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Category Archives: Champagner

Hier dreht sich alles um Champagner.

Pi, Pa, Po: Piper-Hiedsieck Rare 2002, Bruno Paillard N.P.U. 2003 und 2 x Pommery Louise 2004

Eigentlich ist es ein Unding, diese drei Erzeuger mit ihren jeweiligen Champagnern in einem Atemzug oder Beitrag zu nennen. Jeder davon wäre einen eigenen Beitrag und eine eigene Würdigung wert. Könnte man meinen. Nur wenn man die Dinge so sieht, darf man überhaupt nie über mehrere tolle Sachen zugleich berichten, solch eine Sicht wäre also grundlegend falsch. Weil ich zu denen gehöre, die nur im Sinne der Straßenverkehrsordnung gern mal was falsch machen, hier eine kurze Einschätzung von mir sehr geschätzter Champagner.

Piper-Heidsieck Rare 2002, mittlerweile ein alter, von mir ehrlich gesagt nie wirklich geliebter Bekannter, ich fand die regulären Jahrgänge von Piper-Heidsieck in den letzten Jahren meist schöner (zuletzt den 2006er). Das Fine Champagne Magazine setzte den Rare 2002 nach einer Reihe ungewöhnlicher Entscheidungen als eine für mich nochmals weniger nachvollziehbare Kür an Nummer 1 der 100 Best Champagnes for 2011, Dirk Würtz stapelte neulich mit 94 Punkten etwas tiefer und attestierte vor allem Balance. Dem kann ich mich mittlerweile anschließen, bei den Punkten bin ich bekanntlich sowieso geiziger als die meisten Berufsbepunkter. Warum ich den Rare aber an dieser Stelle und Umgebung erwähne? Weil er zu den Champagnern mit der heftigsten, erstaunlichsten, dabei nachvollziehbarsten und positivsten Entwicklung der letzten Jahre gehört. Wie in Zeitlupe kann man seit 2011 dem Abschmelzen der Fettmassen zusehen, das zuckersüße, auf weltweiten Zuspruch getrimmte Äußere weicht Stück für Stück einer abgeklärten, in sich ruhenden Schönheit und Größe, die Meckerer wie ich vor drei oder vier Jahren höchstens als Lippenbekenntnis prognostiziert hätten, ohne wirklich selbst dran zu glauben.

Bruno Paillard N.P.U. 2003 ist nach 1990, 1995, 1996 und 1999 das jüngste Baby der Reihe von Superchampagnern aus dem Hause Bruno Paillard, obwohl das nicht ganz richtig ist: 2000 und 2002 warten schon, bzw. noch auf ihre Freigabe. Bei 2000 ist es immerhin denkbar, dass die Entscheidung ähnlich ausfällt, wie bei Krugs Clos du Mesnil 1999, der ja kurz vor Freigabe doch noch abgesa(e)gt wurde. Zurück zu Bruno Paillards NPU. Hier ist es fast schon nicht mehr erstaunlich, dass die besonders herausfordernden Jahre in der Genealogie überwiegen: 1990, 1996, in Klammern 2000 und jetzt das Problemjahr 2003 (davon gibt es nur etwas mehr als 4000 Flaschen, nach sonst immer so um die elftausend). 50PN 50CH aus Oger, Chouilly, Verzenay und Mailly, vergoren und ausgebaut in kleinen Eichenfässern, dosiert mit 3g/l. Seit Oktober 2015 auf dem Markt und daher für eine zutreffende Einschätzung jetzt noch gar nicht geeignet. Aber neugierig ist man ja doch immer und lässt sich gern verblüffen. Am verblüffendsten beim NPU 2003 ist das Fehlen jeder Fettleibigkeit oder Schwere, hochgradig beweglich und geländegängig, passend zum Bohnensalat aus warmen Bohnen, Hummerfleisch, Foie Gras und Trüffeln, mit etwas Reimser Essig und Aceto Balsamico, Salz, Pfeffer abgeschmeckt.

Louise Pommery 2004 Brut (5 g/l) und brut Nature (1 g/l), könnten auf den ersten Schluck unterschiedlicher kaum sein, dabei trennt sie nur ein wenig Zucker. Die so schon leichtbekleidete Louise gänzlich nackend als Brut Nature herauszubringen grenzt an eine Ungeheuerlichkeit, ist aber nur konsequent, was ja fast auch schon wieder gleichbedeutend ist. Pommery als Erfinder des Brut-Stils in einer Zeit, als weit über 100 Gramm/Liter Dosagezucker angesagt waren, ist natürlich von Hause aus legitimiert, eine Prestigecuvée mit nur einem Gram Dosagezucker herauszugeben, beinahe möchte man sagen: verpflichtet. So ist die Brut Nature Version der 2004er Louise eine Art Blaupause, als hätte Elon Musk die Tesla-Patente öffentlich zugänglich gemacht. Einen so genauen Blick auf das Innere der Cuvée konnte man noch bei keinem Champagner dieser Klasse werfen. Die Louise Brut Nature wirkt deshalb erstmal verstörend. Nicht jeder, der sich für Frauen interessiert, kann sich schließlich ebensosehr für ihr Innenleben begeistern. Aber wenn man sich gewöhnt und von unpassenden Assoziationen befreit hat, geht’s ganz gut. Vor allem in der Gastronomie müssten jetzt sehr viele Sommeliers vor Erleichterung in die Knie gehen wie Kühe, deren übervolle Euter abends endlich von kundigen Sennerinnenhänden abgemolken werden. Weil: wenn ich mir vorstelle, dass ich mir von einer Weinkarte künftig nicht nur reife Louise kommen lassen, sondern auch die aktuelle und die in Brut Nature zum Essen servieren lassen kann, z.B. die Kamtschatkakrabbe mit Safran aus dem Kronenschlösschen also in ein flüssiges Habitat Eingang fände, das besser als ihr natürliches ist, oder die unglaublichen Kingcrabs von Jean Porno im Pure White Food oder die Seezunge mit Mandarine von Thomas Bühner, dann werde ich schon beim Schreiben wieder ganz wuschig.

Im Champagnerleistungszentrum: Vintage 1996 revisited @ Berens am Kai, Düsseldorf

Es gibt in der Weinwelt so erratische Jahrgänge, die sind faszinierend und abschreckend zugleich. Wenn man sich vorstellt, was aus dem Material mancher dieser Ernten alles werden könnte, ist man schon auf Jahre im voraus wie betäubt. Wenn man dann sieht, was in den ersten Jährchen nach der Ernte tatsächlich draus wird, wie schnell manches abstirbt oder verhunzt, hinter den Möglichkeiten zurückbleibt oder (vermutlich) aus Liquiditätsgründen vorzeitig auf den Markt geschleudert wird, ist die Enttäuschung, ja das Entsetzen groß. Wie soll da eine vernünftige Einschätzung möglich sein? Nur durch beständiges Nachprobieren und Imaugebehalten. Eine Mühsal sondergleichen, aber anders geht es nicht. Wenn sich nach Jahren dann einige Kandidaten als Spitzenperformer herauskristallisieren, dann ist es an der Zeit, diese um sich zu scharen und in passender Runde dem großen Interview zu unterziehen. Einer, der sich auf die Zusammenstellung solcher Runden versteht, ist der liebe Alper Alpaslan. Sein Thema: der Jahrgang 1996. Dessen DNS lässt ja alles zu, hyperaktives Wunderkind ebenso wie gescheiterte Künstlerexistenz, mover & shaker, finaler Endboss oder Master of the Universe. Dem musste also auf den Grund gegangen werden. Im Düsseldorfer Beritt kamen zu diesem Zweck einmal mehr illustre Herrschaften zusammen, darunter Richard Juhlin und Rytis Jurkenas und selbst der Weinterminator war sich nicht zu schade, obwohl er Champagner eigentlich am liebsten trinkt, wenn der seinen Champagnercharakter weitestgehend eingebüßt hat oder von vornherein nur für Rotweintrinker gemacht wurde.

I.1 Philipponnat Clos des Goisses 1996, hielt ich für Belle Epoque, mittlere, rückgratgebende Säure die mich auf den irrigen Gedanken brachte, es könnte sich um den berühmten Cramantchardonnay der Belle Epoque handeln; im Kern weich und mild, der Duft nicht besonders freigebig bis eher simpel.

I.2 Duval Leroy La Femme de Champagne 1996, war deutlich dunkler gefärbt und wirkte in der Nase offener, im Mund mit heftiger Kehrtwende und hakeliger Säure, so dass ich zuerst wegen der schmeichelnden Weichheit und dunkleren Färbung an einen ganz leicht korkigen Cristal dachte und erst mit dem Säureeindruck in Richtung Femme riet.

I.3 R & L Legras Cuvée Saint-Vincent 1996 schien mir heller zu sein, aber auch deutliche einfacher als die beiden Vorgänger. Ich hatte deshalb keine Prestigecuvée vor Augen, sondern einen regulären Jahrgang und ganz konkret dachte ich gleich fälschlich an Pol-Rogers Vintage. Der Champagner war jedenfalls weich und etwas zu laktisch für meinen Geschmack.

II.1 Veuve Clicquot La Grande Dame 1996 war auf Anhieb stahlig und poliert, wirkte erst mit Luft zunehmend laktisch und geradezu platt. Ich dachte an Grande Dame, mehr aber noch an Nicolas Feuillatte.

II.2 Bollinger Grande Annee 1996 en Magnum sprach mich sehr an und ließ mich darob verstummen. Alles Kramen half nichts, ich wusste auch hier nicht wirklich, woran ich war. Saft, Nuss, Druck und Pinotpower sprachen bei Licht betrachtet klar für Bollinger, ich habe aber irgendwo bei Egly-Ouriet oder Jacquesson hinvermutet. Über den Gesamtabend betrachtet einer meiner Favoriten (95 Punkte)!

II.3 Pommery Louise 1996 war leider korkig.

III.1 Krug 1996 war saustark und der Auftakt zu meinem internen running gag des Abends. Denn Ich Depp dachte doch wirklich, hinter allem könnte sich die Belle Epoque verbergen. Dass Butter, Reife und Seidigkeit wie hier erlebbar noch nie in einer von mir getrunkenen Belle Epoque vorhanden waren, beiirte mich dabei nicht groß. Sehr schöne performance jedenfalls von Krug und 93+ Punkte von mir.

III.2 Taittinger Comtes de Champagne 1996 war purer Chardonnay, vollgepackt mit Schwefel, Reduktion, Röstnote und Jod, der Schwarzpulvermix eben, den man oft mit Taittinger verbindet, so dass ich mit meiner blinden herumraterei auch einmal auf Anhieb richtig lag, aber auch nur, weil ich nicht im letzten Moment doch noch auf Dom Ruinart umschwenkte (der es nämlich auch hätte sein können).

III.3 Pol Roger 1996 war ähnlich em R & L Legras klar schwächer als seine Flightpartner, Säure habe ich arg vermisst, die üppige Frucht machte das nicht annähernd wett, der Champagner war einfach zu soft in diesem Hochleistungsumfeld, würde aber solo getrunken sicher überzeugen.

IV.1 Bollinger Vieilles Vignes Francaises 1996, ein legendärer Wein, von dem ich anfangs dachte, es wäre der von mir selbst (und übrigens auch ganz schön seltene) mitgebrachte Grand Siècle 1996. War er natürlich nicht, obwohl ich den Gedanken angesichts der Nachbarschaft von Ay und Mareuil-sur-Ay schon klug finde. Enormer Champagner, voll ausentwickelter Bollystil, der von mir 95 Punkte bekam, was ich in der Rückschau zu wenig finde.

IV.2 Jacquesson Vauzelle Terme 1996 en Magnum, war so leicht und fein, dass ich an bestens erhaltenen Cristal dachte, obwohl eine säuerliche Camphernote das nicht richtig hergab. Mit sehr viel Luft entrollte sich dieser Champagner dann immer weiter und ich bedauere etwas, dass ich den nicht länger im Glas behalten konnte, denn das Ende der Fahnenstange ist da noch nicht erreicht.

IV.3 Dom Perignon 1996 schien mir fehlerhaft, allzu nussig, vorzeitig oxidiert.

V.1 Laurent-Perrier Grand Siècle 1996 kam von mir und begeisterte mich nicht. Brotige Nase und leicht brenzliger, an Lichtgeschmack erinnernder Ton, wobei die Flasche aus vertrauenswürdiger Quelle kam und dort sicher nicht fehl-/überlagert wurde.

V.2 Diebolt-Vallois Fleur de Passion 1996 war viel alerter, aufregender und verspielter als der Vorgänger, Chardonnayigkeit, Jod und Reduktion ließen mich hier, wie beim Comtes, noch einmal an Dom Ruinart denken, auch angesichts der noch nicht völlig offengelegten Reifemöglichkeiten. Ich traue der Fleur de Passion noch eine ganze Weile Flaschenreife zu.

V.3 Billecart-Salmon Le Clos Saint Hilaire 1996 war leider eine Enttäuschung, wenn ich an den Preis denke und daran, wie außer mir ich vor Begeisterung war, als ich 1998 und 1999 probiert hatte.

VI.1 Krug Clos D’Ambonnay 1996, hätte nach meiner Vorstellung der riesengroße Selosse 1996 sein müssen, mit dem ich mal eine Probe bei Hartwig Fricke in Düsseldorf versucht habe, auf die Champagnerseite zu ziehen. Und danach vor lauter Freude fast alle meine Flaschen selbst ausgetrunken habe, als ich noch gut dran kam. Irre, rasante Säure, saustarkes Zeug, das 96 Punkte bequem verdient hat.

VI.2 Pol Roger Sir Winston Churchill 1996, sanft und eingängig, mandelig und eher süß. Nach dem wahnsinngen Clos d’Ambonnay leider eine ziemlich profane Angelegenheit.

VI.3 Salon 1996, sehr easygoing, sehr pikante Säure, biederte sich aber auch erstmal nur an und braucht sehr viel mehr Zeit zur Entfaltung als der Krug.

VII.1 Louis Roederer Cristal Rosé 1996 war, wie die Flightpartner, schon anhand der Farbe und weil bekannt war, welche Roséchampagner antreten würden, leicht zu erkennen. Cristal Rosé in sehr hellem Farbton, frisch, sexy, fruchtig, smart. 94+ Punkte.

VII.2 Dom Pérignon Rosé 1996 hatte den festen Händedruck des arbeitsgewohnten, dennoch zur Körperfülle neigenden Mönchs, auch das ganze dunklere Beerenobst aus seiner Gartenanlage nebst Himbeerblättern und strauchigen Aromen findet sich hier wieder. Nochmal 94+ Punkte.

VII.3 Taittinger Comtes de Champagne Rosé 1996, schlank, mit weißer Seele. Der rotfleischige Apfelsecco von Raumland könnte sich daran orientieren. Erneut 94+ Punkte.

VIII.1 Billecart-Salmon Nicolas Francois Billecart 1996 en Magnum war rauchig und flintig mit mir zu viel Süße, ich war weit weg von jeglicher begeisterung, obwohl ich den normalen Nicolas Francois Billecart eigentlich liebe. Irgendwie nicht er Billecart-Abend, oder -Jahrgang, oder was weiss ich.

VIII.2 Egly-Ouriet Millésime 1996 reihte sich mühelos ein und blieb für mich unterhalb von 90 Punkten. Apfel, Zwiebel, Kraut und Oxidation.

VIII.2 Henriot Cuvée des Enchanteleurs 1996 en Magnum
Süße Nase, softer Wein, stand bei mir unter Korkverdacht und schloss den schwächsten flight des Abends ab. Sehr schade, weil Henriot sonst gute Sachen macht, vor allem die 95er Cuvée des Enchanteleurs oder nicht allzu alte (bis in die Neunziger ist ok, älter eher nicht, da habe ich selbst aus der Magnum vorwiegend maue Erfahrungen gemacht) Brut Souverains können einen für sehr viel Ungerechtigkeit in der Welt entschädigen.

IX.1 Jacques Selosse 1996, frisch und direkt vom Meister extra für den Abend dégorgiert, erinnerte mich an einen Besuch bei Bérèche, als ich meinen ersten Beaux Regards dort getrunken habe. So hemmungslos herb, frisch, knallig, explosiv, pilzig, archetypisch, ein Selossedenkmal, 94++ Punkte.

IX.2 Dom Ruinart 1996 war korkig.

IX.3 Vilmart Coeur de Cuvée 1996 machte auf mich einen fehlerhaften Eindruck, bleib mit einer mauen performance weit von 90 Punkten entfernt

X.1 Louis Roederer Cristal 1996 war so toastig, hefig, röstig, so hemmungslos Cristal, dass die 94 Punkte zwar nur noch schwer von der Zunge, aber leicht von der Hand gingen.

X.2 Krug Clos du Mesnil 1996, die ersten Schnellzüge knapp hundert Jahre vorher müssen ähnlich auf die Menschheit gewirkt haben. Durchzug pur, 95 Punkte von mir, obwohl ich eigentlich überhaupt kein besonders großer Fan vom Clos du Mesnil bin und mir, abgesehen vom Preis, davon nicht mal eben eine Flasche öffnen würde, sondern den immer nur im Zusammenhang mit anderen Champagnern getrunken habe und weiterhin vorhabe zu trinken.

X.3 Perrier Jouet Belle Epoque 1996 hatte es natürlich schwer in diesem flight, schlug sich aber mit Nuss, Phenol und einer reduktionsnase immer noch so gut es ging. Einen Korkverdacht wurde ich dennoch nicht los.

Einige Bonusweine gab es noch, der von mir mitgebrachte (nicht sehr häufig erhältliche) Laurent-Perrier Côteaux Champenois Rosé war leider korkig. Eine Flasche habe ich noch, hoffentlich ist die in Form.

Henriot Millésime 1996 en Magnum war besser als der Enchanteleurs, hatte etwas dunkles, tiefes, mystisches, packte zu und machte Spaß.

De Saint Gall Blanc de Blancs Orpale 1996, von 1995 bis 2003 in Brut und Brut Nature habe ich die Orpale getrunken, mit Essen, ohne Essen, nie mit größter Begeisterung; die 96er Orpale war von allen bisher getrunkenen die beste, couragierteste, profilierteste. Ein Fan bin ich dadurch immer noch nicht geworden, aber zum Essen würde ich sie jederzeit wieder trinken.

Bollinger Grande Annee 1979 war ganz schön dunkel, darf er aber natürlich sein, bei dem Alter. Nach meiner Erinnerung ein Mitbringsel von Rytis, der dafür höchsten Dank verdient. Bingedrinkinggeeignet.

Guillaume Sergent Les Prés Dieu und Barbichon 4 Cépages hatte ich ebenfalls noch mitgebracht, beide gefielen auch Richard Juhlin ziemlich gut, der insbesondere beim 4 Cépages den Weißburgunder schnell identifizierte.

Lafite Rothschild 1989 schmeckte toll und war mit paar einfachen Ja/Nein-Fragen auch leicht zu erraten (Bordeaux? Vor 1995? Aus den Achtzigern? linkes Ufer? Pauillac? Premier Grand Cru? oder so ähnlich und dann blieben ja nicht mehr viele Kandidaten übrig).

Fazit:
Der Jahrgang hat teilweise die höchsten Erwartungen erfüllt. Ein klassischer Lager- oder Sammeljahrgang ist 1996 nicht, außer bei den allerteuersten (und durchaus sammelwürdigen) Champagnern, die fast ein wenig wider Erwarten bestens abgeschnitten haben. Weiteres Fazit: Weinproben im Berens am Kai sind immer auch ein Lehrstück in Sachen Professionalität von Küche und Service. Genau so wünscht man sich das allerorten.

Es lächelt der Rheinturm, er ladet zum Trunk: Champagnerstelldichein in Düsseldorf

Proweinsonntagabends im Rheinturm treffen sich dank einer Initiative der unermüdlichen Nicola Neumann jetzt schon im dritten Jahr die Grand Crus der Champagner-Winzerszene und der deutschen Weinpublizistik. Damit ist der Rheinturm heimlicher Hotspot des Proweinsonntags, wie der See zu Beginn von Schillers Wilhelm Tell lächelt er und ladet zum Trunk.

Leclapart Artiste (2007), ich dachte ja allen Ernstes, ich hätte mehr oder weniger alle Leclaparts seit 2004 bereits ein- oder mehrfach getrunken. Vermessen genug. Den 2007er Artiste habe ich dann auch wirklich in keiner meiner Notizen entdecken können und war überaus happy, ihn nun von Alexander Steinmüller direkt eingeschenkt zu bekommen. Mächtiger Champagner, kann ich nur sagen. Und ein erfülltes Reifeversprechen, das sehr viel Skepsis ausgelöscht und weggespült hat.

Hugues Godmé Brut Nature (50M 30CH 20PN) und Hugues Godmé Fins Bois (60PN 40CH) sind so etwas wie das Gegenstück von der anderen Seite des Hügels zu den Champagnern von Eric Rodez. Vinifikation ohne BSA erfolgt im Stahl, ein zunehmender Anteil wandert danach ins Holz. Bekannt ist Godmé vor allem noch unter dem Namen Godmé Père et Fils (seit 2013 biozertifiziert), die Kinderlein zankten sich aber und im August 2015 wurde die Trennung der aus dem elterlichen Weingut hervorgegangenen Güter von Sabine und Hugues vollzogen. Hugues macht unverdrossen starke Champagner, die in Deutschland viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Die Vorzüge der nördlichen Montagne (Drahtigkeit, Eleganz, Spannkraft und Reintönigkeit) lässt er allegro moderato vortanzen wie das Moskauer Staatsballett die vier kleinen Schwäne in Schwanensee.

Alexandre Salmon Rosé de Saignée 2012 kommt in schwarzmattierter Flasche und wie mit Goldedding handbeschrieben auf den Markt. Nils Lackner (Ex-Sansibar, Sylt), dem ich den Genuss dieser Flasche verdanke, nahm mich schon bei anderer Gelegenheit sehr für die Produkte seines Dienstgebers ein, bis heute kann ich mich nicht entscheiden, ob ich dem “A.S.” oder dem Special Club von Salmon den Vorzug gebe. Jetzt tritt mit dem Rosé noch ein weiteres Luxusproblem hinzu, ein Champagner ohne Allüren, dafür mit viel Dickschädel, genau das also, was ich mir bei Roséchampagner, der nur zu oft zum Partysprudel degradiert wird, wünsche. Herb, kräftig, kräuterig, mit Cassis und Wacholder.

Eric Rodez stellte seine beiden Parcellaires vor, Les Genettes Pinot Noir Ambonnay Grand Cru 2010 und Les Beurys Pinot Noir Ambonnay Grand Cru 2010. Kaum zu glauben, dass Rodez, dem wir Cuvéekunststücke wie die Cuvée des Grands Vintages zu verdanken haben, sich auf so etwas einlässt. Andererseits: jemand, der den Wein sich entwickeln lässt, sich als Person im Vinifikationsprozess (kleines Fass, kein BSA, meieutische Dosage von 3 g/l) zurückzunehmen versucht, der sollte doch auch einen Parcellaire aus einer Rebsorte und einem Jahrgang hinbekommen. Und genau so ist es. Beide Parcellaires, zugegeben, so etwas wie eine Mode in der Champagne, sind überragend. Les Genettes ist voluminöser, speckiger, saftiger, ganz aus dem Herzen Ambonnays, Les Beurys ist drahtiger, etwas athletischer, feiner. Den Empreinte Pinot Noir 1999, eine freundliche Dreingabe von Eric Rodez selbst, gab es später noch in der frisch renovierten und wiedereröffneten Trattoria Zollhof. Zu meiner späten Fischsuppe und zu den Trüffeltortiglioni war das exquisit. Über diesen hedonistischen Champagner kann ich mich aber auch so, zu jeder Tageszeit und auch ohne Essen gar nicht richtig einkriegen. Der ganze Saft, die ganze Säure, das kunstvolle Changieren, das kreiselnd Schöne, so lässt sichs aushalten.

J.-M. Sélèque Partition 2010, von dem konnte ich gar nicht genug bekommen und hätte am liebsten die anderen Standbesucher gar nicht erst herangelassen. Nach der Solessence als Auftakt ins Programm des jungen Talents ist die Partition so etwas wie der Knixwear Evolution Bra unter den Champagnern, wenn man so will.

Janisson-Baradon Toulette 2008 mit neuem Schwung und neuer Frische, mit der provokanten Note des Chardonnay Muscaté, mit dem Extra an Säure, die in Deutschland nicht erhältliche Red Bull Edition Citron Vert hat sich garantiert an diesem Champagner orientiert und inspiriert.

Ein anderer Liebling ist Dosnon, dessen Récolte Noire so zuverlässig ihre Bahnen zieht, wie der bei Biodynamikern und anderen Somnambulen so beliebte Mond. Alles andere als flüchtig und vergänglich ist der Ephémère, ein hundertprozentiger Meunier. Von der Aube. Das Wort vom sparkling Puligny verließ schnell meine Lippen und dabei ist es doch so falsch (eigentlich wäre wahrscheinlich Chassagne-Montrachet oder zumindest Saint Aubin richtiger, angesichts der roten Rebsorte) und doch wiederum fühlt es sich richtig an (weil weiss gekeltert). Davy Dosnons Rosé ist so aromatisch wie die Früchtegels, die man manchmal aus den guten Küchen z.B. vom Falco in Leipzig, Haerlin oder The Table in Hamburg bekommt und hat bei mir einen ähnlichen Beliebtheitsgrad.

Grande Vallée de la Marne mit Sascha Speicher

Kaum mit der einen Prowein-Veranstaltung fertig (meiner eigenen), hieß es hurtig weiter, zur traditionellen Meiningerprobe von Sascha Speicher. Der hatte sich das Marnetal vorgeknöpft.

Deutz Rosé (Assemblage) Brut, 90PN 10CH, Rotwein aus Mareuil-sur-Ay (Beinahe-Grand Cru mit 99% auch der échelle des crus), wo Deutz über 15 ha Rebfläche verfügt. Wohl nicht ganz zu Unrecht habe ich den Deutz Rosé letzthin gleich mehrfach Sommeliers ans Herz gelegt, die noch auf der Suche nach einem passenden Champagner für ihre Karte oder das Mitarbeiterdeputat waren. Der geringe aber wirkmächtige Anteil an Rotwein ist der Schlüssel zu diesem Champagner. Die Kunst des Assemblagerosé ist es ja, einen massgeschneiderten Stillwein anzufertigen, in den die Cuvée hineinschlüpft und der sich wie ein Marvel-Superheldenanzug dem Körper angleicht. Das klappt hier vorzüglich, wobei der Körper eher etwas von Catwoman hat, als von She-Hulk.

Bollinger Rosé (Assemblage) Brut, 50CH 40PN 10M, Tirage 2012, war fetter und holziger als der Deutz, also mehr She-Hulk (im Zivilleben Anwältin) oder Ben “The Thing” Grimm (eigentlich der melancholischste aller Marvel-Superhelden).

Lallier R.012 Brut ist nach langer Zeit der erste Schritt aus einer gewissen Etikettenerstarrung des dritten aus Ay stammenden Hauses in dieser Probenfolge. Nach wie vor fehlt bei Lallier so etwas wie eine echte Spitzencuvée in der Dom Pérignon Klasse. Dafür ist das Basissegment jetzt neu aufgestellt mit einer Namensgebung, die Transparenz ganz gross schreibt. Ich hoffe nur, dass das nicht wie mit der Mis en Cave Geschichte bei Charles Heidsieck bloss Quell von Missverständnissen ist. Jedenfalls steht das “R.” für Récolte, als Erntejahr. Hier: 2012, deshalb 012. 38CH 62PN sind ein guter Mix, dosiert wurde mit räsonablen 8 g/l, dégorgiert wurde im Februar 2015. Der Stil ist leicht, schlank, elegant und weniger röstig-rauchig als früher. So kann Lallier gern weitermachen.

Billecart-Salmon 2006 Extra Brut, überwiegend Pinot aus Mareuil, dosagelos. Nicht ganz einfach und überhaupt nicht mehr so clean, smart und easydrinking, wie man das von Billecart kennt. Phenolisch, nussig, erdig, ledrig. Viel Trüffel im Essen dazu wird helfen.

Geoffroy Empreinte Premier Cru 2009, ein Pendler zwischen Cumières und Ay, der sich nun für Ay entschieden hat und sich dort den örtlichen Gepflogenheiten anglich, bzw. nicht ganz: seine Reserven liegen zwar wie bei Bollinger auch unter leichtem Überdruck, aber bei Bolly sind es 1,5 bar, bei Geoffroy ca. 3 bar, also im Grunde sofort trinkfertig (wie gut das dann nach zig Jahren noch schmecken kann, wissen wir, seit der berühmte Pol-Roger Reservewein aus Grauves 1928 von Juhlin 100 Punkte bekam). 75PN 20CH 5PM, mit 6 g/l dosiert, dég. Oktober 2015, Vinifikation im großen Holz und der Preis ab Hof war schon beim 2008er so lachhaft, dass man ihn besser gar nicht erst verrät. Beim 2008er gefiel mir die Weltklassesäure besser als beim 2009er, aber der 2009er bringt etwas mehr G’schmackigkeit und Würze mit.

Georges Laval Cumières Premier Cru Brut Nature, Erntejahr 2012, dég. April 2015, ist jedes Mal wenn man ihn trinkt nicht nur ein Mordsvergnügen, sondern so wie er in den Rachen hineinfährt weingewordener Triumphzug.

Dom Pérignon 2006, hach, Dom Pérignon. In den letzten Monaten seit seiner Marktfreigabe habe ich ihn einige Male probiert und jedes Mal war er anders. Deshalb probiere ich die mir zugesandten Musterflaschen dieser Art meist nicht sofort, sondern lege sie für mindestens sechs Monate weg und besorge mir ganz gewöhnliche Flaschen über den Handel, um hin und wieder mal reinzuspitzen. Ich muss schließlich nicht der erste sein, der über einen neuen Jahrgang lospalavert, dafür möchte ich lieber ein belastbares und zutreffendes Urteil gefällt haben. Beim Dom Pérignon 2006 bin ich bis heute noch nicht sicher, da ist so viel drin, Smen (nicht: Smegma; sondern die alte marokkanische Butter), Avocadotoast, Eukalyptus, Mandel, Bitterorange zum schwelgen, lagern und jetzttrinken gleichermaßen gut.

R. Pouillon & Fils Blanc de Blancs Les Valnons Ay Grand Cru Extra Brut 2008 war nochmal eine tiefe verneigung vor diesem ehrwürdigen Cru. Intensiv, kraftvoll, schreitend, würdig, lang, anspruchsvoll und so aromenreich wie alter Armagnac, nur ohne den Sprit.

Henri Giraud MV09 Ay Grand Cru Brut, so wie Bollinger mehr Fett, Wucht, Saft und Kraft in seinen Champagner gelegt hat als vorhin zur Eröffnung der Deutz, so hat Giraud in den MV09 einen noch irreren Ansaugdruck erzeugt, als Pouillon. BMW 335i gegen Shelby GT500 (von heute, nicht von früher).

Philipponnat Mareuil-sur-Ay 2006 Extra Brut, 100PN aus fünf verschiedenen Parzellen (Valofroy, Les Côtes, Montin, Carrière d’Athis und Croix Blanche), halb im Tank mit BSA, halb im Holzfass ohne BSA vergoren und mit 4,5 g/l dosiert. Für mich charakterlich sehr nah am Kameraden aus der Rue Carnot. Fand ich schwierig und im Moment nicht im Reinen mit sich selbst. Von Nuss geprägt, leicht verräuchert und sonst sehr verschlossen. Braucht noch viel Zeit.

Roederer Brut Nature Ed. Starck 2006, 66PN 33CH, dég. April 2015, war eine geradezu gewagte Kreation von Roederer, die sich damit schon früh als wache Beobachter der brodelnden Winzerszene zu erkennen gegeben haben, bzw. vielleicht auch das Dosagethema damals ganz von sich aus aufgegriffen haben, um es dann nach langen Jahren mit einer passenden Habillage zu versehen, was ziemlich gut gelungen ist, wie ich schon länger meine. Vor allem der früher irritierende Scotchton ist mittlerweile gewichen, die im Untergrund rasende Säure steht kurz vor ihrer Freilassung, wie es scheint. Was dann kommt, ist nochmal aufregender und als Zwischenfazit muss ich einmal mehr sagen, gehört Roederer zu den großen Häusern, die praktisch alles richtigmachen.

Champagne von Norden nach Süden in nur einer Stunde

Partypeople! Dann und wann muss ich selbst mal ran und das champagnerapostolische Werk verrichten. Auf der Prowein findet sich dafür naturgemäß ein besonders empfangsbereites Publikum. Der Veranstaltungsdienstleister der Messe Düsseldorf, Promessa, hatte ein schönes Rahmenprogramm für die seit Jahren immer besser angenommene Champagnerlounge organisiert (http://www.champagne-lounge.fr/de/champagne-lounge-2016/rahmenprogamm), mir fiel wie im letzten Jahr die Rolle des Reiseleiters einer Verkostungstour von Norden nach Süden zu. Eine Stunde Zeit und Zugriff auf alle Weine der Aussteller in der Champagnerlounge, Herz, was willst du mehr?

Apollonis Authentic Meunier Les Classiques Brut, 9 g/l, hieß früher Authentic Blanc de Meuniers und noch vorher Réserve Blanc de Noirs, nach der ca. dritten Etikettenänderung in den letzten fünf Jahren hat man sich nun zur völligen Umbenamsung einschließlich des Weinguts selbst entschieden. Michel Loriot heißt jetzt Apollonis und sein Meunier ist weiterhin so etwas wie die Eintrittskarte in die Welt dieser Rebsorte, somit auch ein passender Einstieg in die Probe.

Xavier Leconte Meunier Parcellaire La Croisette (Ex Vent d’Anges) 2007, 3,6 g/l, Vinifikation im alten Fass. Vater Xavier, der ein wenig aussieht wie Dieter (bzw. Max) Moor vom Fernsehmagazin titel, thesen, temperamente, der wiederum ein Buch geschrieben hat, das in die Champagne passen könnte: “Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht. Geschichten aus der arschlochfreien Zone”, hat die Weingutsleitung auf seinen deutlich kommunikativeren Sohn übertragen. Der hat die vom Vater erdachte Rebsortenlinie Les Vents d’Anges konsequent weiterentwickelt, die Profile schärfer herausgearbeitet, die Etikettengestaltung modernisiert und mit dem Croisette 2007 einen Champagner geschaffen, der einen durch die – in diesem Fall in Troissy, gelegene – geschmackvoll eingerichtete Eingangshalle des Meunierhabitats führt.

Collard-Picard Dom. Picard Blanc de Blancs Grand Cru, die Familie ist in Epernay zu Hause, aber an zwei Standorten beheimatet. Der Meunierteil kommt aus der Vallée de la Marne, rund um Villers-sous-Chatillon, der Chardonnay aus Le Mesnil. BSA gibts hier nicht, vinifiziert wird halb im Foudre, halb im Stahl, die Dosage von 10 g/l merkt man da nicht; Reifung findet hier noch unter Naturkork statt. Dieser Champagner ist ein reiner Jahrgang 2012, ohne dass das auf dem Etikett groß auftaucht. Reif und stark, etwas angepilzt, braucht ein ungewöhnlich grosses Glas und ist der erste Schritt in Richtung Süden.

de Venoge Cordon Bleu Brut, Basis 2011, 7,8 g/l Dosage, Saft nur aus erster Pressung (wie fast allerorten betont wird) 50PN 25PN/25M; Kokos, Toast, 20% Pinot aus Les Riceys, außerdem noch etwas aus Villers Allerand und der übrigen Montagne de Reims. Dieser Champagner ist ein echter Gebietsquerschnitt und einer der wenigen, die sich nicht nur ungewohnt klar, sondern mit Stolz zu ihrem hohen Traubenanteil aus der Aube bekennen. Was bei der Herkunft aus Les Riceys aber auch nicht verwundert. Sehr fein ist das, was von dort kommt allemal, im fertigen Champagner oft verantwortlich für malzige und leicht kräuterig-röstige Noten. Der Pinotteil aus Villers Allerand ist auch kein Zufall, sondern eine kleine Verbeugung in Richtung des Präsidenten des Hauses, der dort wohnt.

Malard Blanc de Blancs Grand Cru habe ich deshalb in die Probenfolge eingebaut, weil Natacha Malard eine bildhübsche Ex-Volleyballerin und Model, bzw. der Erzeuger einen schönen Querschnitt durch die Grand Crus der Côte des Blancs vinifiziert hat, und das mit Blickwinkel aus Ay, was ich immer besonders interessant finde, selbst wenn Champagne Malard nicht zu den alteingesessenen Erzeugern gehört, sondern vom Champenois und Quereinsteiger Jean-Louis erst 1996 gegründet wurde (der mittlerweile von seinen Söhnen unterstützt wird). Gerade das erlaubt einen unverstellten Blick auf traditionelle Crus, was hier zu einer noch nicht besonders eigenständigen, aber frischen, nicht zu säurelastigen Cuvée mit stattlichem Reserveweinanteil führt.

Le Brun de Neuville Blanc de Blancs Lady de N., aus dem Sézannais, Bethon, um genau zu sein. Le Brun de Neuville ist eine Kooperative mit ca. 155 ha Rebbesitz im Sézannais, ein unterschätztes und wenig bekanntes Gebiet, gleich dem Vitryat (und wie dieses erst in den 1960ern wieder planvoll aufgerüstet). Die Lady de N. ist mit 10g/l hoch dosiert, obwohl ihre freundliche, blumige Art das gar nicht benötigt. Hier wie bei Collard-Picard befasst man sich mit der Lagerung unter Naturkork. Die Lady de N. Chardonnay ist nussig, blumig und leicht minzig, was ihn zum interessanten Vertreter in einer Gebietsprobe macht.

Michel Mailliard Rosé (Assemblage), 90CH 10PN kein BSA, 7 g/l, mit diesem Erzeuger hatte mich mal Claus Niebuhr vertraut gemacht, der Rosé ist ein schönes Beispiel für die – im positiven Sinne – Doppelgesichtigkeit von Vertus, einmal als Rotwein, eimal als Weissweinort. Den Pinot aus Vertus schätzte man früher dem Vernehmen nach sogar höher ein, als die Chardonnays, heute ist es eher umgekehrt. Der Rosé ist einer der wenigen Rosés mit weißer Seele, zuden herausragendsten vertretern gehört sicher der von Ruinart, aber auch der Mailliard zeigt das Prinzip als Assemblagerosé bestens. Das Wort von Michel Drappier, Assemblagerosé sei immer wie eine Blattvergoldung, wohingegen Saignéemethode Massivgold bedeute, wollte mir dabei nicht aus dem Sinn.

de Barfontarc Rosé de Saignée bestätigte den Wahrheitsgehalt der kleinen Weisheit von Michel Drappier, der nur wenige Kilometer weiter südwestlich residiert. Die 2012er Ernte blieb nur kurz auf der Presse stehen, der Champagner wurde mit 4,5 g/l dosiert. Der Ausdruck ist deshalb bestätigend massiv und betrachtet man die beiden Rosés nebeneinander, wird man nicht ernsthaft den einen oder den anderen nur aufgrund seiner Herstellungsweise besser oder schlechter finden können.

Champagner pêle-mêle in Mainz

Der Zirkumflex wird abgeschafft. Grund genug für einfache Gemüter wie mich, ihn in der Überschrift gleich doppelt zu bemühen. Sieht man sich die weiteren Sprachverrenkungen an, die den Franzosen sonst noch ins Haus stehen, dann erscheint die deutsche Rechtschreibreformkatastrophe nicht mehr ganz so zermürbend und schlimm. Was in Frankreich wiederum ganz gut funktioniert, und das seit vielen Jahren, das ist der Schaumwein, genannt Champagner. Im seinerseits gut funktionierenden Weinlokal Laurenz in der Mainzer Gartenfeldstraße war das leicht unter Beweis zu stellen.

Als allerersten Eröffner gab es Bérèches knochenbrecherisch trockenen Beaux Regards Chardonnay, mit ohne Dosagezucker aus dem Jahr 2009, dég. 2013. Wie mit Backpfeifen aus der Ohnmacht zurückgeholt, kommt man sich nach den ersten Schlucken vor und eine seltsame Amnesie macht sich breit, die Zeit fliegt dahin und die Flasche ist leer, ehe man sich’s recht versieht. An sich kein neuartiger Effekt, neu ist daran nur, dass das mit dieser brutal trockenen Art von Champagner oft geradezu anstrengend ist und bei Bérèche eben nicht. Ähnlich gibts das sonst nur noch bei Tarlants Brut Zéro, aber nicht in reinsortig.

Von Buhl Riesling 2013 en Magnum hatte danach einen äußerst schweren aber nicht unschaffbaren Einstand. Die viel höhere Dosage, dafür der Verzicht auf BSA, die pointierte, zielsichere Arbeit mit dem überhaupt nicht fettigen oder auch nur entfernt plump wirkenden Riesling, verdienen Zustimmung und Hochachtung.

Außerdem wurde der Übergang zu Champagne Reine Pédauque Millésime 1971 einfacher. Dieser Handelshauschampagner aus gutem Jahrgang war natürlich mit seinem jetzt 45 Jahren in der Flasche kein Jüngling mehr. Trotzdem schaffte er es, reife Würze und vormals frechgewesene Säure in einem Zustand vorzuzeigen, der im schönsten Sinne altersmilde genannt werden kann. Über dieses Stadium war Henriot Brut Souverain en Magnum leider schon hinaus, da war mehr Sherry, weniger, d.h. gar kein Bizzel mehr und die Flasche aus den vermutlich Endsechzigern oder höchstens Anfang der Siebziger des 20. Jahrhunderts war wohl einfach leider um.

Um, aber -werfend ist Val’ Frison Chut Libre (pour Domaine Dominique Derain), die mehr als nur kleine Gefälligkeit, die Valerie Frison ihrem Burgunderkumpel Dominique Derain mit seinen auf Champagnergebiet stehenden Chardonnay- und Pinotreben erweist. Der Freifall hat auch etwas von einem Freischuss und erinnert ein wenig sogar an Wilhelm Tell. Die nervenzerfetzende Spannung vor dem Schuss, der Apfel, das Aufmüpfige, das bergvölkisch-rebellische. Aber auch das Gefühl des Sprungs aus der Maschine, der Ruck, wenn der Schirm aufgeht, das schwerelose Gleiten, der Überblick, die Ruhe machen dem Cuvéenamen alle Ehre.

Pommery Brut Royal en Magnum aus den späten Siebzigern war als Auftakt zu Pommery Louise 1979, dem ersten Louise-Jahrgang überhaupt, gedacht. Was ein unkomplizierter Steigbügelhalter für Madame sein sollte, entpuppte sich als selbstbewusster und forscher, hochgradig initiativer Reitlehrer, dessen höhere Dosage und formal geringere Abkunft der Liasion nicht schadeten. Männlich, breitschultrig, mit Mut zu seiner zarten Seite, ohne dadurch metrosexuell oder auf andere Weise verkorkst zu wirken, ist der Non Vintage von Pommery aus dieser Zeit ein echter Kauftip. Die Louise ist deutlich aristokratischer, entschieden feiner, mit viel geschliffeneren Formen, überspannt oder angekränkelt habe ich sie aber zum Glück bislang noch nicht erlebt, so dass ich mich noch auf eine Reihe kommender Flaschen innig freuen darf.

Ulysse Collin Chardonnay Les Roises Lot 09 ist mit seiner Herkunft aus dem Sézannais und seinen mit atypischem Gestein durchsetzten Böden ein bereichernder Partner für Roland Piollot Chardonnay Champs Rayés, vom untersten Zipfel der Aube. Die beiden Chardonnayparcellaires sind wie ein Gespräch zwischen Oswald Spengler und Benedetto Croce oder ein Duell Gene Hackman vs. Ben Kingsley, wobei ich nicht sagen könnte, wer da jetzt wen genau vorstellen würde. Darauf kommt es auch nicht an, sondern: die beiden sind dramatisch unterschiedlich und einander doch nah, ohne direkte Verbindung zueinander und dennoch ineinander verschränkt und das nicht nur, weil ich sie in einen flight gezwungen habe.

Deshalb konnte es nur mit einem gleichartigen Chrakterkopf, Jérome Prévosts Meunier La Closerie Lot 06 als erstem Champagner einer 2006er-Reihe weitergehen. Und hui, was legt der für einen flotten Tanzschritt vor. Keine Spur von bremsendem oder behäbigem Holz, Schwefel sowieso nicht und kein den deutschen gaumen störender Luftton, sondern Reinheit, Klarheit und Frische, die wiederum nicht gekünstelt und durch zwanghaft niedrig gehaltene Dosage auch nicht fremdartig wirkt. Ein Jammer, dass ich davon nichts mehr habe. Beinahe logische Folge war dann Charlot-Tanneux Cuvée Micheline Millésime 2006 (70CH 30PN aus Pierry), der von ähnlicher Gediegenheit ist, dabei so sanft, so eingehüllt, so einlullend und lockend, der reinste Sexuallockstoff, wäre da nicht das Portrait von Oma Micheline auf dem Etikett. Um den Weg zu Dom Pérignon 2006 zu bereiten, war Aurelien Laherte 2006 die goldene Brücke (85CH 15M aus Chavot). Zwischen Charlot-Tanneux und Dom Pérignon liegt ja nun nicht gerade nur ein unregelmäßiges Spaltmaß, wie bei älteren englischen Sportautos, sondern da krachen Kontinentalplatten aufeinander. Wie moderiert man sowas? Gar nicht, sondern man muss selbst Naturereignis sein. Nun sind die Champagner von Laherte keine Vulkanausbrüche, sondern eher so etwas wie eine sich gemächlich vollziehende Gebirgsbildung. So vielschichtig, erratisch gezackt, schroff abfallend, sanft hügelig, almbegrünt und schneebedeckt können die Champagner von Aurelien wirken. Der 2006er gehört zu den früheren Werken und ist entsprechend urtümlicher, dabei aber auch schon verwitterter, was ihn, der mit 2,5 g/l dosiert ist, weicher und freundlicher wirken lässt, nach blanchierten Mandeln etwa, etwas Kräutereinfluss und Hefe. Und da übernimmt der Dom, der eine Spur brenzlig wirkt, bevor er sein großmeisterliches Feuerwerk abbrennt. In der Vierergruppe, nach drei unerhört selbstbewussten Winzern, ist das kein Spaziergang und ohne die buddhistische Ruhe von Richard Geoffroy hätte ich eine Großhausprestigecuvée wohl auch nunr ungern in den Ring gelassen. Aber ich weiß ja, was ich am 2006er habe. Dessen anfängliche Brenzligkeit öffnet sich und dann wird klar, dass Süßholz, Veilchen und Orangenblüten sich so eng eingerollt und konzentriert hatten, bis sie sich so stark überlagerten und verschärften, dass es schon unangenehm wirkte. Was dieser Champagner also braucht, ist viel Luft, um diese Spirale ausrollen und sich entfalten lassen zu können. Im Mund derselbe Wirbel, ohne fummelige Süße, ohne übergenaues Herumgezirkele, mit einer überlegenen Leichtigkeit dahingeworfen und zum Kunststück geronnen.

Danach sollte man zu etwas aromatisch ganz anderem übergehen und was ist einfacher, als zum Rosé zu wechseln. Dom Ruinart Rosé 1986 ist ein Rosé mit weißer Seele, kurz nach der Freigabe für meinen Geschmack noch nicht genügend amalgamiert und im Alter dafür umso bombenfester im Sattel. Ganz deutlich kann man das am 1986er Rosé erkennen, bei dem der Rouge sich farblich sehr viel Anteil gesichert hat, geschmacklich ist die Verschmelzung mit dem chablisstählernen Chardonnayanteil aber nach Jahren auf der Flassche so vollendet, dass alles wie aus einem Guss wirkt. Und darin liegt ja beim Rosé die große Kunst: dass man nicht den Eindruck gewinnt, nur ein vergoldetes, sondern ein massivgoldenes Schmuckstück zu bekommen. Zu denen gehört fraglos Louis Roederer Cristal Rosé 2000, der leichte Toast- und Röstnoten eleganten Spritz und weltgewandte Mühelosigkeit an den Tag legt. Natürlich wirkt er viel leichter und jünger als der 86er Dom Ruinart, aber er wirkt auch so, als könnte er Mühe mit einem anspruchsvollen Essen haben, was in Wahrheit aber gar nicht der Fall ist. Cristal Rosé ist ein Champagner mit einer viel größeren Substanz und Tiefe, als viele Kritikaster wahrhaben wollen. Man merkt das oft erst im direkten Vergleich mit angeblichen Cristalkillern, die dann mit eingekniffenem Schwanz von dannen ziehen.

Ganz zum Schluss mussten dann noch zwei Champagner ran, die aus unterschiedlichen Gründen nicht täglich auf der Verzehrliste stehen. Benoit Dehu La Pythie, die Single-Barrel Version des Meunier-Monoparcellaire La Rue des Noyers; 329 Flaschen gibt es davon. Perrier-Jouet Belle Epoque 1983, davon gibt es wahrscheinlich etwas mehr als 329 Flaschen, alle Tage begegnet man ihnen aber auch nicht. Dehu hätte ich gern mal im Vergleich mit Prevost, Laval, Tarlant, Chartogne, oder Egly-Ouriet, das wird aber noch bis zur nächsten oder übernächsten Probe dauern. Belle Epoque 1983 werde ich dann vielleicht in derselben Probe mit einigen anderen Anfangachtzigern aufmachen, weil die zur Zeit fast durchgehend riesigen Trinkspass bereiten. Die Pythie zeigte sich fast genauso, wie ich sie bei der ersten Verkostung kennengelernt habe, etwas verhaltener möglicherweise, so dass ich wohl mit der Meunierprobe noch etwas warten werde, die Belle Epoque wird das geduldig ertragen, da sie noch nicht am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen ist.

Willkürlich herausgepickte Champagnererfahrungen der jüngeren Zeit

Manchmal muss ich leider in Restaurants essen, in denen ich nicht unbedingt noch ein zweites mal essen möchte. Zum Glück kommt das nur selten vor, sehr selten, um genauer zu sein; eigentlich so gut wie nie, wenn ich es recht bedenke. In die Traube Tonbach, wo es nicht nur gutes Mittagessen in der Köhlerstube gibt, sondern wo ich auch Bekanntschaft mit Dr. Hegers fabuleusem Viognier, dem unwahrscheinlichen Côte Rôtie von Patrick Jasmin und dem schwer empfehlenswerten Sancerre von Gerard Boulay aus Chavignol machte, lasse ich mich hingegen immer gern ausführen. Die Küche unter Leitung von Florian Stolte lieferte letztes Mal:

 

Tatar vom sternanisgebeizten Thunfisch mit Soja-/Ingwersud, dazu Lanson Extra Age Blanc de Blancs, wobei mir besonders gut der Soja-/Ingwersud gefiel. Oft bekommt man diese Mixtur unausgewogen, mit schlechter oder dominanter Sojasauce, selten auch mit vordergründigem, zu scharfem Ingwer. Nicht so hier und das war toll. Zum Lanson passte der Sud außerdem noch, Schärfe, Säure, Würze und Chardonnayfett verbanden sich hier vorzüglichst, selbst der Anisfisch störte mich dabei nicht und das will etas heißen, da ich seit einer sehr häßlichen erfahrung mit einem Übermaß an Raki kein Anisfan mehr bin.

 

Konfierter Kabeljau mit Gartenkresseemulsion und Kartoffelkrusteln, dazu Devaux Cuvée D Brut; was war das für eine sensationelle Kresse und einmal mehr ein Beleg dafür, wie vermeintliche Kleinigkeiten einem Mahl den entscheidenden Reiz verleihen können.  

 

Gebratenes Kalbsfilet mit Steinpilzrisotto und getrüffelte Rotweinsauce, besonders hervorzuheben ist hier der Würfel aus Maske, Herz. Lunge und Backe vom Kalb. Eben kein Mischmasch aus Schlachtabfällen, sondern große Küchenkunst. Perfekt dazu war Palmer & Co. Amazone Brut, deren reife Honig-Trüffelnote sich 1a mit der Sauce verband und den köstlichen Würfel umspielte. Palmer & Co. ist ja eine der Genossenschaften neueren Typs (ähnlich wie Nicolas Feuillatte, Devaux oder Jacquart), die sich nicht dem Vorwurf aussetzen lassen müssen, sie würden nur herunternivellierenden Mickersaft vinifizieren und daraus hcöhstens passable Champagner machen. Im Gegenteil, Palmer ist durch die den Champagnern angedeihende großzügige Lagerdauer eher so etwas wie der Bruno Paillard unter den Winzerzusammenschlüsen. Der Vintage 2004 ist trotz seiner üppigen Dosage ein Champagner mit ausgeprägter Pinotdominanz und raffinierter Reife, einer Aura von Pilz und einem verwirrend komplexen Gegengewicht von getrockneten Apfelringen, Muscovadozucker und Ginger Ale. Übertrumpft wird der Vintage von der kämpferischen Amazone de Palmer, einem ganz schönen Dickschiff unter den Prestigecuvées, nicht die eleganteste Fassung für einen Multivintage, aber eine prunkvolle. Empfindsamen Trinkern ist das gewisslich too much, da ähnelt die Amazone entfernt den Palmes d'Or von Feuillatte, nicht aber der schlankeren, stahligeren Spitzenriege von devaux oder dem eleganten, wenn auch nicht besonders auf Langlebigkeit getrimmten Alpha von Jacquart.     

 

Abschließend gab es dann noch Champagnerschnee mit rosa Pampelmusensorbet und Beeren im Hibiskussud, dazu Laibles 2012er Traminer Auslese aus dem Durbacher Plauelrain, die mir aber nicht besonders schmeckte, a) weil ich mit der Rebsorte nicht viel anfangen kann, b) weil mir der Wein mit dem Dessert zu verbissen kämpfte. 

 

Versprechen werden beim Rotwein gegeben und beim Champagner gebrochen, resp. vice versa. Wo ich also gerade so ungezwungen über's Essen, den Wein und Champagner spreche will ich ganz ohne Anlass bekräftigen: Essen und Champagne bleibt 2016 ein wichtiges Thema für mich. Mit Guy Charlemagnes notorisch gutem Mesnillesime habe ich schon in unverjährter zeit feine Erlebnisse verbuchen können, vor allem mit salzigen Speisen natürlich. Tatar mit Sojasauce, krosser Schweinebauch, Bugs Bunny mit Pilzen und Fourme d'Ambert seien da nur beispielsweise genannt. Jérôme Prevosts La Closerie Les Beguines LC08 und Egly-Ouriets Meunier (aus Vrigny, unweit von Gueux: 2 km über die Autoroute de l'ext hinweg) sind ähnlich potente Kandidaten für eine besonders harte Gönnung.

 

Den von Heidsieck Monopole zu Vranken hinübergewanderten, einstmal gesuchten, begehrten und bis heute teilweise noch sehr fitten Cuvée Diamant Blanc de Blancs 2007 darf und muss man den Vorwurf machen, dass sie zu hoch dosiert ist. Das Niveau der früheren Kultcuvée erreicht der neue Diamant leider nicht. Henriots Brut Souverain jedoch, dem Namen Heidsieck bekanntlich dynastisch doppelt verbunden (einmal als Geschäftspartner von Charles-Camille Heidsieck im Jahr 1851 und dann 1976 nochmal, als Henriot sich Charles Heidsieck kurzzeitig einverleibte), der ist seit vielen Jahren eine Wucht unter den Bruts Sans Année. Ich vergleiche ihn den Wagen Pharaos, die Backen stehen lieblich in den Kettchen und der Hals in den Schnüren. Wir wollen dir goldene Kettchen machen mit silbernen Pünktlein, quillt es da beinahe besinnungslos aus mir heraus. Ähnliches fiele mir zu Horiot, Sève en Barmont Rosé Saignée ein, den ich bis zum Erntejahr 2007 immer ein wenig seltsam fand und seit 2008 für ein ganz exquisites, immer noch eigentümlich eigenständiges Getränk halte, das aber seither meine Synapsen doch frecher und freudiger befeuert, a complete breath of fresh air, wie die Franzosen sagen.

 

More is more and less is bore: noch ein paar mehr Champagner

Ich mühe, ja placke mich ab, um von Zeit zu Zeit neue Namen in das erlauchte Zitierkartell der Spitzenerzeuger unter den Champagnerwinzern hineinzubugsieren. Nicht immer gelingt mir das. Dann schreibe ich über Erzeuger, die sowieso erwiesen gut sind und einen tiefen Schluck ohne näheres Hinsehen lohnen. Um aber ganz sicher zu sein, schaue ich meist doch nochmal hin und lange im wohlverstandenen Eigeninteresse beim nachschenken reichlich zu. Am Ende platziere außerdem die eine oder andere Überraschung (für die Ungeduldigen):

 

Pascal Agraparts Avizoise und Vénus lassen schweflige Verbindungen frei, die nicht zum Gotterbarmen stinken, sondern weithin als mineralisch missverstanden werden. Wenn Meursault an der Mosel läge, wären diese beiden Agrapart im Paralleluniversum so etwas wie die Spät- und Auslese von J.J. Prüm. Sehr aufregend ist immer auch der Blick von Avize nach Cramant, von Agrapart zu Aurelien Suenen, seinem önologischen Ziehsohn, wenn man so will. Von dem wird man noch einiges hören und trinken, wie ich ziemlich sicher vorhersagen kann. 

 

R. & V. Bérèche hat einen Meunier in petto, La Côte aux Chateigners in Mereuil-le-Port, der schon als vin clair Maßstäbe setzt. Le Cran Chardonnay aus Ludes und Les Challois Pinot aus Mailly Grand Cru (im zweiten Jahr) werden auch mal etwas Großes, vor allem der Pinot kündigt sich mit Getöse an. Unter den fertigen Champagnern ist der Rive Gauche (2011er Meunier) hervorzuheben, dessen Exotik und Mangofruchtfleischigkeit schon jetzt sehr verlockend sind. Weiter geöffnet jedenfalls als der viel langsamere Beaux Regards. 

 

Jean-Baptiste Geoffroy hat im neuen Anwesen in Ay einfach mehr Möglichkeiten als in Cumières, zu denen auch der Wegfall von Pumpen im Keller gehört. Die Cuvée Houtrants (Tirage 2011) kommt aus Complantation von PN/CH/M mit Arbane und Petit Meslier. Der so schon sauffreudige Champagner bekommt von den beiden Altrebsorten seinen besonderen touch und wirkt nicht seltsam, verbaut, verkorkst oder unrund. Mir ist er damit lieber als der trotz nur 6 g/l etwas süß wirkende Empreinte 2008 (79PN 15M 6CH) und selbst als der sonst vorzeigemäßige Saignée (2012er Basis).  

 

Laherte in Chavot, direkt vor dem Haus steht Chardonnay in der Parzelle Les Noues. Was da schon als Wein rauskommt, ist verblüffend und bestätigt das mittlerweile schon sehr gut mit dem Terroir vertraute Können der Lahertebrüder. Bei den Champagnern ist der Extra Brut Ultradition (2011/2012) ein trotz seiner nur 4,5 g/l Dosage sehr exotisch-fruchtiger, leichtfallender Einstieg in die Lahertewelt, einer, der an Multivitamin, Capri Sonne und Schulferien erinnert. Der Hohe Anteil an reservewein (40%) sorgt für weiche Übergänge. Les Empreintes (2009) aus PN/CH direkt vor dem Haus, bzw. in Chavot ist buttrig, ausgewogen, lang und wird von einer gesunden Säure getragen, wie sie sich auch im Les 7 (2005 – 2012) findet. Wie bei Lahaye und Geoffroy haben wir es hier wieder mit einer Complantation zu tun, die vor allem blumenduftig und mit knackendem Schmelz daherkommt.   

 

Laval mit seiner winzigen Produktion hatte dieses Jahr unter anderem mit dem Chardonnay Les Chênes, dem uralten (Pflanzung seit 1931) Meunier PC aus der Lage Les Hautes Chèvres und dem Pinot aus Les Longues Violes einen Haufen starkes Zeug am Start, von dem ich hoffentlich wieder etwas zu schmecken bekomme, wenn herrlicher Champagner draus geworden ist. Bis dahin ist mir der Cumières PC Brut Nature eine willkommene Wartehilfe und ein Flugzeug mit Strahltriebwerk unter propellergetriebenen Maschinen. Blumig, mit viel Veilchen und einer überraschend hitzig-alkoholischen Schlussnote ist der Mazerationsrosé brut nature, der sich zu Merguez empfiehlt, zu Rehrücken oder wenn man mal zu viel Gin pur getrunken hat.       

 

Léclapart kam mir vor, wie manche biodynamischen Weine, bei denen die Umstellung siche gerade bemerkbar macht und weichere, sanftere Weine ergibt. Der Artiste zeigte das ganz deutlich, war süßlich, verträumt, mit nur ganz wenig Säure, viel Butter und ein paar Meersalzflocken. Der Apôtre war druckvoller, allseitiger, mit mehr Säure und Mobilität, aber auch er insgesamt wie in Zeitlupe. Mit dem Astre habe ich nach wie vor meine Probleme, mir kam er dieses Jahr mild und zahm, ja zahnlos vor. Der aktuelle Artiste 2010 war griffig wie ein grober Wollstoff, hefig, mit viel Autolyse, dabei blinkend, strahlend und rein. Der Apôtre 2009 war das genaue Gegenteil von dem, was ich sonst so unter diesem Namen gerne trinke: oxidativ, angematschter Apfel, so kenne ich diesen Champagner gar nicht und hoffe, dass sich das nicht verfestigt – selbst wenn es eine ausgemachte Freude sein kann, gekonnt oxidativen Stil zu champagnerisieren; aus dem Hause Leclapart mag ich das nicht so sehr. David selbst, der mit der Freigabe dieses Champagners noch zögert, scheint das ähnlich zu sehen. Die 2003er-Stilistik ist eben einfach nicht das, was man sich von einem Apôtre wünscht. Ob der 2009er Apôtre mal so etwas wird wie der 1999er Clos du Mesnil von Krug? Man weiss es nicht, darf aber neugierig bleiben. Worauf ich ebenfalls neugierig bin, ist der Astre 2011. Bisher hat mir noch keiner davon wirklich den Kiefer ausgerenkt und der karottensaftige, mit roter Bete durchsetzte, gemüsig-frühstücksflockige Astre 2011 ist dazu gleich dreimal nicht in der Lage. Ich lege mir also das bisschen, was ich davon bekommen kann hin und warte ab.  

 

Pouillon Réserve ist rundlich und knüpft meiner Meinung nach an höher dosierte Champagner an, um von dort in die Untiefen der geringer dosierten Winzerwelt zu entführen, was überwiegend gut gelingt. Der Chardonnay Les Valnons 2007 kommt aus Ay, hat aber nicht die für dortigen Chardonnay übliche Exotik im Gepäck, der einzige Hinweis auf seine ungewöhnliche Herkunft ist die unaggressive, weiche und am Ende süssliche Art, beides vielleicht auch ein wenig dem Jahrgang geschuldet. Und dann aber kommt der Oberhammer, auch preislich betrachtet: Les Blanchiens 2008. Aus altem Fass, nussig, kirschig, winzerig. Wein, der Backpfeifen verteilt. Toll.  

 

Bevor ich zu den Geheim-Geheimtips komme, hier noch ein paar Tips, die manchem Fortgeschrittenen nicht besonders geheim vorkommen mögen, für den ganz jungen Champanerpadawan sind sie aber vielleicht doch hilfreich und nützlich. 

 

Comte Audoin de Dampierre Millésime 2002 ist gegenüber der früheren, doch recht barocken Anmutung mittlerweile ungewöhnlich schlank, beinahe sportlich, mit köstlichem Apfel, die Family Reserve Blanc de Blancs 2005 auch wieder sehr schlank, aber länger, was man dem Jahrgang sonst gar nicht abkaufen würde. Für mich einer der Erzeuger, die mit einigem Aufwand aber doch irgendwie auch im Stillen ihr Werk verrichten, zumindest was die Wahrnehmung in Deutschland angeht. Schön, dass der Champagner an sich ohne Getöse auskommt. 

 

Louise Brison Cuvée Tendresse 2005 ist einer der Champagner, die mit Honig, Akazie, mittlerem Gewicht, feiner Säure und eleganter Ausstattung sinnbildhaft für den Champagnerstil und hier ganz besonders für den Jahrgang 2005 stehen. Der 2007er war nicht einfach zu vinifizieren, heraus kam ein etwas gewichtiger, holziger Champagner mit guter Struktur, etwas bromiger Nase.

 

Patrick Bigar ist wie Louise Brison ein Champagner, den man nicht gerade jeden Tag auf dem Speiseplan hat, der aber mit seiner Cuvée Clovis gute Arbeit verrichtet. Die parfumierte Nase muss nicht jedem gefallen, die ordentliche Länge und klare Struktur, das etwas limonadige bis molkige des Champagners macht ihn sehr eingängig. Die Cuvée Marie ist fortgeschrittener, winzeriger, holziger, leider auch eine Spur süsser als Clovis, macht aber trotzdem erstmal mehr Spass.

 

Comtesse de Massy Brut Elegance, Gemeinschaftsprojekt von Jean Milan aus Oger und Francois Lavergne. Reinsortiger Chardonnay (Oger), mit 6 g/l dosiert. Im direkten Vergleich mit Pierre Callot Brut Grand Cru aus Avize wirkte Comtesse de Massy fester, gedrängter, mit einem appetitlich geschnürten aber nicht gequetschten oder schwabbeligen Décolleté. Die Kunst ist es, aus kargem Oger-Chardonnay ohne viel Frucht einen Champagner zu machen, der nicht ausdruckslos bis säuerlich schmeckt. Das ist Milan/Lavergne bestens gelungen. Von Etienne Calsac, der bei Bruno Paillard auch in puncto Flaschenausstattung gelernt und gesehen hat, wie's geht, sollte sich jeder einige Flaschen von der L'Échappée aus dem Jungfernjahrgang 2010 zurechtlegen, je nach Geschmack mit 2 oder mit 6 g/l dosiert; besseres habe ich aus Grauves noch nicht im Glas gehabt. Von seinem 2 Ar großen Clos des Maladeries in Avize gibts naturgemäß nicht viel Wein, aber vielleicht wird man in Zukunft mehr von diesem mit Pferd bewirtschafteten Fleckchen hören. 

 

Was jetzt kommt, habe ich schon vor einigen Monaten hier empfohlen und deshalb ist es so geheim nun auch wieder nicht; um den Widerhall zu verstärken, wiederhole ich eindringlich meinen Aufruf, diese beiden Erzeuger nicht nur im Auge, resp. Glas zu behalten, sondern auch regelmäßig genügend davon einzukaufen, um die Entwicklung der nächsten Jahre genießen zu können.

 

Guillaume Sergent

Les Prés Dieu, Chardonnay Extra Brut der Extraklasse. Da steckt so viel Aroma drin, dass man hundert Grundweine und hundert Jahre Erfahrung dafür veranschlagen müsste; doch in Wahrheit gibt es das Miniweingut erst seit 2011 und der Champagner stammt von nur zwei Parzellen, die sich im Namen vereinigt finden: Le Prés (in Vrigny) und Les Vignes Dieu (in Coulommes la Montagne), teilweise dank des sandigen Bodens in der Gegend um Vrigny ungepfropft. Magisches Zeug.

 

Thomas Perseval

Seit 2004 dabei, in Burgund geschult und seit ich das erste Mal Champagner von ihm getrunken habe einer meiner erklärten Lieblinge. Spielt auch mit den BAM-Rebsorten herum; geduldige Fass- und Tankvinifikation ohne dogmatischen Ansatz zum BSA. Der im Namen pures understatement vermittelnde Brut Tradition und die Grande Cuvée kommen dank ihrer fabelhaften Grundweinsubstanz ohne weiteren Dosageliqueur aus und rauben mir jetzt schon den spärlichen Rest-Verstand. Was wird dann erst passieren, wenn die Lagen einzeln vinifiziert auf den Markt kommen?    

Tätigkeitsnachweis und Ausblick

In Zeiten größer werdender Insurgenz, nein, Intransigenz? Quatsch! Inkontinenz? Nein: Intransparenz, ist es mir wichtig und ein Anliegen, die über meinem an sich eher engen Tätigkeitsfeld liegenden Schleier möglichst zu lüften und bis hin zur Belästigungsschwelle zu klarifizieren, was ich eigentlich so treibe, wenn ich mal nicht Anfragen auf allen möglichen Social Media Kanälen beantworte, sei es wegen Transvasage in der Champagne bei bestimmten Flaschenformaten (ab 3 Liter erlaubt und tunlich), den heißesten Tips für importinteressierte Händler (Savart kam bereits in gute Hände, Horiot, Brochet, Valerie Frison sind ebenfalls versorgt, Tristan Hyest ist auf dem besten Wege, Charlot-Tanneux ist eigentlich viel zu klein, könnte aber noch einen Abnehmer in Deutschland vertragen. Und, Händler/Importeure (auch kleiner Mengen), hergehört: wenn Solemme, Thomas Perseval und Guillaume Sergent noch einen Importeur in Deutschland finden, ebenso wie beispielsweise Aurelien Lurquin und Agnes Corbon, dann ist mein Werk zwar längst nicht vollendet, aber ein gutes Stück vorangekommen) oder weil in irgendeinem Weinfreakforum eine bestimmte Détailfrage streitig ist.

 

Am publikumsträchtigsten ist immer die Verkostungstätigkeit in echten Publikationen mit professionellem Layout und Leuten, die sich um Inhalte wirklich kümmern, also nicht unregelmäßig über das Jahr verteilt immer wieder mal ein paar Zeilen abwerfen, die sich aus dem Handy oder einer Kugelschreiberkritzelei noch so eben rekonstruieren lassen. In den letzten Wochen und Monaten waren das bei mir vor allem:

 

Sternefresser Bubble Tank: http://www.sternefresser.de/index.php?id=bottletank-3-champagner

 

Enos Champagner Verkostungsreport: http://www.enoworldwine.de/degustation/verkostungsreport/champagne-superstar

 

Meiningers Weinwirtschaft Große Champagnerverkostung: https://www.meininger.de/de/weinwirtschaft/ausgabe-232015

 

Fernab davon bewegt sich mein Ginengagement: http://www.sternefresser.de/cooktank/bottletank2/

 

Vom Sherryengagement ganz zu schweigen.

 

Bis zum Jahresende werde ich wohl oder übel noch einige Champagner vertilgen müssen, über einige davon wird man an dieser oder an anderer Stelle noch zu lesen bekommen, über einen anderen Teil werde ich den Mantel des Schweigens breiten, was verschiedene Gründe haben kann und nicht fehlgedeutet werden sollte. Meistens berichte ich von einem Champagner nicht, wenn er mir nicht geschmeckt hat (beredtes Schweigen) oder wenn ich mir vorstelle, dass eine Nachverkostung nötig ist, bevor das – sowieso stets nur vorläufige, momentane – Verdikt gesprochen oder vielmehr getippt wird. Oft schreibe ich aber auch nichts, wenn es ganz einfach nichts neues zu sagen gibt, bei Pol-Roger habe ich mir das als erstes angewöhnt, bei Bollinger ist es oft so, aber auch bei Jacquesson, Larmandier-Bernier und den gängigen Gastro- sowie den meisten Großhauschampagnern. Immer, wenn sich ein kleines "s.i." in meinen Notizen findet (für die Kiebitze), hat sich an meinem Eindruck gegenüber dem letzten Mal nichts groß geändert.

 

Was bringt 2016? Schon so einiges. Die Verkostungsreihe "Sekt trifft Champagner" nimmt Fahrt auf. Der erste Termin wird bei Griesel stattfinden, es folgen heiter-ausgelassene Abende ähnlichen Kalibers bei Barth (mit kleinen Kaviarschweinereien) und Graf Schönborn im Rheingau. Mainz wird eine Neuauflage des "Champagner pêle-mêle" erleben, mit Klassikern von der ersten Pommery Louise (1979) bis zum Louis Roederer Cristal Rosé 2000. Natürlich wird das Austernfrühstück wiederholt und ich begleite die Geburt einer Zéro Dosage Cuvée. In Düsseldorf stehen die größten Champagner des Jahrgangs 1996 zur Verkostung an, rares Zeug wird es da geben, von Selosse und Krug, in weiß und rosé, was das Herz begehrt. Reifer Champagner wird 2016 insgesamt nicht zu kurz kommen, ein Florens-Louis Heidsieck 1969 zum Beispiel steht, bzw. liegt bei mir nutzlos im Keller herum und wird bald endlich in die Ewigkeit eingehen, begleitet von angemessenem Gefolge. Und wenn ich schon bei Heidsieck bin, darf ich schon jetzt freundlichst auf einen Artikel im Magazin Schluck! hinweisen, der sich mit dem Namen und seinen Marken beschäftigen wird. Soviel zur ersten Januarwoche. Nein, Joke. Natürlich. Aber das sind die aufziehenden ersten Höhepunkte des Jahres, von denen ich gewiss getreulich berichten werde.

Champagne Henri Giraud

Die in Deutschland anzutreffende Eiche, so habe ich von jemandem vernommen, der es wissen muss, eignet sich zum Möbel- aber nicht zum Weinausbau. Von der Spessarter Eiche abgesehen, seien die deutschen Eichen zu dicht, zu kleinporig und taugten nicht für die Küferei. Was ein Glück für die Champenois, dass sie den Argonnerwald direkt vor der Nase haben. Die dortigen Eichen eignen sich nämlich sehr gut zum Fassbau; Troncais eben. Claude Giraud, der schon immer eine gewisse Sonderstellung unter den Champagnererzeugern einnahm und in den letzten fünf Jahren mit besonderer Agitationskraft hervorgetreten ist, weiß das und er weiß, von diesem Wissen, das er sich höchstens noch mit den Jungs von Château Latour teilt, Gebrauch zu machen. Zwar findet sich bei ihm auch das eine oder andere Betonei, aber vor allem der Wald hat es ihm angetan. Seine Champagner sind merklich davon beeiflusst.

 

Seit ich mal eines seiner Ateliers besucht habe, versuche ich verstärkt darauf zu achten, was nicht immer leicht ist, denn die Giraud-Champagner sind alle von hypnotischer Überzeugungskraft, jedenfalls sofort an allen Schaltstellen des Bewusstseins präsent, was eine ungetrübte Wahrnehmung sehr erschwert. Bemerkenswert außerdem: sie entziehen sich der derzeitigen Dosagediskussion ebenso wie sonst nur noch die Weine von Laurent Champas aus dem Hause Vilmart, der, wenig verwunderlich, ebenfalls ein großer Holzspezialist ist.

 

Die Annäherung an Ay-Pinot ist ja schon schwer genug. Dieser Ort ist einer der prominentesten in der Champagne und automatisch einer, dessen guter Name zum önologischen Schindludertreiben verführt. Dass es in Ay wenig bis keine ausgesprochen schwachen Erzeuger mit eigener Marktpräsenz gibt, erfreut dafür umso mehr und spricht für die Selbstreinigungskraft der Region, wobei nicht ausgemacht ist, dass nicht vielleicht doch sehr viel schwaches Grundmaterial in größere Kellereien abfließt. Wobei ich auch da skeptisch bin, denn auf Käuferseite wird in der Champagne nicht minder scharf hingesehen, als im Kreise der Selbstvermarkter. 

 

Was macht den Ay-Pinot aus? Er ist eher kleinbeerig und bringt gern Veilchennoten mit, würde ich sagen, ohne damit ganz allein zu stehen. Und was macht das Argonner Eichenholz aus? Nun, das hängt von den verschiedenen Holzterroirs ab. Claude Giraud führte das ganz eindrucksvoll anhand desselben Weins vor, den er in zwei unterschiedliche Holzarten steckte. Im Gaize-Wald mit Chatrices, Haut Bati und Controlerie bilden sich sehr typisch holzfassige Noten aus, Vanille vor allem. Salz und Säure haben hier gute Chancen für ausgiebige Selbstdarstellung. Im Beaulieu-Wald kommt die Säure nicht so sehr durch, der Wein oxidiert stärker und wird etwas bulliger, dafür kürzer angebunden im Mund.

 

Chardonnay verhält sich bei unterschiedlicher Holzherkunft wieder ganz anders. Chatrice fördert Orangenblüte, lackierten Knusper-Schweinebauch, Haut Bati macht den Chardonnay, waldiger, dunkler, mehr wie kalte Butter mit weicher Säure und sanfter Oxidation, während Controlerie den Wein zwischen Pflanzennoten, Röstigkeit und Feuerstein pendeln lässt.

 

Das alles dient als Vorspiel für die Zubereitung der Cuvée Argonne, Basis 2012, die mit 75PN 25CH einmal in einem Fassmix aus Controlerie und Chatrice, einmal aus Controlerie und Haut Bati jeweils völlig anders schmeckt. Die erste Version ist elegant, rassig, mit vor allem viel Veilchen und Salz, also genau den Kernelementen, die für Pinot und Chardonnay eine tragende Rolle beim Giraud-Champagner spielen. Die zweite Version ist süßer, süffiger, leichter zugänglich und schneller wieder vergessen. Nach zehn bis zwölf Jahren auf der Hefe dürfte der erste Mix also den Vorzug verdienen und mir war das Ganze mal wieder ein weiteres wichtiges Verstehenserlebnis, eine ganz wichtige Hilfe auch beim Verständnis von Champagnern wie sie Benoit Dehu mit der Rue des Noyers oder Pythie macht und dank der großzügigen Gastfreundschaft Claude Girauds ein Besuch, der in Erinnerung bleibt und von dem ich bis heute zehre.