sie im Belemnita, der immer sehr schnell ausverkauften Spitzencuvée des Erzeugers. Im Roy Soleil rundet sich das mit dem einfachen Grand Cru NV eingeleitete Schonprogramm ab. Das heißt nicht, dass die Gonet-Champagner weichgespült wären, das zeigt der Vergleich zu Blanc de Blancs aus anderen Crus; nur für Le Mesnil ist etwas wenig Biss drin. Deshalb für Terroir-Einsteiger und Gemütlichtrinker ideal.

4. Mill. 2006

Reiner Le-Mesnil, schlank, charmant, herzliches Naturell, das allerdings auch nicht unnötig nachgiebig wirkt, ein wenig wie die sympathisch sommerbesprosste Dame des Hauses selbst.

5. Rosé

Assemblage rosé mit 10% Pinot aus Vertus, das früher vor allem wegen seiner Pinots bekannt war und sich erst in den letzten Jahrzehnten zum Chardonnaygebiet gemausert hat. Anfänglicher Andouillettestinker, dann steigt langsam Frucht empor, es bleibt aber bei einem überwiegend weißfruchtigen Eindruck, der Pinot verleiht hier mehr Farbe und vielleicht noch etwas Körper, bringt aber selbst nicht genügend Gewicht auf die Waage, um den Champagner nachhaltig zu beeinflussen. Ein Blanc de Blancs mit der Farbe eines Rosé.

 

III. Besserat de Bellefon

Eine qualitativ gute Entwicklung macht das Haus Besserat de Bellefon seit Jahren, nur das Portfolio ist etwas unbeweglich. Was zum Beispiel fehlt, ist eine echte Prestigecuvée. Immer wieder schön sind hier die Blanc de Blancs; die Cuvée des Moines Linie ist mit niedrigerem Flaschendruck als üblich ausgestattet und gehört damit zu den letzten klassischen Crémants der Champagne. Das machen sonst nicht mehr viele, Bruno Paillard und Mumm gehören dazu, dann wird es aber auch schon eng.

 

1. Extra Brut, dég. Juli 2008

Rassig, angriffslustig und flott, mit reifen Früchten und Noisette. Für mich die leichte Kavalleie unter den Champagnern. Der passende Sound zum Champagner: Aphrodite, Foghorn.

2. Blanc de Blancs, dég. Okt. 2010

Exotische Frucht tänzelt unter Säurestange hundurch, quasi der Limbotänzer unter den Champagnern des Hauses.

3. Mill. 2002, dég. Feb. 2010

Besonders elegant geratener Champagner, der nicht nur stumpf dahinvinifiziert wurde, sondern zarte Hinweise auf Bienenwachs und Lindenblüte enthält, besonders crèmig schmeckt und sich gerade ganz zaghaft zu öffnen beginnt.

4. Rosé

Leicht, etwas blumig, von kräftiger Statur und aus dem Programm von Besserat der von mir am wenigsten geschätzte Champagner. Alle Besserat-Champagner sind leicht, elegant, fein, da passt der etwas zu grob gewirkte Rosé einfach nicht so richtig ins Bild.

Chill Bill: Drei Spitzencuvées von Billecart-Salmon

Der Haustrunk in der Traube Tonbach. Berühmt für seine Rosé-Maîtrise, geschätzt für den Blanc de Blancs, früher Vogel beim heimlichen Trend Clos-Champagner und bislang fast unbemerkt mit einer Holzfasscuvée an den Markt gegangen, deren Etikett altgedienten lumberjacks wie David Powell von Torbreck das Herz schneller schlagen lässt. Andere mögen sich an der schlichten Draufsicht auf die Altersringe einer Baumscheibe stören, mich wiederum interessiert in diesem Fall nur der von Francois Domi verantwortete Inhalt.

1. Cuvée Sous Bois, dég. 2010

Drittelmix, 2006er Basis (80%) mit Reserve aus 2005 und 2004, fassvergoren in sechs- bis achtfach belegten Burgunderfässern von Jadot, danach Fassausbau.

In der Nase wenig überraschend, Karamell, Honig, Mandelmilch und Kaffee. Überraschend dagegen, dass die Melange überhaupt nicht ermüdend wirkt, also trotz des allumfassenden und unverzögert spürbaren Holzeinsatzes kein Holzoverkill. Noch lange bevor ich mich auch nur annähernd sattgerochen habe, kommen Apfel, Quitte, Hagebutte dazu und bringen eine frische, leicht gerbstoffgetönte Säure mit.

2. Nicolas-Francois Billecart 1998

60PN 40CH

Grand Crus aus der Montagne de Reims und der Côte des Blancs, teils im Holz vinifiziert.

Manche meinen, die Arbeit von Francois Domi sei zu smooth, zu klinisch bis steril und meinen damit vor allem seine scharfe Mostvorklärung und strenge Filtration. Das, so die Kritik, lasse vom Charakter des Weins nicht viel übrig. Das, so meine ich, ist Unsinn, wie bereits die Grundweine von Billecart-Salmon zeigen und was dieser Champagner aus einem an sich gar nicht mal überragenden Jahr verdeutlicht. In der Nase zeigen sich Mandel, Kokos und Milchkaffee. Dazu kommen Verbene und Vetyver, etwas Bergamotte, Acerola und eine seidenglatte Textur. An diesem Champagner ist alles so sauber und klar, bis ins Detail ausgearbeitet, wie bei den chinesischen Korkminiaturschnitzereien. Das darf man nicht mit Sterilität verwechseln, sondern als die lupenreine Arbeit würdigen, um die es sich handelt. Schließlich käme keiner auf die Idee, einen flawless top wesselton Diamanten wegen derselben Eigenschaften zu bekritteln.

3. Clos St- Hilaire 1998, Flasche #494/6750

Das kleine Weingärtlein direkt neben den Produktionsstätten des Hauses in Mareuil hatte ich zuletzt im Herbst 2009 unter die Lupe genommen. Der Clos St. Hilaire war lange Zeit das Rückgrat der jahrgangslosen Rosés und die Entscheidung, diesen Wein als Solisten zu vinifizieren, ist sicher nicht leicht gewesen. Denn es bestand immerhin die Gefahr, dass der Champagner, mit dem Billecart-Salmon am Markt seine größten Erfolge hat, qualitativ eine merkliche Einbuße erleidet. Davon konnte ich bei meinen letzten Verkostungen aber nichts feststellen und ich nehme an, dass die Umstellung der Cuvée sehr umsichtig vorbereitet wurde. Für die Weinwelt ist der Clos St. Hilaire jedenfalls ein Gewinn: purer Pinot, ohne BSA, Mini-Dosage. Eine hochentwickelte Rennmaschine, der Aston Martin Vantage Zagato unter den Champagnern. Würde ich nur zu gern mal im Trio mit Bollingers Vieilles Vignes Francaises und Krugs Clos d'Ambonnay trinken.   

Dom Ruinart: Winemaker’s Lunch mit Fred Panaiotis

Champagne Ruinart lud nach Essen. Nicht in die Résidence, nicht zum Nelson Müller (der die Schote für diesen ausgiebigen Auswärtslunch aber offensichtlich gern verließ), sondern in das Grillhaus Bistecca, dessen understatement (u.a. Pétrus 1961 en Magnum im begehbaren und verglasten Weinklimaschrank) man sich ähnlich ausgeprägt vorstellen kann, wie vom Grill Royal in Berlin. Frederic Panaiotis, seit 2007 chef de cave bei Ruinart stellte seine jüngsten Babies vor, bzw. genaugenommen sind es natürlich gar nicht seine, sondern die seines Vorgängers: Dom Ruinart Blanc 2002 und Dom Ruinart Rosé 1998, mit einer kleinen Entourage der beiden jeweiligen Vorgängerjahre.

Vor, während und nach dem Lunch gab es viel zu erzählen. Eine schöne Neuerung ist nach Jahren endlich durchgesetzt, die Jahrgangschampagner von Ruinart werden künftig ihr Dégorgierdatum auf dem Rückentikett oberhalb des Barcodes in der Form "DGT JJJJ/MM" tragen. Das Dégorgierdatum jahrgangsloser Champagner kann man weiterhin auf Anfrage bei Ruinart erfahren, dazu muss man lediglich die Lotnummer mitteilen. Hierbei gibt es eine nicht unwichtige Einschränkung: Flaschen, die vor 1992 dégorgiert wurden, lassen sich über die Lotnummer leider nicht bestimmen. Da müssen Etiketten, Füllstand und andere Kriterien herhalten.

Interessant fand ich auch, dass Ruinart so wie alle großen Erzeuger eine ziemlich strenge Nachhaltigkeitspolitik integriert hat. So wird selbst das Stromsparverhalten der Büromitarbeiterinnen jährlich evaluiert. Einen wesentlich bedeutsameren Posten macht aber das Wasser- und Umweltressourcenmanagement, CO2-Footprint (nicht: die Bläschen im Champagner), sowie die energetische Optimierung der Produktionsstätte(n) aus. Nicht nur bei Ruinart ist man heute in der Lage, den Frischwasserverbrauch je produzierter Flasche anzugeben – das ist schon bemerkenswert, wird aber praktisch überhaupt nicht kommuniziert. Deshalb mache ich das immer wieder. A propos Flasche: da ist Ruinart natürlich etwas im Nachteil, die kürzlich vorgestellte leichtgewichtige neue Standardflasche wird man dort nicht so schnell einführen können. Dafür ist das bauchige Format zu sehr mit dem Namen Ruinart verbunden. An einer Leichtversion des bauchigen Modells wird derzeit gearbeitet.

Unumwunden kam Fred Panaiotis auf das Problem der Flaschenvarianzen und auch des Korks zu sprechen. Seiner Meinung nach ist der ideale Verschluss nicht Kork, nicht Dreh & Plop, sondern der bewährte Kronkorken. Schließlich tut der während der gesamten zweiten Gärung seinen zuverlässigen Dienst unter ziemlich anstrengenden Rahmenbedingungen. Schade, dass sich diese richtige Ansicht bis jetzt nicht auch in den entsprechenden verordnungsgebenden Gremien durchsetzen konnte. Ein anderes Problem ist das der Oxidation; viele Flaschenvarianzen lassen sich nach Panaiotis' Meinung auf fehlendes oder schlechtes Sauerstoffmanagement zurückführen. Ein Blick rüber in die Bierindustrie sei da hilfreich. Von dort kommt bekanntlich die Jetting-Technologie, die man bei Ruinart mittlerweile ebenfalls erfolgreich anwendet.   

Ein letztes Sorgenkind, von dem man in der Champagne fast nie etwas hört, ist die Botrytis. In den Crus der Côte des Blancs spielt die kaum eine Rolle, aber in der Vallée de la Marne eben doch. Da haben die fetteren Böden ein anderes Drainageverhalten und in den Seitentälern findet sich die Edelfäule schon in merklicherem Ausmaß, ebenso teilweise in der Montagne de Reims, wo es dann nicht 'nur' die Pinot Meunier, sondern den noblen Spätburgunder trifft und den Winzer verdrießt. Ein Flächenphänomen ist die Nobefäule nicht, wie Fred Panaiotis relativierte, aber man muss sie im Blick haben, wie die Gesundheit der Trauben insgesamt an vorderster Stelle zu stehen habe, noch vor Säure und Dosage. Auch das gestand er dabei freimütig ein: früher habe er gedacht, Säure sei essentiell wichtig für ein langes Champagnerleben; Jahrgänge wie 1947, 1959 und 1976 haben gezeigt, dass das nicht zwingend so ist – beim 2003er Dom Pérignon werden bekanntlich genau diese Jahrgänge gern ins Feld geführt, um dem säurearmen 2003er Dom ein langes Leben vorherzusagen; zu Unrecht, wie ich meine.  

Während der erkenntnisreichen Zeit, die ich mir mit Fred Panaiotis gesichert hatte, konnte ich mir einige Gläschen vom Opener genehmigen, der sich sehr leicht und für meinen Geschmack geradezu wässrig zeigte. Als Apéritif sicher schön, mir aber zu sommerlich und unverbindlich.

Opener: Blanc de Blancs NV

Dann gab es Essen.

I. Carpaccio vom Wildsteinbutt, Garnelen, Kräuterschaum, dazu

1. Dom Ruinart Blanc 2002, dég. im Februar 2011 

2. Dom Ruinart Blanc 1996 en Magnum

Beim Dom Ruinart Blanc 2002 kommen 72% des Chardonnays aus den Grand Crus der Côte des Blancs, vorwiegend aus Chouilly und Avize, 38% der Chardonnays kommen aus den Grand Crus Sillery und Puisieulx in der Montagne de Reims; Mailly ist auch mit drin, spielt aber keine herausgehobene Rolle. BSA. Mit 6,5 g/l ist er erstaunlich knapp dosiert. Beim Dom Ruinart Blanc 1996 kommen 60% des Chardonnays aus den Grand Crus der Côte des Blancs, vorwiegend aus Avize, Cramant und Le Mesnil, 40% der Chardonnays kommen hauptsächlich aus den Grand Crus Verzenay, Sillery und Puisieulx in der Montagne de Reims. BSA. Mit 10 g/l ist er erstaunlich hoch dosiert. 

Reduktiv, treibend, schon ganz vorn im Mund unverhohlen kraftvoll und dann mit Wucht den Aromapfropfen aus Cashewkern, blanchierten Mandeln, Marille und Yuzu in den Rachen schiebend. Buttrige Malonoten, runde Säure und ein sahniges 2002er Mundgefühl. Ganz anders dagegen der 1996er aus der reifeverlangsamenden Magnum. Brettharte Säure, von feinster Konditoren-Buttercrème nur knapp gezügelt; weit hinten andeutungsweise Champignon. Dass der mit 10 g/l dosiert ist, meint man nicht, daher eine sinnreiche Lektion für Dosagedogmatiker, die meinen, nur Extra Brut sei das Wahre und verhelfe dem natürlichen Champagnercharakter allein zur vollen Geltung. 

Zum mutig gesalzenen Kräuterschaum hatte es der 96er einfacher, als der harmoniesuchende 2002er. Der fand seinen idealen Partner in der weitestgehend naturbelassenen Garnele, mit dem Carpaccio waren beide Champagner gut.

II. Gebratene Jakobsmuschel, Fenchelsalat, Safransauce, dazu

1. Dom Ruinart 1996 en Magnum

2. Dom Ruinart 1998 

Beim Dom Ruinart Blanc 1998 kommen 66% des Chardonnays aus den Grand Crus der Côte des Blancs, vorwiegend Avize, Cramant und Le Mesnil, 34% der Chardonnays kommen aus den Grand Crus Verzenay, Sillery und Puisieulx in der Montagne de Reims. BSA. 

Hier hatten wir eine Flasche vom 98er, die extrem reduktiv ausgefallen war und eine andere 98er, die sich in Normalform zeigte. Die erste war mindestens eine Stunde lang reinste Austernkiste. Dahinter tat sich nicht viel, ein paar Zitronenspritzer höchstens, die in Richtung des 96ers wiesen. Außerdem Holz, das im Dom Ruinart eigentlich gar nicht vorhanden sein kann, da es keine Verwendung findet. Sparkling Chablis. Die Vergleichsflasche war runder, geöffneter, candyhafter, verspielter, weicher, hatte viel mehr Biscuit, unaufdringliches Brioche, Aprikose. Diese erhebliche Flaschenvarianz ließ sich nicht recht zufriedenstellend erklären. Tröstlich immerhin, dass sich der erste superreduktive Dom Ruinart mit Luft immer weiter der Normalflasche annäherte. 

Die reduktive Flasche hatte mit ihrem Muschelkutterduft einen gewissen Heimvorteil bei der St. Jacques, der 96er konnte dazu auf Augenhöhe brillieren und kam darüber hinaus mit Fenchel und Safran besser zurecht. Der beste Allrounder war die Normalflasche vom 98er.

III. Wildlachstartar, Crème fraîche, Kaviar, dazu

Dom Ruinart Rosé 1998 

Basis ist mit 85% der weiße Dom Ruinart, dem ein burgundisch – mit pigeage –  zubereiteter Pinot Noir aus Sillery, Verzy und Verzenay zugegeben wird. BSA. Mit 5 g/l sogar Extra Brut dosiert.

Weiches Tannin, Ringelblume, kandierte Blütenblätter, fritierte Kapuzinerkressenblüte, herbe Kaffernlimette, Erdbeere, Himbeere, Waldboden. Warmer, weicher, anschmiegsamer Champagner, dessen niedrige Dosage sehr klug gewählt ist, weil der Champagner dadurch nicht an seinen eigenen Aromen erstickt. Einer der wenigen 98er, dem ich lange und aufregende Reife zutraue.

Schmeckte, wie nicht anders zu erwarten, sehr gut zum Wildlachs auf Kartoffelpuffer, blühte enorm kontrastreich zur Crème fraîche auf und vereinnahmte selbst den zu fruchtigem Rosé oft schwierigen Kaviar.

IV. Kalbsfilet "Rossini", Trüffeljus, Kartoffel-Millefeuille, dazu

1. Dom Ruinart Rosé 1996 

2. Dom Ruinart Rosé 1990 en Magnum

Basis des 96er Dom Ruinart Rosé sind mit 84% die Chardonnay Grand Crus der Côte des Blancs und der Montagne de Reims im Verhältnis 55/45, dazu kommen 16% Pinot Noir aus Verzy und Verzenay. BSA.

Basis des 90er Dom Ruinart Rosé sind mit 83% Chardonnay Grand Crus, dazu kommen 17% Pinot Noir aus Verzy und Verzenay. BSA.

Der 96er Dom Ruinart Rosé prunkt mit Wildkirsche, Vetiver, Zitronengras, sehr pfiffig eingesetzter Säure, die enorme Spannung erzeugt und ihre Aromakameraden geschickt umschlängelt. Und was macht der 90er? Der kommt mit einer Eingangsnote von Milchkaffee und weißer Schokolade, Mandelkrokant und edlen Tropfen in Nuss. Dann schält sich eine nicht endenwollende kandierte Orangenschale ab, Ingwer, agrumes, ein sorgfältig gehegtes Pilzbeet kommt zum Vorschein und das alles mit hypnotisierender Laszivität. Der sexieste Wein des Menus und mein Wein des Tages. 

Der 96er Dom Ruinart Rosé trinkt sich weiterhin herrlich zur Kartoffel und zeigt sich als ein Champagner der mehr als alles andere eine stärkehaltige Speise benötigt, um sich daran auszutoben. Säugetierprotein ist dafür genauso geeignet. Der 90er Dom Ruinart Rosé braucht sich nicht austoben, er lässt sich ausführen und legt dabei einen großen Auftritt hin. Zur Leber so selbstverständlich und nonchalant wie mit dem Trüffeljus, dem Trüffel selbst und natürlich ganz unbeschwert im Wechselspiel mit dem Kartoffel-Millefeuille.

V. Mangosorbet

Zum erfrischenden Mangosorbet brauchte ich keinen Champagner, da waren mir zwei Triple-Espressos lieber.

Übrigens:

Im Jahr 2029 wird es einen denkwürdigen Champagner aus dem Hause Ruinart geben, über den Fred Panaiotis jetzt schon nachzudenken begonnen hat. Eine Wiederholung des L'Exclusive, den es zum Jahr 2000 gab, wird es aller Voraussicht nach nicht geben. Ob es sich stattdessen um einen reinen Jahrgangschampagner oder um eine Solera handeln wird, ist noch nicht absehbar.

Champagner pêle-mêle in Mainz

In der Vinothek des Mainzer Atrium-Hotels gab es herrlich unaufdringlichen, flotten und präzisen Service zum Champagnermenu. Überaus wohltuend. Item die Teilnehmer der Probe, Wein-, Gastro- und Hotelschaffende, vor allem aber Aficionados allesamt.

I.1 Piper-Heidsieck Brut Croco NV

Ausgeprägtes Profil mit kerniger, obschon nicht geschliffener Säure. Charakterstark, attestierte die Runde. Wurde nicht als Grande Marque erkannt und gefiel auf Anhieb schon ganz gut. Damit war mein wichtigstes Ziel erreicht, nämlich den guten Namen Piper-Heidsieck ganz unvoreingenommen aus der Supermarktplörrenecke herauszuholen und die Kellermeisterkunst von Regis Camus blind auf die Probe zu stellen.

I.2 Gaston Chiquet Grand Cru Blanc de Blancs d'Ay

Litt unter einer quälenden Käsenote. War im Mund zwar leidlich intakt, konnte aber unmöglich genossen werden. Schade.

Auster im Sud mit Wintergemüse, Kresse, Petersilie, Olivenöl

II. Agrapart Avizoise Blanc de Blancs Grand Cru 2004

Zutiefst mineralisch, mit leicht flintiger Note und Zitrone. Passte deshalb so gut zur Auster, spielte schön mit dem Olivenöl, band die Kresse und die Petersilie vorbildlich ein. Konnte sich leider nicht in dem gewünschten Kontrast zum fruchtig-exotischen Blanc de Blancs von Gaston Chiquet zeigen, war aber auch so ein überzeugender performer.

III. Duval-Leroy Authentis Petit-Meslier 2005

Aus einer der extraseltenen Altrebsorten der Champagne fertigt Duval-Leroy alle Jubeljahre einen Champagner in Kleinstauflage. Vom 2005er gibt es nur lachhafte 988 Flaschen und es kostete mich einiges bitten und betteln, bevor ich vom Herrn Lahr, der das Haus Duval-Leroy in Deutschland vertritt, eine Flasche aus dem Reptilienfonds erhielt. Dafür gebührt ihm höchster Dank, schon über den Erhalt der Flasche habe ich mich gefreut wie ein Kind. Nur zu gern hätte ich diesen Champagner in der vorweihnachtlichen Champagnerausgabe von Planet Wissen im WDR vorgestellt, wo ich leider nur eine einzige von insgesamt zehn mitgebrachten Flaschen öffnen durfte – aus Zeitgründen und aus öffentlich-rechtlicher Angst vor Schleichwerbung. Zum Glück musste ich danach nicht lange warten, bis die nächste würdige Gelegenheit zum öffnen dieser schönen Flasche sich bot. In kundiger Runde also verlor dieser Champagner seinen Stopfen und gab einen trockenen, ganz leichten Sherryduft frei, der nicht jedem gefallen wollte. Die tighte Säure, das kühle, beherrschte Auftreten am Gaumen, die etwas strenge Art, der entschiedene Schritt, mit dem der Champagner sich aus dem Scheinwerferlicht der Halbweltetablissements entfernte und sich wie selbstverständlich im Bereich der Weinintelligenzija positionierte; ein Wein wie eine eiskalte KGB-Killerin – auch das gefällt schließlich nicht jedem. Doch kann man sich von dem Wein schwer lösen, egal ob man ihn mag, oder nicht, wenn man ihn nicht sofort aufgrund seiner sherryartigen Töne für fehlerhaft hält.

IV. Collard-Picard Cuvée des Archives 2002

80CH 20PN aus sehr altem Bestand (1940er Jahre) mit lediglich ca. 3000 kg/ha Ertrag. Erste Gärung im Holzfass. Wer sich mit dem Petit Meslier nicht anfreunden konnte, war dafür beim Collard-Picard umso heimischer. Das ist Champagner, bei dem das Herz aufgeht. Kreidegesättigt, aber kein nasser Mehlsack, volles Apfelaroma, Quittenmus, Hagebuttenpurée, Kumqat, maßvolle Säure, schlüpft flott die Kehle hinunter. Ich finde den 2002er ungemein freundlich, das ist nicht der schwerblütige Johnny-Cash-Verschnitt-Einzelgängerwinzerstil, auch nicht eine anonyme Massenplörre die auf indifferente Weise jedem schmeckt und zumindest nicht aneckt, sondern eine offensiv lebensbejahende Cuvée mit Gesicht und Schwung.

V. Duval-Leroy Clos des Bouveries 2005

Chardonnay aus Vertus. Teilweise Fassausbau.

Eine Symphonie aus Lindenblüten, Waldhonig, Apfeltee und getrockneten Cranberries. Seidig, minimal buttrig, knisternd, mit einer Spur Candy, ein Champagner mit Rondeur und Größe. Solo schön, aber ich schätze den Clos des Bouveries als faszinierenden Essenbegleiter sogar noch höher ein. Auch für diese Flasche schulde ich Herrn Lahr tiefsten Dank, da er so freundlich war, mir diese in Deutschland selten erhältliche Flasche zuzuschicken. Bisher sind noch nicht so viele 2005er von den größeren Erzeugern am Markt, doch was die Winzer vorgelegt haben, ist vielfach so dramatisch gut, dass 2005 nach 2004 und 2002 noch ein heißer Kandidat für Großeinkäufe ist.

Zur Stärkung gab es Forelle, Blumenkohl, Frisée, Rote Bete

VI.3 Perrier-Jouet Belle Epoque 1976

Rötlichgolden schimmert dieser Tropfen im Glas und betörte mich derart, dass ich wie benommen über meinem Kelch saß. Ich habe ja nun schon einige reife Belle Epoques getrunken, mich über die neueren Jahrgänge auch schon reichlich geärgert, sei es, weil sie korkig waren, sei es, weil die Qualität nicht stimmte und die Champagner mir konventionell und langweilig vorkamen. Aber diese Belle Epoque entschädigte mich für manches Missvergnügen. Nur wenige Minuten bitzelten noch vereinzelte Kohlensäurebläschen, die im Mund noch einen Moment länger wahrnehmbar blieben, dann war der Champagner still. Was er bis dahin gezeigt hatte, war bereits enorm. Butter, Toffee, Kaffee, morsche Töne, würzige Noten, aber auch ganz viel rotbackiger Apfel, Himbeere, Kirsche, Kompott, karamellisierte Kräutersträusschen; im Mund eine echte Haupt- und Staatsaktion, vornehme, reife Süße, ein Säurespiel so faszinierend und sci-fi wie die Gasentladungen in einer Plasmakugel.

VII.1 Lanson Extra Âge

40CH 60PN, Jahrgänge 2003, 2002 und 1999, Trauben aus den Grand Crus Chouilly, Avize, Oger, Vertus, Verzenay und Bouzy, fünf Jahre Hefelager.

Aus den Tiefen vergangener Großjahre holte der klärende Großhauschampagner von Lanson uns behutsam in die Welt der aktuellen Jahrgänge zurück. Die jüngste Lanson-Cuvée, abgesehen vom Clos Lanson, den ich aber noch nicht probiert habe, ist schon eine ganze Weile am Markt, ich habe mich aber dagegen entschieden, sie unmittelbar nach der Freigabe durch das Haus in größerer Runde zu verkosten, weil junger Champagner in diesem Stadium erfahrungsgemäß noch nicht annähernd so weit entwickelt ist, dass er mehr als unter Laborgesichtspunkten Freude bereitet. Da Laboratmosphäre gerade nicht im Sinne meiner öffentlichen Verkostungen ist, lasse ich solche relativ jungen Cuvées immer erst ein paar Monate liegen. Dem Lanson tat das gut, seine frühere Ungehobeltheit hat er abgelegt, jetzt bietet der dem Gaumen eine weiche, von gesunder, aber nicht kratziger oder drängender Säure getragene helle Aromatik, in der Cashewkerne eine Rolle spielen, aber auch Honig, Honigmelone, Apfel-Birnenmus, ein Spritzer Limette und vielleicht Kapstachelbeere.

VII.2 Nicolas Feuillatte Palmes d'Or 1999

Eine der wichtigsten Fähigkeiten der Palmes d'Or ist ihre außergewöhnliche Gastroaffinität. Ich habe zum Beispiel die Palmes d'Or 1999 in den vergangenen drei Jahren schon stärker und schwächer erlebt, aber am stärksten war dieser Champagner immer, wenn richtig gute Speisen auf dem Tisch standen. Die beiden extremen Aromaausprägungen der 99er PdO sind korbfrische Himbeeren und modrige Pilzigkeit. Beides steht dem Champagner gut, beides war in dieser Probe nicht dominant. Er pendelte sich nach meinem Empfinden in der Mitte ein, zwischen abklingender Frucht und beginnender Vollreife, mit einer solo etwas zu schwer anmutenden Süße, die sich zum Essen wiederum bestens machte.

Calamari, Roggen, Weizen, Graupen, Popcorn und Sepiasauce

VIII. Dom Pérignon Oenothèque 1990, dég. 2003

Mit Reiner Calmund teile ich nicht nur fast die Konfektionsgröße, sondern auch eine wichtige Champagnererfahrung. Der 90er Dom Pérignon ist der erste wirklich große Champagner, den ich getrunken habe. Und ebenso verhält es sich bei dem Preisträger der "Goldenen Schlemmerente 2007". Im Herbst 2009 und im Frühjahr 2010 hatte ich diesen Champagner als Oenothèque zuletzt getrunken. Wie eine Magnesiumkarosserie so fest und leicht zugleich hatte ich ihn in Erinnerung, mit den ersten sich ankündigenden Pilznoten des letzten Reifestadiums. Dass etwas Großes ins Glas kam, merkte man sofort, Nase für Nase öffnete sich mehr Mandeltorrone, zeigten sich die Röstnoten großer, reifer Dom Pérignons, kam eine leichte Flintigkeit hinzu, während Brioche und ein hintergründiger Minzton die Mürbe, Pilze, Jod und flankierendes Salz ausglichen. Famoser Champagner, der jetzt aber nicht mehr jedem Spaß machen wird.

IX.1 2003 by Bollinger

65PN 35CH aus Ay, Verzenay und Cuis. Fassvergoren.

Das Jahr in dem die Dom Oenothèque dégorgiert worden war, sollte das Anknüpfubgsjahr für den nächsten Champagner sein. 2003. Dunkel stand der Ausnahmebolly im Glas, in der Nase selbstbewusst und dick bis feist, im Mund war der dürftigen Säure wegen nun auch dem Letzten klar, dass es sich nur um einen 2003er handeln konnte und wenn schon um einen 2003er, dann nattürrlich um den 2003er. Wenn dem 2003er etwas gerecht wird, dann das Prädikat burgundisch, vielleicht noch mit dem Anhängsel premature oxydation, was aber täuschen mag.

IX.2 Ulysse Collin Blanc de Noirs Extra Brut, dég. 16. März 2010

Mehr ein Rosé Oeuil de Perdrix als das nur leicht angeschmutzte Weiß eines Blanc de Noirs legt der jüngste Champagner vom aufkommenden Starwinzer Olivier Collin bekanntlich an den Tag. in den letzten eineinhalb Jahren seit meinem Besuch auf der Domaine habe ich diesen Champagner mit gleichbleibender Begeisterung getrunken. Dabei war mir von Anfang an klar, dass auch dieser an sich große Champagner eine Achillesferse hat. Wie beim 2003er Bollinger fehlt ihm vitalisierende Säure. Deshalb war klar, dass die beiden als flightpartner auftreten mussten, was letztlich für einige schöne Vergleichsmöglichkeiten gesorgt hat. Klar wurde dabei auch, dass der Blanc de Noirs von Ulysse Collin, so herrlich fett, raumgreifend und monströs fruchtig er sich jetzt trinkt, in den nächsten Jahren entweder mangels Säure erheblich verlieren wird, oder aber ein zweites glorioses Leben als Stillwein abwarten muss.

Skrei, grüne Bohnen, Rosenblüten, Pflaumenduft

zwischendurch gab es Himbeer-Sorbet

X.1. Raumland Monrose 2001

PN CH PM, Holz

Wie nahm der Monrose das Himbeerthema doch so freudig auf! Frappanter habe ich noch nie Himbeere in einem Glas gehabt. Brioche, Blüten und Nüsse, wie sie der Gault-Millau bei der Kür zum besten deutschen Sekt aller Zeiten, bzw. des Jahres 2012 wahrgenommen hat, traten demgegenüber völlig zurück. Dieser Ausnahmesekt durfte nicht nur, sondern musste in den Selosseflight und er musste sich außerdem zum Essen beweisen. Einen gelungeneren Einstand hätte er gar nicht abgeben können. Gegenüber Meister Selosse war er aufrgund seines kürzlich erfolgten Dégorgements der deutlich frischere, jüngere, fruchtigere Wein. Das hat sicher für einige Verkoster den Ausschlag gegeben, ihn dem Selosse vorzuziehen. Zum Kalb passte er wegen seiner rötlichen Noten ebenfalls ganz exquisit, wobei er der naturgemäß der unruhigere Part war.

X.2 Jacques Selosse Rosé, dég. 2006

Der fabelhafte Rosé von Selosse war noch vor ein bis zwei Jahren in seiner Fruchtphase, Richard Geoffroy würde sagen: in seiner ersten plénitude. Die hat er verlassen, um sich rauchiger und mit aufgrauhter Schale zu zeigen, die einen komplexen Fruchtkern umhüllt. Mandel, Grießpudding, oszillierende Frucht, fassgereifter Erdbeerbrand. Von beiden Weinen schien er der bedachtsamere zu sein, als Essensbegleiter war er jedenfalls der anschmiegsamere.

zum letzten flight gab es Niedrigtemperatur-Kalb, Buttermilch, Petersilienwurzel, Lauch

abschließend gab es Mango, Kokos, Bisquit

Als Bonusflaschen gab es dann noch

XI.1 Cedric Bouchard Les Roses de Jeanne Pinot Blanc "La Bolorée", 2006er Basis, dég. 12. April 2010

0,21 ha

Nachdem wir schon das Vergnügen hatten, eine Petit-Meslier getrunken zu haben, gab es noch eine gewisse Nachfrage nach anderen Altrebsortenchampagnern. Unter den wenigen Winzern die sich damit befassen, ist der furoremachende Cedric Bouchard von der Aube ganz weit vorn zu nennen. Dessen Roses de Jeanne bestechen durch ihren höchst speziellen Ausnahmecharakter und sind nur in Kleinstmengen, wenn überhaupt zu bekommen. Meine letzte Flasche passte gut in die Runde. Der Weißburgunder wäre blind kaum als Champagner durchgegangen, oder wenn, dann aus einem heißen Jahr. Ganz klar fehlte da die Säure. Trotzdem war er rund, hatte einen flotten Vorwärtsgang drauf, kam ohne die oft störende Salmiaknote der Weiß- und Grauburgunderschaumweine ins Glas und darf als eines der gelungensten Exemplare unter den Weißburgunderschäumern überhaupt gelten. Ein Fan dieser Rebsorte im Schaumwein bin ich aber selbst durch Cedric Bouchard nicht geworden.

XII.2 Pol-Roger Cuvée Sir Winston Churchill 1996

Deshalb musste, nun mit noch größerem Zuspruch aus der Runde, der mehr als zuverlässige – und in puncto Korkproblematik mir bisher noch nie negativ aufgefallene – Sir Winston Churchill her. Der brachte seine ganze ausgewachsene Admiralswürde ins Glas. Zackige, aber nicht verbissene Säure, dabei Nonchalance und gelassene, selbstbewusste Größe, wie man sie bei einem Admiralsball erwartet. Ausdauernder Tänzer, der gut führt, für den belanglosen Smalltalk nicht so sehr geeignet, das liegt nicht in seinem Naturell. Dafür kann er höchst unterhaltsam die eigene Ahnenreihe zusammenfassen und spielend leicht historische Bezüge herstellen. Wundervoller Gastgeber. Der 1996er SWC ist noch auf Jahre ein Champagner zum schwelgen.

Champagnergrandezza

Im Rumpenheimer Schloss floss der Champagner standesgemäß. Der aus morganatischer Ehe stammende Franciacorta (Franco Ziliani von Berlucchi, der gemeinhin als Erfinder des Franciacorta-Schaumweins gilt, hatte seine Kenntnisse bei Moët et Chandon erworben) von Ca del Bosco machte den Anfang.

1. Ca del Bosco Brut Prestige, dég. Frühjahr 2010

75CH 15PN 10 Pinot-Blanc, mit 10 g/l dosiert

Die Erntemenge des Basisjahrgangs 2007 liegt bei schmalen 8800 kg/ha, das wäre für Champagneverhältnisse bedrückend wenig. Beachtliche 134 Lagen bilden den Cuvéegrundstoff, vergoren wird temperaturkontrolliert im Stahltank. Der Reserveweinanteil beträgt 20%, die Hefelagerung findet bei konstanten 12° C statt, was für Champagneverhältnisse wiederum relativ hoch wäre. Die sonstigen technischen Werte: der pH-Wert liegt bei 3,18, die Gesamtsäure bei 5,55 g/l, freie Säure bewegt sich mit 0,34 g/l umher. Dieser saubere Franciacorta ist ein schöner Einstieg in jede Champagnerprobe, weil er bei einer Blindprobe meist nicht als Nicht-Champagner erkannt wird, sobald dann aber ein Champagner folgt, die Teilnehmer nachgrübeln lässt. In sich stimmig, mit seiner angenehmen Röstnote und dem Honigton etwas robust gewirkt, ist der größte Unterschied zum Champagner der Säureeindruck. Würde man den Pinot-Blanc weglassen, könnte dieser Schäumer dadurch bestimmt noch ein wenig gewinnen.

2. Taittinger Prélude Grands Crus

50PN 50CH

Ein anderer von mir gern gewählter Einstieg in Champagnerproben geht über den auch wegen seines Namens dafür gut geeigneten Prélude von Taittinger. Zum Kalibrieren des Gaumens ist der milde, weiche damenhafte und doch schon leicht ins Süffige neigende Champagner wie gemacht. Gegenüber dem Franciacorta trumpft er nicht allzusehr auf, hält ihn aber diskret auf Abstand, was probentaktisch besonders sinnvoll ist, da es eine escalatio praecox vermeiden hilft.

3. Taittinger 2004

50PN 50CH

Ein weiterer Schritt in den Champagnerpantheon geht über die Stufe des Jahrgangstaittinger, den ich im letzten Jahr mit viel Konzentration und Entwicklungsfreude bei der Sache gesehen habe. Nachdem ich bei den großen Häusern nicht immer ganz froh mit der Dosage bin, habe ich zuletzt bei Taittinger und Pol-Roger etwas genauer darauf geachtet, wie mit dem Thema umgegangen wird. Bei Pol-Roger schin mir die Dosage immer grenzwertiger zu werden, bei Taittinger war die Gefahr nie so konkret, bloß eine gewisse Schwammigkeit musste ich bei den jungen Cuvées bemängeln. Zwischenzeitlich hat sich bei beiden Häusern eine Entwicklung gezeigt, die meine Befürchtungen relativiert. Mit zunehmender Flaschenreife ist die anfänglich störende Süße ein Faktor, der umstandslos zurücktritt, bzw. den Schleier über den Aromen lüftet. Mandel, roter und grüner Apfel, Blütenblätter, Brioche kommen hier wie aus dem Nebel hervor und geben dem Champagner ein überzeugendes Äußeres.

4. Claude Cazals Clos de Cazals Blanc de Blancs Grand Cru 1998 Fl. #20

Tiefsitzende Mineralität und eine säurebändigender Extrakreichtum bestimmen diesen Champagner. In der Nase ist nicht gerade wahnsinnig viel los, da ziehen Kreide und Apfel ihre Kreise, kaum mehr. Im Mund keine Knalleffekte, keine abgefahrenen Säureexzesse, sondern ein kantiger, etwas unbequemer Chardonnay, der es zunächst schwer macht, ihm zu folgen. Nach dem ersten Schluck merkt man erst, wie kunstvoll dieser Champagner gebaut ist. Denn erst wenn man der ebenso ruhigen wie intensiven Säureempfindung hinterhersinniert, merkt man, wie überaus lang und klar diese Säure eigentlich ausklingt. Beim nächsten Schluck versucht man von Beginn an auf die Säure zu achten, wird aber von knirschendem Extrakt abgelenkt und hat den passenden Moment schon wieder verpasst. Erst beim dritten oder vierten Schluck ist alles so weit abgesteckt, dass man sich ganz auf die Säure konzentrieren kann, die sich dann ganz zu recht im Glanz der Aufmerksamkeit sonnt.

5. Lanson Blanc de Blancs Noble Cuvée 1998

Nur zu gern hätte ich den Reimser Clos Lanson gege den Clos von Cazals gestellt, doch solange es den noch nicht gibt, ist der Blanc de Blancs aus der Noble-Serie von Lanson ein hochqualifizierter Flightpartner, der genügend tiefreichende Erkenntnisse verspricht. Im direkten Vergleich mit dem Clos Cazals fällt die Unterscheidung großes Haus – kleiner Winzer schon nicht ganz leicht. Klar, Lanson macht keinen BSA und die Noble Cuvée ist kein solcher Entertainer wie die Comtes de Champagne oder ein so unleugbares Gastrogenie wie Dom Ruinart. Umso schöner ist es, die Champagner durch genaues Verkosten auszuloten. Beim Lanson merkt man, dass die Säure in ein großzügiges und kunstreich verziertes Gehäuse eingearbeitet und dadurch eher versteckt ist, während beim Cazals die Säure mit einigem Stolz über mehrere Schlucke enthüllt und präsentiert wird.

6. Louis Roederer Cristal 2002

55PN 45CH, 20% Holzfass, kein BSA

Als Zäsurchampagner und Überleitung zu den Pinotchampagnern kam dann der fabuleuse Cristal 2002 ins Glas. Nach den reinen Chardonnays wirkte er so unverschämt leicht, wie ein junger Cristal leicht wirken muss. Brot, Röstnoten, Hefe, von Ferne ein Duft von Kaffee, Apfelessenz, Verbene, Zitronengras, Orangenschale, alles kreiselte und bezirzte mit einer Mühelosigkeit, die betroffen macht. Ich bin kein Freund davon, Cristal allzulange liegen zu lassen, weil ich finde, dass er in jungen Jahren einfach besser schmeckt, als mit großer Flaschenreife. Der 2002er scheint das aber nicht bestätigen zu wollen. Er reift gemächlich, kleinschrittig und wird bei dieser Entwicklung in den nächsten drei bis fünf Jahren seine Jugendhaftigkeit erst noch voll ausfalten, bevor er in sein zweites Flaschenreifestadium übergeht.

Dann kam der Königsflight:

7. Egly-Ouriet Blanc de Noirs Grand Cru 1999, dég. 2010

Strahlendes Gold und die Kraft eines Nuklearbrennstabs war da plötzlich im Glas. Vanille, Kokos, Brioche, Orange, Ingwer, ein Hauch Safran. Im Mund so etwas, wie eine Methanhydratexplosion, wie sie Frank Schätzing in "Der Schwarm" verschiedentlich beschrieben hat. Also im wesentlichen der Eindruck, als würde tiefgefrorenes Gas sich schlagartig auf das 164-fache seines Volumens ausdehnen, nur dass man sich das hier mit den köstlichen Pinotaromen von Francis Egly vorstellen muss.

8. Jacques Selosse Blanc de Noirs Grand Cru Ay La Côte Faron Extra Brut, dég. 27. Jan. 2010

Dieser Lieux-dit ist wie die berühmte Substance ein Solera-Champagner, er besteht aus den Jahrgängen 1994 – 2003, was altersmäßig dem Egly-Ouriet ja irgendwie sehr nahe kommt. Die Frage innerhalb des Probenablaufs war natürlich: würde Meister Selosse den Kollegen aus Ambonnay mit seiner flammneuen Einzellage, dem früheren Grundstoff des Contraste (der tatsächlich neben dem hier als Einzellage verwendeten Pinot auch Pinot aus Ambonnay enthielt) noch übertreffen? Das lässt sich nicht abschließend sagen. Beide Champagner waren gigantisch. Der Selosse völlig anders als der Egly, zwiebelschalenfarben, fast Rosé. Himbeermark, Sauerkirsche, Unterholz, für einen Extra Brut von unverschämter bis obszöner Trinklustigkeit, was ihm in meinen Augen den Sieg sicherte.

Nun war wieder eine kleine Pause nötig, der vorangegangene flight durfte erstmal nachwirken.

9. Bollinger Grande Année 1996

Mit etwas zeitlichem Abstand und der Wiederkehr objektiver Verkosterfähigkeit kam der nächste Hammer ins Glas. Grande Année 1996, ein Champagner, der vor Kraft birst und so erfrischend ist wie ein schnell geschlagener Satz Ohrfeigen.

10. Bollinger R.D. Extra Brut 1996, dég. Sep. 2006

Tückisch im Vergleich mit dem 96er Grande Année war der R.D. Besser kann man den Unterschied zwischen den beiden Degogierzeitpunkten kaum demonstrieren, als in diesem flight. Der R.D. war in allem Grande Année, aber mit einer Agressivität, mit dem so typischen Vitamin-C, mit einer auf die Spitze getriebenen Aromatik, die wie ein Messer wirkt, das kurz davor ist von ultrascharf zu schartig geschliffen zu werden.

11. Veuve Clicquot La Grande Dame Rosé 1989

Nach dem Kraftexzess und Höhenrausch der Bollingers nahm die große Mutter uns an ihren prachtvoll wogenden Busen. Die erschöpften Verkoster konnten sich an Milch, Milchkaffee, Toffee, Rumtopf, beschwipster Erdbeere, Mokkabohne, Kaffeerösterei und pikantem Damenduft laben, kein noch so weiches Gaumenkissen vermag eine solche Lagerstatt zu ersetzen.

12. Laurent-Perrier Grand Siècle 1988

Als Bonusflasche durfte es noch eine kleine Besonderheit sein, einer der wenigen Grand Siècles mit Jahrgang, noch dazu aus dem perfekt gereiften 1988er Jahrgang. Feminin war hier nichts, die ganze Verspieltheit rührt von einer gewissen höfischen Machart her, die dem Champagner eine kühle Noblesse gibt. Der Champagner ist strukturiert, auf Perfektion bedacht, mit wenigen Verzierungen, aber von einer Leichtigkeit und Frische, die an den 2002er Cristal erinnert. Gegenüber dem manchmal spitzenmäßigen, macnhmal schon wieder abgesunkenen 90er Grad Siècle ist der 88er wahrscheinlich die zuverlässigere und jetzt noch immer haltbare Wahl.