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Tag Archives: artisan de champagne

Aus dem Champagnerlabor

Besonderes Kopfzerbrechen bereitet mir schon länger die Antwort auf die Frage, wieviel Zeit von der gierigen Deglutition des Champagners bis zur soteriologischen Erek-, nein Eruktation beim Manne, bzw. zum niedlichen Singultus der Frau schicklicherweise zu vergehen hat.

Ich führe deshalb regelmäßig kontrollierte Selbstversuche durch, bei denen ich die Umschaltgeschwindigkeit von Luft- zu Speise-, resp. Trinkröhre ermittle und mich redlich mühe, Champagner aus unterschiedlichsten Gemäßen in verschieden(st)en Kadenzen mir einzuverleiben. Damit dabei der Überblick nicht verloren geht, halte ich die Resultate meiner Untersuchungen fest und veröffentliche sie sogar teilweise zum gemeinen Nutz und Wohl.      

Im Rahmen meiner neuesten Forschungsarbeiten mussten deshalb wieder einige Champagner das Zeitliche mit dem Ewigen vertauschen. Als Grabschmuck gab es Balik Lachs, Prunier Caviar, Käse und marrons glacés. Und u.a. die Chips von Pfannifrisch, die noch nicht im Handel erhältlich sind, aber so gut schmecken, dass es sie gefälligst bald zu geben hat – das aber nur als Randnotiz.

1. Bollinger Grande Année 2002 Bond Edition

Bollinger brilliert ja jedes Mal, wenn man eine Flasche von da aufmacht. Oft denke ich sogar, ich hätte mich daran sattgetrunken und bräuchte jetzt gar nicht unbedingt einen Bollinger im Glas, dann kommt aus welchem Grund auch immer doch welcher rein und ich bin wieder elektrisiert. So war es bei der 2002er Grande Année schon verschiedentlich und mittlerweile ist die Auswahl an Grande Années richtig breit geworden, vor allem wenn man die Abstufungen der R.D.s hinzunimmt, vielleicht so breit wie bei keinem anderen Erzeuger. Begonnen beim 1990er über den erstaunlichen 1995er, den ruppigeren 1996er, zum pummligeren 1997er, über 1999 und 2000 hinweggeglitten bis hin zum 2004er, den 2002er als einen der geschniegetsten mittendrin. 

2. Tristan H. Cuvée Iseult

Eine Herzensangelegenheit von Tristan ist seine Cuvée Iseult. Die ist weiblich, wandlungsfähig, nicht zu verwechseln mit launisch. Der Pinot ist nicht zu schwer und bodennah, sondern flitternd, auf eine unterhaltende Weise glamourös, der eingängige Chardonnay leistet seinen Beitrag in coolestmöglicher Manier, ohne dass der Champagner abgehoben wirkt. Das mag in Teilen am Winzer liegen, der so liebenswert und freundlich ist, dass man diesen Eindruck auf seine Cuvées überträgt ohne darüber nachzudenken, wie so ein Champagner in einem glitzernden Neunsterneschuppen in Shanghai wirken würde.

3. Charlot Cuvée Speciale Extra Brut

Wie schön spielte der Extra Brut aus der in Dreigrammschritten dosierten Speciale-Serie doch jetzt auf. So viel Saft und Kraft, aber nicht so, dass er vor lauter Kraft nicht mehr gehen könnte. Also eben nicht der Muskelprotz, zu dem manche Champagner neigen, wenn der Winzer vergisst, eine Kontrollfunktion einzubauen, hier in Form von Butter, Crème Brûlée und Milchkaffee. Deutschen Verkostern kommt sowas immer überreif, oxidativ und was weiss ich nicht alles vor. Mich stört's selbst bei einem vergleichsweise jungen Champagner nicht, ich stelle das aber durchaus beim Alterungspotential in Rechnung. 

4. Dehours Collection Blanc de Meuniers 2007

Von Jérôme Dehours sind die Einzellagen besonders begehrenswert und bisher ohne erkennbare Schwäche. Dabei könnte ich nicht sagen, dass sich der Schwerpunkt seines Könnens beim Pinot Meunier festmachen lässt. Dazu sind die anderen reinsortigen Champagner von ihm viel zu stark. Aber eine ortsbezogene Verpflichtung gegenüber dem Meunier lässt sich kaum leugnen. Deshalb schaue ich bei Dehours gern in die zweite Reihe, hier in Form der Jahrgangscollection. Die ist merklich näher an den typischen Eigenschaften der Rebe, leider auch im negativen Sinn. Dadurch wird der Champagner nicht schlechter, aber man muss diese Typizität wollen. Beim Meunier 2007 ist eben nicht alles bis ins letzte durchdacht und perfektioniert, da tun sich Spaltmaße auf, wie man sie bei englischen Sportautooldtimern hinnimmt, bei modernen Produkten aber nur als Liebhaber zu tolerieren bereit ist.

5. Pol-Roger Cuvée Sir Winston Churchill 2000

Was ich eben zum Bollinger gesagt habe, trifft in gewisser Weise auch auf Pol-Roger zu. Nur dass bei Pol-Roger die Produktpalette bedeutend größer und dadurch in den letzten zehn Jahren etwas unruhiger geworden ist. Vor allem das Dosagethema wurde bei Pol-Roger nicht so fugenlos bearbeitet, wie ich mir das gewünscht hätte. Um mich damit nicht unnötig zu belasten, habe ich den jüngsten Neuzugängen meines Handvorrats aus dem Hause Pol-Roger etwas Ruhe und zeitlichen Abstand gegönnt. Das hat sich gelohnt. Jedenfalls bei der Cuvée Sir Winston Churchill 2000, der ich in meiner grenzenlosen Hoffnung immer schon viel zugetraut habe, Jahrgang hin oder her. So delikat wie ein geschälter Pfirsich, ganz ohne jede unwirsche Überheblichkeit, die man bei einer Cuvée dieses Zuschnitts erwarten oder befürchten könnte.Trotz des traditionellen Übergewichts an Pinot Noir wirkt der Champagner ausgewogen, als wäre der Pinot nur gedanklich in der Übermacht. Am Gaumen merkt man natürlich schon eine Dichte, für die man die Mixverhältnisse verantwortlich machen kann; nur ist dieser SWC eben so erudiert, dass Technikfragen völlig zurücktreten.

6. Marc Hebrart Special Club 2008

Ein Artisan de Champagne ist Paul Hébrart und seine Champagner sind seit Jahren eine sichere Bank. Klarer Fall, dass 2008 dort gelingen musste. Die Dosage ist hier geringfügig höher eingestellt, als mancher Champagnerpurist sich das wünschen mag, aber Champagnerdosage ist nunmal kein kirchenrechtliches Dogma und mehr als sonst gilt beim Champagner: jeder wie er will und toll, wenn's klappt. Für mich ist der Specual Club von Hebrart einer der ganz großen Freudenspender. Unernst, trotzdem inspirierend, munter, kregel und zum Leichtsinn verleitend, euphorisierend, tonisierend und besser als jeder noch so gelungene one night stand.

7. Jean Vesselle Oeuil de Perdrix

Als Rosé ist dieser hellzwiebelschalenfarbene Pinot-Champagner von Delphines 11 Hektar im Hanutaterroir von Bouzy kaum zu erkennen, solange man ihn nicht im Mund hatte. Dort zeigt er sofort, aus welchem Stall er kommt. Erdbeere, Törtchen, Nuss, aber davon nur ganz wenig. Lang, weia! Waga! Woge, du Welle, walle zur Wiege, wagala weia, Wallala wogend wie die Rheintöchter aus dem Ring (des Nibelungen). 

8. Nicolas Feuillatte Palmes d'Or 1999

Als hätte ich es gewusst oder zumindest geahnt. Erst seit paar Tagen ist bekannt, dass der eponymische Monsieur Feuillatte im gesegneten Alter von 88 Jahren verschieden ist. Fiducit. Fiducit auch, Palmes d'Or, in absichtsloser Vorausahnung. Nach dem zierlichen Oeuil de Perdrix von Vesselle war das ein absehbar mächtiges Geschoss (vulgo: Oschi), das unmittelbar nach dem Bollinger sicher besser gepasst hätte. 

9. Agrapart Mineral 2007, dég. Sep. 2013

Chardonnay aus Avize, so ruhig und beruhigend, in sich geschlossen und firm wie man ihn nicht oft bekommt. Er braucht nach dem Dégorgement gut und gerne sein neun bis zwölf Monate Ruhe, Enthusiasten trinken ihn schon früher reulos.

10. Daudet-Cotel 

Als ich bei Michel Drappier zu Tisch war, wies mich der auf Champagne Dautel-Cadot hin, dort würde ich einen bemerkenswerten Weißburgunderchampagner finden. Da ich sowieso in Essoyes noch zu tun hatte und mich mit Charles Dufour treffen wollte, bot sich ein Abstecher zu Dautel-Cadot an, bzw. drängte sich auf. Die dort mit Sylvain Dautel verkosteten Champagner waren leider alle viel zu kalt und ließen nur wenig erkennen. Also musste eine Testreihe mitgenommen werden, vor allem der Pinot Blanc interessierte mich natürlich. Und siehe, mit Ruhe und wohltemperiert offenbart sich die ganze Eleganz und blühende Fülle dieser Rebsorte, deren Aromatik nie auf Champagner weist, die aber in den Händen eines Champagnerkönners bis zur Machbarkeitsgrenze ausgelotet werden kann. Bei Dautel-Cadot wirkt der Weißburgunder besonders blütenduftig und fruchtig, auch reif, saftig und mir, der ich gerade solche Champagner dosagelos bevorzuge, eigentlich zu süß, aber das bedeutet nichts. Denn Sylvain legt es auf gourmetfreundliche Champagner an, die sich nicht so sehr im Laborvergleich, sondern beim convivialen Weindîner bewähren sollen.   

11. Christian Senez Cuvée Renoir

Christian Senez macht angenehme Champagner zu vernünftigen Preisen. deshalb war meine Freude groß, als ich erfuhr, dass die Distribution in Deutschland vorankommt. Bei meiner letzten Aubetour habe ich gegenüber den unmittelbar zuvor genossenen Kreationen von Charles Dufour zwar einen merklichen Abfall hinnehmen müssen, aber wenn man es umgekehrt aufreiht oder auch gleich ganz nur bei Senez bleibt, oder aber nach einer langen Verkostungsrunde sich einfach so ein Fläschlein Senez genehmigt (so zuletzt erwiesenermaßen erfolgreich und krampflösend praktiziert nach, bzw. während eines anstrengenden Berlinaufenthalts), dann geht's. Gefällig mit leichtem Säurekick, ein Champagner, der keine unnötigen Fragen stellt oder aufwirft, sondern einfach nur helfen will. 

12. Piollot Rosé de Saignée 1982 dég. à la volée

Am Ufer der Seine liegt das kleine Gut von Dominique Moreau (= Champagne Marie-Courtin). Ihr Mann macht dort auch Champagner, den er unter eigenem Familiennamen verkauft. Im Keller hat er scheinbar noch erhebliche Mengen älterer Ware liegen. So richtig wild aufs verkaufen ist er damit nicht; eigentlich erfuhr ich das mehr zufällig und beiläufig und eigentlich sagte ich mehr spaßßeshalber, dass ich ja ganz gern auch davon mal etwas probieren wollte, denkend, es würde sich um so altes Zeugs handeln, für das er sich vielleicht ein wenig schämt, so defensiv, wie das alles klang. Ohne große Erwartuzng, zumal nach der sehr hohen Vorlage seiner Frau, probierte ich dann eine Flasche vom 82er Rosé de Saignée und hätte am liebsten gleich die ganze Restpalette vom Fleck weg gekauft.  Unwahrscheinlich frisch, durch das Handdegorgement gleichsam alterslos, mit ein wenig Buchenrauch und Mandel, köstlichem Speck, gekonnten Burgunderanleihen, cold brew coffee und massig torrefaction, obwohl ausschließlich im Stahltank gelagert, war das ein krönender Abschluss meiner Versuchsreihe.

 

Artisan de Champagne: Vilmart & Cie.

Laurent Champs auf einer Verkostung zu treffen und ihm einfach nur zuzuhören, ist lehrreich wie eine Stunde Bildungsfernsehen. Genau deshalb habe ich mit jeden Schluck Vilmart Champagner das Gefühl, schlauer zu werden.

1. Grand Cellier

70PN 30CH, vier Jahre Hefelager.

Feiner Holzeinsatz, pikante Säure, eleganter Auftritt, einer der besten Premier Crus seiner Klasse.

2. Grand Cellier d'Or 2006, dég. Februar 2011

80CH 20PN.

Holz. Masse. Beweglichkeit. Ausgelassenes Vergnügen. Ich neige in meiner unabbremsbaren Champagnertrinkfreude dazu, die knapp unter den eigentlichen Spitzencuvées der verschiedenen Häuser angesiedelten Champagner zu favorisieren. Das liegt einfach daran, dass die immer dann, wenn meine knappe Geduld erschöpft ist, schon trinkreif sind und nicht noch ewige Jahre lagern müssen, bevor ich wieder mit Genuss ran darf. So auch bei Vilmart, wo ich den Grand Cellier d'Or mit ein bis zwei Jahren Flaschenreife fast immer besser finde, als die Coeur de Cuvée.

3. Coeur de Cuvée 2003, dég. Juni 2011

80CH 20PN, 50 Jahre alte Reben, 10 Monate Barrique, mit 5 g/l dosiert.

Sehr reif, rahmig, pilzig, aber auch mit Limettengranité, Grand Marnier und Kumqat; trotz der relativ niedrigen Dosage und des bis ins Letzte rausgekitzelten Zitrusfrucht gehörig süß.

Artisan de Champagne: Jean-Louis Vergnon

Christophe Constant hat mit JL Vergnon einen ziemlich sicheren Hafen für Mesnilfans geschaffen.

1. Brut Blanc de Blancs "Conversation"

Avize, Oger, Le Mesnil. 2008er Basis mit 6,5 g/l Dosage.

Guter, typischer Côte des Blancs Champagner und eine Verlockung für Freunde merklicher Mineralität.

2. Extra Brut Blanc de Blancs "Eloquence"

Avize, Oger, Le Mesnil. 2007er Basis mit 3 g/l Dosage.

Sehr klug und gut gespielt. Ein Jahr mehr auf der Hefe, dafür weniger Zucker in die Dosage gepackt und bei gleichem Mix einen ganz anderen Champagner hervorgebracht. Im Gegensatz zu seiner Bezeichnung ist der eher wortkarg, da noch enger und mineralischer als die Conversation; gegen Ende medizinal angehaucht. Oder anders: während die Conversation sprudelt und plätschert, macht sich die Eloquence durch lakonische, aber überwiegend umso treffsicherere Wortbeiträge bemerkbar.

3. Brut Blanc de Blancs "Resonance"

Chardonnay aus Mesnil und Oger, 2006er Basis mit unter 6 g/l dosiert.

Für seine Herkunft erstaunlich saftig und spritzig. Vollmundig, nicht besonders holzig, mit leichter Steviaherbe. Mein Liebling aus der Kollektion.

4. Brut Nature Blanc de Blancs "Confidence" 2007

Total kompromisslose, mir momentan zu saure Fasscuvée. Zehn Jahre weglegen, dann vielleicht nochmal reinchecken, aber vorher nicht.

 

 

Artisan de Champagne: Daniel Savart

Ecueil. Heimat von Nicolas Maillart und meiner Entdeckung des Halbjahrs, Frédéric Savart. Schlichte Etiketten, die alles wiedergeben, was nötig ist. Champagner, der alles zeigt, was Champagner zeigen kann. Unprätentiös, selbstsicher, überlegen.

1. L'Accomplie

80CH 20PN, 2009er Basis, Reserve aus 2008 und 2007.

Sehr rassig, säurestark, schlank, herb, fordernd. Trinity aus der Matrix in Champagnerform.

2. Millésime 2008

60PN 40CH.

Holzfass. Gaumenvolltreffer. Ultrabelebend. einer der wenigen Champagner, der meine 95 Punkte Marke auf Anhieb touchiert.

3. Dame de Coeur 2007

100CH, mit 2 g/l dosiert.

Mandeltorrone, Marzipan, Grand Marnier, Buttercrème, Hagelzucker, glitzerschlanke, peitschenhafte Säure. Sicher eine Steigerung zum Millésime 2008, aber fragt sich, wie lange. Ich denke, die Dame de Coeur wird den 2008er zwar in ein, zwei Jahren überflügeln, aber dann langsam abfallen, während der 2008er sein hohes Niveau länger halten können wird. Auf mich wirkt die 2007er Dame de Coeur überaus gut, in einem nicht ganz einfach zu händelnden Jahr, das seine Schwierigkeiten im Champagner hinterlassen hat und ihn dadurch etwas extrem und konstruiert wirken lässt. Auf die Dame de Coeur 2008 dagegen bin ich auf das höchste scharf und gespannt.

 

 

Artisan de Champagne: Pierre Paillard

Antoine Paillard macht immer BSA mit seinen vom Bouzy-Terroir geprägten Champagnern. Denen tut das gut, die sind nämlich alle rechte Gaumenschmeichler und Publikumslieblinge.

1. Brut Assemblage, dég. 31. Oktober 2011

60PN 40CH, 2007er Basis mit Reserve aus 2006, mit 7 g/l dosiert.

Traubenzucker, rote Tafeltrauben, Blaubeeren. Wirkt anfangs etwas süß, was ihn dem nicht ganz so spezialisierten Publikum willkommen wirken lässt, die Süße setzt sich aber bald und macht einem dezenten Begleitchampagner Platz.

2. Blanc de Noirs lieu-dit Les Maillerettes 2007, dég. November 2010

Mit 8 g/l für meinen Geschmack zu hoch dosiert. Nach über einem Jahr Flaschenrife schmeckt mir die Dosage jedenfalls zu stark durch. Marilliger bis blaubeerkuchenartiger Einstieg in die Pinotwelt, wirkt aber nicht sehr speziell. Gegen Ende leicht nussig mit einer milden Dentagard-Kräuternote und Lakritzanklängen, die noch unterhalb der Störschwelle operieren. Das geht besser, oder zumindest fokussierter.

3. Blanc de Blancs lieu-dit Les Motelettes 2007, dég. Novmber 2010

Die Reben sind über 50 Jahre alt, die Dosage so hoch wie beim Pinot. Für einen Winzer aus Bouzy macht der Chardonnay eine sehr gute Figur. Hebt sich deutlich vom weißen Standard dieses Crus ab. Die Frucht wirkt etwas verzweifelt um sich beißend, wohl um fehlende Mineralität mit linder Aggressivität auszugleichen. Mir am Ende auch noch zu hoch dosiert, worin die Stärken der Lage liegen sollen, wird nicht klar. Muss es natürlich nicht, wenn Antoine weiterhin auf ein Publikum zielt, dem solche Fragen letztlich schnuppe sind.

4. Brut Grand Cru Millésime 2002, dég. September 2011

50PN 50CH, mit 7 g/l dosiert.

Meiner Meinung nach der gelungenste Champagner von Pierre Paillard. Ausgewogen, vielgestaltig, von dunkel, würzig und kernig bis erfrischend, krachend fruchtig und mundwässernd spritzig ist alles da, eine mit Apfelscheiben belegte Pumpernickelschnitte, die schön dick Butter trägt, kann für den gaumen ähnlich epikureischen Genusswert haben; auch an Eleganz und Länge fehlt es nicht.

 

 

Artisan de Champagne: A. Margaine

Auf dem Weg von Reims nach Epernay kommt man durch Montchenot, ein völlig nichtssagendes Straßendorf, das nicht der Rede wert wäre, wenn dort nicht mit dem Grand Cerf eines der besternten Restaurants der Champagne seinen Sitz hätte und seinen rühmenswert günstigen Mittagstisch feilböte. In Montchenot kann man nach Osten in die Montagne de Reims abbiegen dann ist das erste Örtchen Villers-Allerand es folgen die Premier und Grand Crus der Montagne wie auf einer Perlenkette. Gelangt man an deren nordöstliches Ende, findet man sich in Verzy wieder. Von dort aus kann man über das durch David Léclapart berühmte Trépail runter nach Ambonnay und in die Grande Vallée de la Marne fahren. Zwischen Verzy und Trépail liegt Villers-Marmery, das mir zuletzt bei der Vin Clairs Verkostung mit Régis Camus aufgefallen ist. In Villers-Marmery ist Champagne Margaine beheimatet. Arnaud Margaines Champagner habe ich mir aber nicht direkt unter dem Blickwinkel ihrer athletischen Fähigkeiten zu Gemüte geführt, sondern ganz unvoreingenommen in ihrer Eigenschaft als jüngste Kollektion des Erzeugers.

1. Cuvée Extra Brut, dég. Januar 2012

100CH, 2007er Basis, mit 4,5 g/l dosiert.

Für einen Blanc de Blancs Extra Brut sehr fruchtig, Sauerkirsche, Acerola, roter Apfel, fast immer ein Merkzeichen für die Montagne, das Sézannais oder die Aube. Hier kam gegen Ende eine leicht gerbende Note hinzu, die in der Blindverkostung der beste Hinweis auf Montagne ist.

2. Cuvée Traditionelle, dég. Februar 2012

90CH 10PN, 2009er Basis, mit 9 g/l dosiert.

Etwas kurz geratener Champagner, trotz seines für die Gegend gar nicht mal so ungewöhnlich hohen Chardonnayanteils. Ordentlich, aber nicht umwerfend. Vielleicht gegen Jahresende in besserer, länger schmeckender Verfassung.

3. Cuvée Special Club 2006, dég. Februar 2012

100CH von drei Parzellen, mit 8,5 g/l dosiert.

Braucht noch seine Zeit, wirkt trotz der reichlich 8,5 g/l Dosage sehr stramm und zwackt gehörig.

Artisan de Champagne: Nicolas Maillart

Aus Ecueil, einem Premier Cru (90%) etwas westlich der Strecke von Epernay nach Reims, kommen gleich zwei Artisans de Champagne, Nicolas Maillart und Daniel Savart. Den Champagner von Nicolas Maillart, um den es hier geht, kenne ich schon ein paar Jahre und er beweist jedes Mal, dass Ecueil mehr ist, als ein von Armut, Skrofeln und Steuereintreibern heimgesuchter Elendsweiler.

1. Vin Clair: Chardonnay Premier Cru Chaillots Gillis 2011

Trauben aus Ecueil und Bouzy (sic!), Fassvinifikation und -ausbau, bâtonnage, kein BSA; unfiltriert.

Chlor und Banane, viel frischer Hefeteig, im Mund schon ganz beweglich und erkundungsfreudig.

2. Blanc de Blancs Premier Cru Chaillots Gillis 2004, handdégorgiert Dezember 2011

Kein BSA, mit 3 g/l dosiert.

Erbarmungslos, explosiv und von Beginn an auf der Überholspur. Ein Grand Cru Killer, im Moment mein Lieblingschampagner von Maillart.

3. Cuvée Platine Premier Cru

80PN 20CH, mit 8 g/l dosiert.

So wie das safety car in der Formel 1 neben den Hauptakteuren wirkt, als würde es mit angezogener Handbremse fahren, wirkt die Cuvée Platine nach dem Lagenchampagner. Dafür bekommt man alles deutlicher mit. Mandarine, Apfel, weißer Pfirsich, im Mund leicht, aber nicht wirkungslos.

4. Francs de Pied Blanc de Noirs Premier Cru 2005

100PN, gepflanzt 1973, Fassvinifikation und -ausbau, bâtonnage, kein BSA, unfiltriert; mit 3 g/l dosiert.

Herb und eigenwillig, neben dem mit Kreidestäbchen belegten und mit Limette garnierten Toastbrot ist vom Jahrgangscharakter noch nur wenig zu erahnen. Kann man sicher gut zum Essen trinken, sollte man aber lieber sein lassen und in frühestens vier Jahren wieder anrühren.

Artisan de Champagne: Lancelot-Pienne

 

Noch ein Solerawinzer. Passend zum Namen heißt die Visitenkartencuvée nach der Tafelrunde von König Artus. Lancelot-Pienne gehört in Cramant zu den Winzern, denen es weniger auf Balance anzukommen scheint, als auf einen herzhaften, vom Terroir durchaus mitgetragenen Stil.

1. Cuvée de la Table Ronde Grand Cru Brut Nature

100CH aus Cramant, Avize und Chouilly, 2007er Ernte und ca. 15 Jahrgänge Solerareserve.

Sehr würdiger, kräftiger, von der Solera abgerundeter Champagner, der sich als Brut Nature sehr gut schlägt.

2. Cuvée de la Table Ronde Grand Cru Brut

Zusammensetzung wie der Extra Brut, wirkte auf mich mit seiner Muscovadozuckernote zunächst etwas eigen, wurde dann limonadiger, wenngleich sehr gefällig und für die meisten unbefangenen Verkoster sicher vorzugswürdig.

3. Blanc de Blancs Grand Cru

2008er Basis aus den Coteaux Sud d'Epernay Monthelon, Mancy, die 20% Reserve sind wieder Solera; mise en bouteille 2009, mit 8 g/l dosiert.

Weißer Blütenteppich, weißer Pfirsich, ausgewogener und aromatisch stimmiger, als der Table Ronde Brut.

4. Cuvée Sélection

62PM 28CH 10PN, 2007er Basis, mise en bouteille 2008.

Für einen Winzer aus Cramant ist der Meunieranteil hier ungewöhnlich hoch. Macht nix, Giles Lancelot kann damit umgehen. Der Champagner ist sonnig, freundlich, mit einer Mischung aus sehr reifer Ananas und Grapefruit, da habe ich von Winzern aus der Vallée de la Marne – und dort sind ja die Meunierspezis zu Hause – schon schlechtere, dünnere, brotigere, fadere Champagne getrunken.

Artisan de Champagne: Marc Hebrart

 

Die amerikanische Version der Champagner von Hebrart trägt das Dégorgierdatum auf dem Rückenetikett – verständlich, seit der Wine Advocate keine jahrgangslosen Champagner ohne Dégorgierdatum mehr annimmt. Und gut so. Nur schade und unverständlich, dass Jean-Paul Hebrart als einer der geschätztesten Winzer in Mareuil das nicht bei allen Märkten so praktiziert.

1. Sélection

65PN aus Mareuil-sur-Ay 35CH aus Chouilly

Sehr easygoing, trotz seines bedeutenden Pinotanteils überwiegend apfelig und so angenehm kühlend, wie Quarkwickel auf verbrannter Haut.

2. Special Club Premier Cru 2006 en Magnum

55PN aus Mareuil-sur-Ay 45CH aus Oiry und Chouilly

Gerbender, ernster und herber als der Sélection, ein Champagner, der seinem Special Club Classement etwas bemüht gerecht zu werden versucht.

3. Rive Gauche/Rive Droite Grand Cru 2005

50CH aus Oiry und Chouilly 50PN aus Ay, mit 4 g/l dosiert.

Die eigentliche Prestigecuvée von Hebrart. Gezuckerte Erdbeere, Maraschinokirsche, Johannisbeersorbet, das knisternd in den unanständigen Teil des Abends überleitet.