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Category Archives: Champagner

Hier dreht sich alles um Champagner.

Champagner? Champagner!

Einen Leserückblick, angereichert um highlights von der Bulles Bio in Reims habe ich igerade erst geliefert. Mit highlights alleine ist es aber nicht getan, das gilt für make-up genauso wie für Champagnerübersichten. Deshalb folgen hier noch einige Tips und Hinweise zu Champagnern von der diesjährigen Falstaff-Champagnergala in Berlin, die aus Gründen  der Wiederholung, Vertiefung und besseren Streuung getreulich nachgetrunken werden sollten.

Von Champagne André Roger habe ich vor allem den Rosé zu empfehlen, der mir zuletzt zusammen mit Krug Rosé, Deutz Rosé und Roederer Vintage 2010 Rosé sehr viel Freude bereitet hat. Auch die Grande Réserve Brut Grand Cru (75PN 25CH) und der Millésime (85PN 25CH) sind preislich wie qualitativ sehr interessant.

Von Charles Heidsieck ist der Blanc de Millenaires 1995 nach wie vor eine sichere Empfehlung, aber was vielleicht noch viel spannender ist: der Rosé Millésime 1999.Eleganz, Power und Finesse, wie man sie bei einem Jahrgangsrosé dieses Alters gar nicht erwarten würde. Gegenüber dem jahrgangslosen, auch schon guten Rosé von Heidsieck ist das ein ganzes Saeculum, das da dazwischen liegt.

Champagne Lallier wird uns im Jahr 2016 einige schöne neue Kreationen durch die charmante Repräsentantin Vanessa Cherruau liefern, bis dahin gedulden wir uns gern mit der Grande Réserve Grand Cru (65PN 35CH), dég. Sep. 2014.

Champagne Moutard Père et Fils kennt man vor allem von der Cuvée des 6Cépages, deren aktuelle Version 2008 ist zwar mit üppigen 8 g/l dosiert, steckt den Zucker aber gut weg. Das liegt gewiss am Arbane- und am Petit Meslier Anteil, deren Säure ja so manchen eleganten Faltenwurf in allzuglatt gebügelte Cuvées zu zaubern versteht; maßgeblich für die Frage, ob es eine Altrebsortencuvée gibt, ist übrigens Jahr für Jahr der empfindliche Arbaneertrag. Seitenblicke auf den reinsortigen Parcellaire Pinot Noir de Vieilles Vignes lieu dit Richardot und auf die Cuvée des 2 Soeurs (50PN 50CH) lohnen sich übrigens auch.

Von Louis Roederer gibt es sowieso fast nur gute Champagner, das Haus setzt außerdem auf Biodynamie und zuletzt gab es, für ein Haus dieser Größe einigermaßen ungewohnt, einen Brut Nature in der Kpnstleredition von Starck, Jahrgang 2006. Das ist ein leicht scotchig geratener, sonst ganz sauberer und direkter Champagner, der Lust auf mehr Experimente dieser Art macht.

Nils Lackner und Champagne Alexandre Salmon muss man auf dem Speiseplan haben. Die Cuvée A.S. (50PM 50CH) war 95 Monate auf der Hefe, Basis sind 2006 und 2005 und wenn da die Post nicht abgeht, weiss ich auch nicht. Das neue Holz aus der Tonnellerie der Champagne dient unaufdringlich und polstert an den richtigen Stellen, der Champagner ist eine wohlgeratene Mischung aus üppiger Form und kühnem Schwung. Weiter so.

Direkt da ist, ganz gegen die Erwartungshaltung, Taittinger, Comtes de Champagne 2006. Null Babyspeck, null Fett, null Makerade, keine Versteckspiel, sondern sofortige Ansprache und rabiates Durchstarten. Schlank, würdig, leicht, sehr gelungen und sicher einer der am frühesten schmackhaften Comtes der letzten zehn Jahre.

Champagne Demoiselle aus dem Hause Vranken-Pommery habe ich Anfang der 2000er Jahre zum ersten Mal getrunken und die Cuvée Parisienne Premier Cru gefällt mir seither stets am besten. Der aktuelle 2003er ist buttrig, ohne fettig zu sein, die geschickt verbaute Autolytik gibt dem Champagner Gediegenheit und Charme.   

Sternefresser Bubble Tank im The Table (***/17), Hamburg

Im bewährten K.O.-System traten die 16 von den Juroren nominierten Lieblingschampagner mit einer Preisobergrenze von 50,00 € gegeneinander an. Um die kräfteraubende Verkostungsarbeit über vier Runden durchstehen zu können, bedurfte es einer geeigneten Küchenumgebung, die sich zwangloser als Kevin Fehlings neuer Hamburger Hot Spot gar nicht denken lässt. 

 

Die morituri waren:

 

Perrier-Jouet Grand Brut, der gegen Bérèche et Fils Vieilles Vignes Sélectionnés 2005 antreten musste und prompt rausflog. Frucht, Menthol und schokominzblättrige Eingängigkeit reichten nicht, um gegen den breit aufgestellten, aromatisch von Maispuffer bis Haselnusskeks reichenden, mit Riesenwucht und leichter Cognacfahne anrennenden (von mir bevorzugten) Bérèche aufzuhalten.   

 

Raumlands VIII. Triumvirat wurde von niemandem als Pirat erkannt und in einer kundig besetzten Jurorenrunde (inkl. Volker Raumland selbst) will das mehr als viel bedeuten. Erst recht, wenn der Gegner Egly-Ouriet heisst. Mir gefiel der Egly mit seiner Mischung aus Mon Chéri, Tonkabohne, Wacholder und Seeluft besser, ich fand ihn auch im Mund komplexer, aber das Triumvirat warf Egly raus, was am unverblümten Apfelspass gelegen haben mag, dem bunten Durcheinander saftiger Äpfel, dem man beim Champagner immer so gern verfällt, wobei Volker größtes Lob für die Dosagearbeit gebührt, die der Säure viel Platz zum Wirken gab, aber genügend hoch war, um die Saftigkeit nicht auszutrocknen.

 

Robert Dufour et Fils Bistrotage par Charles Dufour hatte ich erst wenige Tage zuvor in einer anderen Runde vorgestellt und auch beim Bubble Tank (wo er von einem anderen Juror eingebracht worden war) schlug er sich hervorragend. Tüchtig Waldbeeraroma, etwas Panna Cotta, nur wenig Oxidation, eben gerade so, dass sie Spaß macht und Komplexität hinzufügt. Dem konnte Pierre Moncuit Blanc de Blancs Extra Brut nicht widerstehen. Nuss, Apfel und an größere Höuser erinnernde Dosage ließen den sonst geschätzten Champagner aus Le Mesnil nicht nur in meiner beschränkten Weltsicht den Kürzeren ziehen, auch die Runde entschied sich für Dufour. Bravo!

 

Nun aber wurde es schwer. Vouette et Sorbée Fidèle war von Nina Mann (Ex-Nagaya) eingestellt worden und Bertrand Gautherots Champagner haben nunmal (vom schwierigen Rosé abgesehen) meine Sympathie für sich. So auch hier. Die Verwandtschaft zu Dufour, also die Aubeherkunft, wenn man so will, schien unverkennbar, so wie meiner Meinung nach alle Aube-Champagner, scilicet, etwas rustikaler im Gesamtvergleich wirkten. In den einzelnen flights verschwamm dieser Eindruck und war nicht so gut greifbar, aber insgesamt und weil man nachher immer schlauer ist, waren die Aubeavantgardisten leicht zu demaskieren. Campher und säuerlich-pflanzliche Aromen wirkten hier nicht störend, weil sich auch viel sonstige Frucht zeigte und der Champagner seine gutmütig-dickbauchigen Seiten nicht verbarg. Rosenblüte und etwas Nuss wirkten ziemlich betörend auf mich. Emmanuel Brochets Mont Benoit wollte mir da nicht so gut gefallen. Das, obwohl ich noch auf der Bulles Bio in Reims mich fast nicht hätte satt, bzw sitt trinken können, daran. An vielen der anderen Champagner aber auch. Im Vergleich mit dem Fidèle sprach mich die Nase mit Cashew, Tajine und Erdnussbutter nicht so wahnsinnig an. Mit Luft legten sich schon einige aparte Schichten frei und die raffinierte Apfel-Zitrus-Kombionation zum Schluss hätte mir Hinweis sein können auf den rasanten Entwicklungsschub, den der Champagner sodann machte. Die übrige Verkoster mögen es früher erkannt haben, ich konnte ihm an dieser Stelle (noch) nicht den Vorzug geben.

 

Auch nicht leicht hatte es die geschätzte Val Frison mit der Cuvée Goustan Brut Nature. Die musste nämlich gegen Eric Rodez ran und das bedeutete ihr vorzeitiges Ausscheiden. Sehr schade, denn diesem feinen Hong-Kirsch Aroma mit seinem gegen Ende auftauchenden hauchzarten Waldmeister hätte ich gern ein längeres match gegönnt. Meister Eric fackelte nicht lang, sein Champagner bewegte sich wie der Night Fox aus Ocean's Eleven oder Twelve oder welche Nummer auch immer, über den Gaumen, schlank, trainiert, reif und verschmitzt, mit einer schlingelhaften Süße, so hatte ich mir den Konkurrenten vorgestellt, der leider nicht das Virtelfinale erreichte.

 

Larmandier-Bernier Terre de Vertus trat gegen Aurelien Suenen Blanc de Blanc Extra Brut an und konnte schlicht nicht mithalten. Das finde ich ziemlich aufregend, denn rein zufällig war diese Zusammenstellung zustandegekommen und vereinte doch zwei hochgradig spannende, für den direkten Vergleich wie gemachte Champagner. Das ist bei weitem nicht in jeder Paarung so, das Paar Frison/Rodez zum Beispiel war durch denselben Zufall ganz unglücklich zusammengewürfelt und ich hätte beide lieber mit anderen Partnern am Start gesehen. Nunja. Suenen also zeigte, wo's langgeht. Pfeffer, Dreck, provokantes Bitterl, aber auch Schliff, Klasse und eine auf weniger Perfektionismus angelegte, attackierende, rücksichtslose Art. Mit dieser Selbstverschwendung konnte der ruhige, sehr saubere, sehr angenehme, sehr wohlerzogene Terre de Vertus nicht ernstlich konkurrieren. Meins Stimme hatte klar Suenen und die echten Profis sahen es genauso.

 

In der Nase Anisbonbon, Fenchel, im Mund sehr sauber, aber etwas zu kurz und etwas zu hoch dosiert, das war für mich der Auftritt von Moet et Chandon Grand Vintage 2006. Gegen den viel riskanteren, mutigeren, ruchloseren Champagne Horiot Sève En Barmont konnte das große Haus nichts ausrichten. Klar, dass Horiot eine Runde weiter kam.

 

Zweiter Anlauf für Larmandier-Bernier, diesmal mit der Cuvée Longitude. Seifenduft, wie von einer englischen Nobelmanufaktur, die nur an handverlesene Luxusschuppen und exquisite Herrenausstatter liefert, bei Larmandier. Ferner Nuss, Marshmallow, von geschicktem Dosageeinsatz gestützte Trinkfreudigkeit und alles zusammen recht komplex, aber nicht kompliziert. Gegen Christophe Mignon, den ich dieses Jahr schon bei Hendrik Thomas Wein am Limit Livestream öffentlich zu verkosten und zu loben das Vergnügen hatte, reichte das nicht. Dunkler eingefärbt, mit Apfel, Pektin, frivoler Exotik und englischer Internatsstrenge hatte der Meunierspezi schnell die Mehrheit für sich.         

 

Die zweite Runde hat Bérèches Vieilles Vignes gegen Volker Raumlands Triumvirat für sich entschieden, interessanterweise zwei durchaus von Apfelaromen geprägte Schäumer, bei denen Bérèche einfach etwas mehr Mut, Konzentration und Aggressivität an den Tag legte. Dufours Bistrotage hatte ich gegen die Gruppe vor dem flacher wirkenden Brochets Mont Benoit gesehen, war aber in der Minderzahl. Auch beim dritten Virtelfinalpaar, Eric Rodez gegen Suenen konnte ich mich nicht durchsetzen. In der ersten Runde hatte ich Rodez und Suenen in ihren jeweiligen flight auch jeweils favorisiert, so dass nun zwei Favoriten aufeinander trafen. Rodez war für mich feiner, eleganter, damenhafter, Suenens zweiter Auftritt (aus einer neuen Flasche) schwächelte dagegen meiner Meinung nach. Letztlich war's aber nur haarscharf zwischen beiden und Suenen gewann. Horiot und Mignon bildeten dann wieder einen Favoritenflight und Horiot packte nun einfach etwas mehr aus, als Mignon. Ginger Ale, starke, aber nicht brennende Säure, ein sportlicherer Charakter gaben für mich den Ausschlag gegenüber dem vielleicht rebsortenbedingt milderen, leiseren Mignon.

 

Brochets Mont Benoit setzte dann seine Siegesserie gegen Bérèche fort, obwohl ich ihn karamelliger, weniger druckvoll und nicht ganz so durchmarschgeeignet fand. Suenens dritte und leider wieder nicht ganz optimale Flasche stieg aus, als Horit Kalamansi, Yuzu und eine immer weiter ansteigende Komplexität einbrachte, die ihm nun aber für mich vollends unverständlich, dennoch nicht den Sieg gegen den am Ende erstplatzierten Champagner, Emmanuel Brochets Mont Benoit, bescherte. Den dritten Platz errang mühelos Bérèche.

 

Fazit: Die Zufallsauslosung im K.O.-System bringt Unvorhersehbarkeiten und Ungerechtigkeiten, aber sie ist ziemlich unbestechlich. Sicher geglaubte Positionen erweisen sich als wacklig und so mancher Champagner, den man nicht auf dem Plan hatte, bekommt Profilierungsmöglichkeiten, die ihm guttun. Spaß machts auch, Fazit im Fazit daher: Wiederholung so bald wie möglich!  

 

Champagne Krug Clos du Mesnil Vertikale 1979 bis 2003 im Berens am Kai, Düsseldorf

Krugs Clos du Mesnil. Hochachtung, Respekt und ehrfurchtsvolle Scheu klingen durch, wenn von diesem Champagner die Rede ist. Der Clos du Mesnil ist selbst für Intensivtrinker und Sammler kaum bekanntes Terrain. Dabei ist er im Vergleich mit ähnlich hochkarätigen Stillweinen geradezu ein Billigheimer; besonders interessant: es gibt ihn noch nicht so sehr lange (unter Krug-Regie jedenfalls). Wer sich lange genug umsieht, hat eine ernsthafte Chance darauf, eine komplette Sammlung aller Jahrgänge zusammenzubekommen. Warum das eine gute Idee sein könnte? Weil das langlebiges Zeug ist, das selbst nach mehr als dreißig Jahren kaum Altersspuren zeigt. Dem lieben Alper Alpaslan ist es zu verdanken, dass unter anderem Richard Juhlin eigens aus Schweden und der sonst bekanntermaßen champagnerscheue Weinterminator überhaupt zum bewährten Berens am Kai kamen, um in ebenso konzentrierter wie gutgelaunter Runde alle bisher erschienenen Jahrgänge dieses Ausnahmechampagners durchzuprobieren. Selbst die raren ersten Jahrgänge konnte Alper auftreiben, wofür ihm einmal mehr Dank gebührt. 

 

2003 war erwartungsgemäß reif, voll bis schwer, wirkte auf mich dadurch etwas lahm, wollte mit seiner gammeligen Erdbeeraromatik erst auch nicht richtig überzeugen, entwickelte dann aber sehr aparte florale Noten, die den dickviskosen Eindruck verschoben. Dank strenger Selektion und nur ca. 8000 Flaschen ergab sich mit Luft eine dann doch noch sehr angenehme Frische und eine eine kalkpulvrige Note, dass es so seine Art hatte.

 

2000, damals blieb als einziger vom Hagelsturm in Le Mesnil der Clos du Mesnil verschont. Mirakulös – und eben deshalb heißt er auch bei Krug der Mirakelhafte. Mich erstaunten Kokos, Papaya, entfernt röstige Noten, ein feiner Duft von Reinigungswolle und die leicht hysterische Säure. Wäre der Champagner gegen Ende nicht etwas dünn bei gleichzeitiger Reifeanmutung, hätte ich ihn nicht für einen 2000er gehalten. 

 

1999, gibt es zwar, aber nur im Keller von Krug. Was damit geschehen wird, ist unklar. Kaufen kann man ihn derzeit jedenfalls nicht.

 

1998, drängender, stürmischer, nicht ganz so hysterisch wie 2000, mit einer gut entwickelten und immer noch Jugendlichkeit anzeigenden Pina Colada Nase, sanfter Butternote und feiner, fast unauffälliger und noch im Babystadium befindlicher Frucht.

 

1996, die Riesenmenge an Säure, die nichts anderes gelten lässt, könnte schwache Nerven irritieren; dann kommt aber Makrone, Frankfurter Kranz, Lemon Curd,zum Schluss begossen mit einem Tässchen Limettensaft. Von Reife kann hier noch nicht ansatzweise und in den nächsten zehn Jahren nicht die Rede sein. 

 

1995, für mich zu Beginn so etwas wie der schönere 96er, elegant, balanciert, selbstbewusst, unaufdringlich, zuckerwattig, schwarzer Tee, mit guter buttrig-reif glänzender Aussenwirkung und jugendlichem Kern. Ob er wirklich dem von Krug im letzten Augenblick gestoppten 1999er Clos du Mesnil ähnelt, kann ich leider nicht sagen, aber die sich langsam entwickelnde Trockenobstigkeit mit vielen Apfelringen gefiel mir schon sehr gut. 

 

1992, nicht so gut und sogar mit am schwächsten fand ich den von etwas Blaubeere durchsetzten 92er. Low key ausgeleuchet, dämmrig, allerdings schon auch etwas dicht, zwischen atmosphärisch und träge, aber noch nicht schlaff, dennoch wenig kreativ, trotz Cointreau und Lindenblütenduft. Klingt alles so, als gäbe es gar nichts zu meckern, mich hat er trotzdem unzufrieden zurückgelassen. Wahrscheinlich sind es die Vorbehalte gegen den Jahrgang, die bei mir den Ton angeben.

 

1990, herrlich verschlafen, zwischen metallisch und beerig, braucht dieser Champagner wie ein Tiefseetaucher mehrere Etappen, um nach oben zu kommen. Mit viel Luft zeigen sich Toast, Reife, milde Röstung, Safran und eine Gewandung, die man sonst nur von pinotgeprägten Prestigecuvées kennt, wobei der Champagner bis zum Schluss reserviert und erkennbar in einer Übergangsphase hin in das nächste Reifestadium bleibt.  

 

1989, sehr alert, süffig und unbeschwert bis zur Aufdringlichkeit, geradezu limonadig und nur ganz gering angeältelt, jedoch vom ersten Schluck an wegschlabberbar; später mit Marzipan, Bienenwachs, Himbeerblättern, Minze und dem Gefühl, einen entfernten Verwandten des Moselrieslings im Glas zu haben; sehr schön gefiel mir hier die vom Berens-Team servierte Kombination mit dem Muschelflan. 

 

1988, war nach 1996 das zweite gewaltige Säuregeschoss und tat sich anfangs schwer, mit verschlossener Nase, etwas käsig habe ich mir noch notiert, aber dann wurde daraus unversehens ein grossartiger Champagner, dessen mittlerweile abgeschmolzene, d.h. natürlich immer noch vorhandene, aber im Reifekleid gut verpackte Säure überhaupt nicht aggressiv wirkte. Beurre blanc, Melone, Minze, Jod lassen hier auf einen Champagner mit noch immer sehr viel Zukunft hoffen, für mich einer der drei besten Champagner des Abends.

 

1986, optisch war das der dunkelste Wein, die metallische Nase störte zunächst, dann war er im Mund schön saftig und lebhaft, freilich nicht ganz so limonadig wie 89, weil mehr Rote Bete und fortgeschrittenere Reife ihn bremsten, zum Maronensüppchen mit Trüffel passte das aber hervorragend.

 

1985, das erste Mal, dass eine feine Sherrynase vernommen werden konnte, auch Butter spielte eine bedeutende Rolle, und doch war der Champagner im Mund erstaunlich frisch, tabakig, präsent, mit Muskat, Zucchiniblüte, Brunnenkresse, pikanter, reifer Süsse, die bestens zur Saiblingknusperrolle passte.

 

1983, schwer einzuordnende erdige Nase, auch Gummi, der an schlechten Kork erinnert, aber einigermassen typisch für den Jahrgang ist; im Mund dicht, gewichtig, würzig, auch mostig, was wieder den Eindruck von Frische vermittelt. Gute, wonnevolle Süsse und blonder Tabak.

 

1982, ein starker, vollpräsenter Nasenbär, der Champagnerurtyp schlechthin. Voller Mund, Saft, dicke Backen, dazu Piment, ein Champagner mit der Aromenintensität eines Schmorgerichts, ohne dessen Schwere. 

 

1981, Kaffee, Toffee, vanilliger, meersalziger Karamell, im Mund schlank, strukturierte Supersäure, kernig, gesund und powerful, ideal mit Auster und Apfel. Für mich ein weiterer Spitzenchampagner des Abends und zwingend unter den Top 3 der Gesamtkollektion.

 

1980, sehr selten und daher wollte ich ganz genau hinsehen. Ich habe vor allem Heidelbeerjoghurt wahrgenommen, im Mund war der Champagner wieder sehr saftig, sehr lebhaft, sehr (erstaunlich!) sprudelnd, zackig, militärisch, ein alter Oberst aus einer Novelle, wie sie die baltischen, wahlweise ostpreussischen Schiftsteller und zur Not auch Theodor Fontane zu portraitieren wussten.

 

1979, der erst Clos du Mesnil von Krug und verdientermaßen eine Legende. Rank, schlank, aristokratisch, im Mund auch süss, viel Jugend, etwas Butter und wenig Metall, leichtes, charmantes Bitterl am Ende, köstlich mit Krabbenchip, Tatar und Kaviar, wirkt in allem gefasster, disziplinierter, professioneller und überlegener, als der schon beeindruckende 81er.

 

Fazit: Clos du Mesnil ist eine eigene Welt. Nicht unbedingt eine, in der hemmungsloser Genuss im Vordergrund steht, sondern eine, in der Jahrgangstypizität, Charakter und Selbstvollendung eine Rolle spielen. Irgendwie auch ein buddhistisches Konzept, eins, das seltsam abweisend und entrückt wirken kann und mit dem man sich sehr intensiv beschäftigen sollte, bevor man Punkte vergibt.

Grand Chapitre, Dresden 2015

Malte Behrmann, der beim Westin Bellevue in Dresden die Rolle als Chef und F&B Manager innehat, fungierte als Gastgeber und steuerte einige schöne Akzente zum Aperitif bei.
Benjamin Biedlingmaier, ein gelernter Tonbacher (Restaurant Silberberg), der schon unter dem Wohlfahrt-Schüler Sebastian Zier im La Mer auf Sylt (von 2012 bis zur Schließung im Januar 2015 immerhin **, die ich 2014 gut nachvollziehen konnte), zeigte, was er kann; beide haben übrigens auch eine Station im Schloß Velden hinter sich. Im Dresdener Caroussel kocht Biedlingmaier mit einem Stern.
Stefan Hermann vom bean & beluga war bei Wohlfahrt und Thieltges in der Küche und kennt auch das Caroussel noch aus eigener Anschauung. Im bean & beluga kocht er seit Menschengedenken mit 17/*.

Aperitif gab es im Atrium des Gastgebers, Stefan Hermann servierte so simpel wie schön Kartoffel, Quark, Rucola, dazu gab es passend wie Arsch auf Eimer Champagne Taittinger Brut Millésimé 2008. Malte Behrmann übernahm drei weitere Kleinigkeiten, darunter Tofu, Rote Beete, Spinat, dazu der alles verzeihende, alles großmütig wegsteckende und moderierende Champagne Alfred Gratien Grand Cru Blanc de Blancs 2007, außerdem famoser Kalbsfuß, Gurke, Eigelb, dazu Champagne Duval Leroy Rosé Premier Cru, was trotz der anspruchsvollen Aromatik der Speise fabelhaft funktionierte, vielleicht, weil es nur so ein kleiner Haps war (davon aber viele, also zumindest für mich) und die mir ja schon lange zum Hals raushängende, unvermeidliche Jakobsmuschel, mit Zitrusfrüchten und Mandeln, was dann aber doch wieder, wenn man sich ium etwas Objektivität bemühte, gut schmeckte, dazu passte wieder sehr gut Champagne Lanson Noble Cuvée Blanc de Bancs 2000, von Benjamin Biedlingmaier wurde abschließend beigesteuert ein Blumenkohltaboulé, Kardamom, Zwetschge, dazu Champagne Pommery Rosé Apanage in Magnum, was viel mehr hätte in die Hose gehen können, als es dann tatsächlich tat und mich durchaus ein Weilchen beschäftigte, bzw. zur häuslichen Nachahmung antrieb, was dann aber tatsächlich in die Hose ging.

Das Dîner gab es im Saal Bellevue, Benjamin Biedlingmaier schickte die von mir um Meilen gegenüber der Jakobsmuschel bevorzugte, wenngleich ebenso unvermeidliche Gänsestopfleber mit Birne, dazu gab es Champagne Nicolas Feuillatte Grand Cru Pinot Noir Vintage 2004, was einen einwandfreien Selbstläufer und totalen no brainer ergab, so wohlgefällig rann und glitt alles hinab in den Leib. Stefan Hermann sandte Saibling, Spitzkraut, Gewürzsud, dazu Champagne Moët & Chandon Grand Vintage 2003 in Jéroboam, der vor allem zum Gewürzsud nachhaltig Eindruck machte und einen Hirsch mit Kürbis, Pistazie, Bulgur, dazu Champagne Laurent-Perrier Cuvée Rosé, eine ziemlich risikoarme Zusammenstellung, bevor wieder Benjamin Biedlingmaier dran war mit Weißer Schokolade, Passionsfrucht, Vanille, dazu gab es Champagne Veuve Clicquot Vintage Rich 2004, und wie so oft hätten Dessert und Champagner getrennt voneinander serviert jeweils besser gefallen können.

Im Hotel Bülow Palais gab es noch einen schönen Ausklang mit Champagne Laurent-Perrier Brut Millésimé 2006, nachdem ein Grand Siècle aus angekauften Beständen nicht überzeugen konnte (Kork) und erst ein lupenreiner Cristal 2006 wieder alles ins Lot gebracht hatte.

Lese 2015 und einige Empfehlungen von der letzten Bulles Bio in Reims

Verehrter Lesefreund! Die Lese ist rum. Nach allem, was ich so höre, war sie ganz erfreulich. Der Winter 2014/2015 war mild, der Reifezyklus ging ziemlich zügig voran und ließ eine frühe Ernte erwarten. Trockenheit und Hitze spielten den Winzern mehr in die Hände, als dass sie Probleme bereitet hätten, Vergleiche mit dem 1976er Jahrgang habe ich mehrfach gehört und gelesen. Im August gab es einen kleinen regnerischen Dämpfer, die große Botrytisgefahr blieb aber dank kühler Temperaturen aus. Der September bügelte die Delle weg, vor allem die Tag-Nacht-Temperaturunterschiede beförderten eine gesunde weitere Reifung. Die Lese konnte wie erwartet früh beginnen und bedurfte nur bei den Meuniers erhöhter Wachsamkeit. Potentielle Akoholwerte zwischen 10,5% und 11% und Säurewerte von 8 bis 8,5 g/l H2SO4 allüberall lassen die Ernte sehr vielversprechend erscheinen, eine Herausforderung wird voraussichtlich darin liegen, die Reife- und Alkoholwerte ins Gleichgewicht zu bringen. bzw. dort zu halten. 

 

Das wer der Blick nach vorn. Der ins Jetzt und in die Vergangeheit ist mindestens genauso wichtig. Dabei will ich nicht versäumen, auf einige Winzer und ausgesuchte Champagner hinzuweisen, deren Kauf und Verzehr mir dringend geraten scheint, nachdem ich mich auf der letzten Bulles Bio noch einmal gewissenhaft davon überzeugt habe, nicht am Ende doch daneben zu liegen. Hier also meine Favoriten:

 

Von Larmandier-Bernier habe ich gleich mehrfach den Vieille Vigne du Levant Grand Cru Extra Brut Millésime 2007, u.a. dég. 1. März 2015, probiert. Der ist so exemplarisch für Cramant, so rund, augewogen und saftig, so punktgenau zwischen Säure und Frucht, Pracht und Finesse, dass er wie die Aufhebung der Heisenberg'schen Unschärferelation wirkt. Bei den Blindproben für Meininger und für den Sternefresser Bubble Tank (dazu im nächsten Beitrag mehr) haben die Larmandier-Bernier Champagner leider nicht so abgeräumt. Macht aber nix. 

 

Aus dem Süden der Côte des Blancs kann man heutzutage nicht mehr einfach so nach Norden in die Vallée de la Marne oder Montagen de Reims fahren. Ein Schwenk in das Sézannais ist unerlässlich. Dort wartet z.B. in Villenauxe la Grande Champagne Barrat-Masson. Deren Chardonnay aus der Lage Les Marsannes (aktuell Ernte 2011) kann ich nur immer wieder und immer verschärfter empfehlen, damit es nachher nicht heißt "warum hast Du nichts gesagt?". Kaum merkliche 15% Fassanteil und ein Festival von Mandarine und Nektarine ergeben einen Chardonnay, der nach einer Phase der Heliumleichtigkeit im Frühjahr nun strotzend und stark ist, ohne vornüber zu kippen. Ungebundenheit, Stärke und Präzision machen diesen Champagner aus.

 

Über Thomas Perseval aus Chamery habe ich schon im April nur Gutes zu berichten gewusst. Geilen Saufstoff macht er nach wie vor, seine Cuvée Tradition aus 45PN 45M 10CH, 2012er Basis gehört in jeden gut sortierten Keller, ich rate außerdem dazu, genug davon einzulagern, bevor Preis und Verfügbarkeit die Rechnung wieder durchkreuzen.

 

Und was tut sich in Villers aux Noeuds unweit von Chamery? So manches. Olivier Langlais legt dort Champagne Solemme auf. Ein Biodyn-Vorzeigeprojekt auf knapp 6 Hektar, ich habe von der einzigen Cuvée die es dort momentan gibt, dem bundosierten Blanc de Blancs Nature de Solemme, die Jahrgänge 2011 (Jungfernjahrgang) und 2012 probiert. Viele Flaschen gibt es davon nicht, genaue Zahlen kenne ich nicht, aber die 2013er Ausgabe wird 4000 Flaschen für den Markt ergeben und die 2014er Ernte wird 5000 Flaschen bringen. Wenn die Entwicklung, die sich hier schon von 2011 zu 2012 abzeichnet weiter anhält, dann kommt da ein Champagner mit Riesenschritten auf uns zugerannt, der sich einen Platz im Oberhaus der Region verdient hat. Feine reduktion, schnittige Säure, sehr apart und gleichzeitig hochkomplex. Beobachten lohnt sich hier!

 

Selbst die kürzeste Empfehlungsliste wäre unvollständig ohne den Hinweis auf Champagne Charlot-Tanneux aus Mardeuil. Der reinsortige Chardonnay L'Or des Basses Ronces (Millésime 2011) ist schon wieder so ein herrliches biodynamisches Meisterstück. Wie die von den Inquisitoren eingesetzte Mundbirne spreizt der Champagner den Mund auf und am Ende meint man, der Kopf müsse vor lauter Aroma platzen. Die versöhnliche Säure erdet das Bewusstsein wieder und lässt einen erstaunt schweigenden Trinker zurück.  

 

Der Marne folgend kommt man mit etwas Geduld nach Fossoy, wo Benoît Dehu über Holz aus seinem Wäldchen bei Meilleray gebietet, bzw. daraus Fässlein fertigen lässt, in denen seine Champagner entstehen. Besonderes Augenmerk hat ein Champagner verdient, der als Einzelfass völlig aus der reihe tanzte. Eigentlich hätte daraus der reinsortige Meunier aus der Parcelle La Rue des Noyers werden sollen, die an sich schon aufregend genug ist. Dieses spezielle Fass aber wollte da nicht mitmachen und wurde farblich ein Oeil de Perdrix mit auch sonst devianten Eigenschaften. Die wiederum hat Benoît (dessen Namensvetter in Oeuilly über ein ähnlich verrücktes und hernach zum Riesenerfolg geratenes mocque tonneau verfügte) champagnifiziert undosiert gelassen und unter dem Projektnamen Pythis (oder Pythie) zur Debatte gestellt. Ab November 2015 wird es davon 320 Flaschen geben, dann ist das Fass leer und der Spuk vorerst vorbei. Der Champagner hingegen ist gewaltig und reicht weit über die Aromenwelt von bloßem Meunier hinaus. Schon jetzt Kaffee, Kakaobohne, Kirsche, pflanzliche Einflüsse und keine Spur von Überreife. Was da noch alles kommen mag, kann man sich nur schwer ausmalen und die Versuchung wird riesig sein, die beiden Flaschen die ich mir gesichert habe, nicht vor der Zeit zu öffnen.   

 

In Polisot reißt, resp. zerrt, resp. zieht Roland Piollot, der Mann von Dominique Moreau (Champagne Marie-Courtin) immer mehr Aufmerksamkeit auf oder an sich, bzw. auf Champagne Piollot Père et Fils. Sein reinsortiger, undosierter, nur minimal geschwefelter Weißburgunder aus der Lage Colas Robin, Erntejahr 2010, gehört mit dem Zeug von Cedric Bouchard und Charles Dufour zum Kanon der großen Rebsortenchamnpagner. 

 

Wenige Kilometer entfernt lohnt sich stets der Check im Hause Ruppert-Leroy. Deren Chardonnay aus der Lage Martin-Fontaine (aktuell: 2012er Ernte) betört mich jedes Mal aufs Neue. Apfelkompott, Ananas, Rumrosine, Zitronenzeste. Zutaten, wie man sie jedem reifen, ja sogar leicht überreifen Chardonnay zubilligt, oder zutraut, wenn nicht sogar gänzlich voraussetzt. Nur hier gibts das in einer Aubeinterpretation, die den schon leergesuchten Horizont wider jedes Erwarten weitet. 

 

Bertrand Gautherot, dessen Freude an bunten Klamotten sich nicht so sehr in der Etikettengestaltung wiederfindet, aber dafür in seinen Vouette & Sorbée Cuvées reflektiert wird, hat mit dem undosierten Extrait 2006 einen Champagner aus fassvinifizierten 60PN 40CH gezaubert, dessen vollmundige Herbe zusammen mit der verblüffenden Frische elektrisiert. 

Champagne Suenen, Cramant

Aurelien Suenen ist eigentlich Basketballtrainer. Als sein Vater starb, musste er sich überlegen, ob er lieber weiter Basketballdamen oder wilde Hefen bändigen will. Er entschied sich für die Hefen. Seit 2012 gibt es nur noch Spontangärung, vieles geht nach dem Mondkalender. Bei der Weinbereitung gibt es mal Malo und mal nicht, das hängt ganz vom Jahr ab. Alles sechs Monate wird über die Dosage neu entschieden, die liegt dann irgendwo zwischen 0-10 g/l, im Grunde ist also alles möglich.

 

Um die Weine von Aurelien Suenen zu verstehen, sollte man sich einmal mit der Lage seiner Weinberge vertraut gemacht haben, das geht eigentlich ganz schnell, weil alles schön zwischen Oiry, Chouilly, Cramant und Avize verteilt ist, im Verkostungsraum hilft außerdem eine große Übersichtskarte bei der Orientierung. Ein Schluck von den Fassmusterreserven gibt dann weiteren Aufschluss, Fragen lässt die ungewohnt detailreiche Ausführung und Kommentierung von Aurelien Suenen eigentlich sowieso nicht offen.

 

Oiry, Basis 2014 mit 80%, 20% sind 2013, 100 Barrique. Mineralsalz, Leichtigkeit, etwas Banane, das sind bei Aurelien die Merkmale von Oiry. Cramant und Chouilly sind ausdrucksvoller, exotischer, sucré-salé, mich erinnern sie an karibische Bananen-Austernspiesschen mit braunem Kandis, bei raffiniert verbauter Säure, mein Empfinden: das ist viel reicher als Oiry, mit feinerer Balance, und trotz der räumlichen Nähe völlig anders.

 

Bei meinem Besuch im Sommer 2015 gab es morgens à la volée degorgierte Champagner, die ab Ende 2016 verkauft werden sollen.

 

Oiry, Basis 2013 verfügte über eine kräftige Säure, anschmiegsamen Druck, merkliches Barrique, etwas agrumes und grünen Apfel. Das Duo Cramant und Chouilly auf Basis 2013, hatte wie beim 2014er mehr Fruchtfleisch, Reichhaltigkeit und in dieser Fassung deutlich mehr nasse Kreide. Oiry, La Cocluette 2013, stammt von 90 Jahre alten Reben und kommt als erster Parcellaire teilweise aus dem Betonei, das bringt Mikrobatonnage, die für das Kokosraspelaroma verantwortlich sein mag, außerdem Milchcrème, Steinobst, Konzentration und eine kecke Äpfelsäure (da kein BSA durchlaufen wurde). Es folgte der 2013er Meunier von ungepfropften Reben (natürlich aus dem Norden der Champagne), hier giobt es leider eine gewisse Anfälligkeit  für die verfluchte Kirschessigfliege, dadurch musste der Verlust der halben Ernte verschmerzt werden; das was übrigblieb hat einen brotigen Charakter, zu dem ein sonntäglicher Fruchtaufstrich, etwas Bachbett und nasser Kies gut passen und Entspannung vermitteln. Damit nicht alles zu lax wird, kommt dann Tellycherrypfeffer ins Spiel, dadurch erhält der Meunier seine reichhaltige aufgerauhte Art, behält kräuterige, würzige Noten. Kein BSA, kommt 2019 auf den Markt.

 

Die Cuvée Reserve, 40% 2012, 60% aus 08, 09, 10, sehr wenig 11, besteht aus 45PN 55PM und ist seit Ende September erhältlich. Die Weine sind zu 50% spontan vergoren, ein Viertel hat Barrique gesehen. Die Cuvée selbst hat dann einen vollen BSA mitgemacht, dégorgiert wurde seit dem 20. März 2015, 6 g/l Dosage. Der Champagner ist weich, mir minimal zu hoch dosiert, leicht pflanzlich und als Pinotchampagner noch nicht ganz überzeugend. 

 

Der Blanc de Blancs ist mir da lieber. Basis hier ist wieder 2012, 20% waren im Barrique, BSA wurde gemacht, 50% sind auch hier spontanvergoren spontan; Dégorgierdatum ist identisch mit der Réserve, die Dosage liegt bei 3 g/l; 50% der Trauben stammen aus Oiry, 50% aus Cramant/Chouilly; die Cuvée schwebt daher zwischen den Welten. Der Oiry-Teil ist karg, säuerlich, mager und salzig und Cramant/Chouilly, fetter, fruchtiger, dicker. Der Mix ist auf der gediegenen, unangestrengten, aber spannungsvollen Seite.

 

MBDA ist eine Generationsvornamencuvée, 50PN stammen aus dem Massif St. Thierry, 50CH, sind auf Basis 2010, die Weine haben 15 Monate sur lie verbracht, mis en bouteille war 2012, 60% waren im Barrique, dégorgiert wieder am 20. März, bei 3 g/l Dosage. Es handelt sich um das letzte Dégorgement, dann ist Schluss. Diese Cuvée hat für Aurelien eine ganz eigene Bedeutung, da es die erste Cuvée ist, die ganz nach seinen eigenen Vorstellungen entstanden ist, das entspricht ein wenig Tristan Hyests Colostrumidee und sprach mich bei meiner ersten Begegnung gleich an. Kräftiger Pinot, Gojibeere, Herzkirsche, dann geht es in Richtung getrockneter Weinbeere und Physalis, bis hin zum goldenen Abschluss mit Golden Delicious.

 

Bei Suenen ist viel los und vieles in der Mache. Alles was absehbar ist und in den nächsten Jahren auf den Markt gelnagen wird, hat schon jetzt das Zeug, die Keller der Kenner zu erobern. Champagnerspürnasen sollten sich hier rechtzeitig Kontingente sichern. 

Champagne Besserat de Bellefon, Epernay

Als ich zuletzt bei Besserat de Bellefon war, kannte ich die Cuvée B de B schon ein Weilchen und hatte u.a. damit beispielsweise den letzten Jahreswechsel begossen. Dieser Champagner bietet viel Kuchenteig, bei milder Holznote, gewohnt und gekonnt sahnigem Mousseux, Brombeere, Heidelbeere und Holunderblüte. Nicht der ganz große Aufschlag, eher ein Lustschlösschen, als Versailles. Wenn man aus mönchischem Gefilde kommt, ist das völlig ok. Die eigentliche Domäne von Besserat de Bellefon bleibt deshalb auch dort zu suchen, bzw. verorten.    

 

Die aktuelle Cuvée des Moines begeistert mit sahnigem Mundgefühl und erfrischender Minze mit einer weniger scharfen, als vielmehr duftigen Schwerpunktsetzung die gut zur üppigen Säure passt. Briocheduft rundet alles köstlich und wenig mönchisch, sondern ziemlich weltlich ab. Mal wieder sehr gut gelungen, muss ich sagen, und ein erdbebensicheres Fundament für alle übrigen Cuvées des Hauses. Darauf kann man von Lustschlösschen bis zum Wolkenkratzer alles errichten, wobei die Cuvée des Moines Rosé (30CH, 30PN, 40PM) zu den weniger eleganten Bauwerken gehört. Da wird zu meinem Leidwesen ein für mich etwas zu weiniger Stil gepflegt, mit einer Früchtekonzentration, die sich nicht mehr ganz mit dem leichten, sahnigen Mönchsstil verträgt..

 

Vom 1942er Besserat de Bellefon habe ich ja schon erzählt, so dass ich hier bedenkenlos zu den Vinothekversionen einiger Jahrgänge hinüberschwenken kann, die alle so um die 4 g/l dosiert sind.

 

1995 50CH/50PN, habe ich blind glatt für einen 98er gehalten, das Geheimnis seiner jugendlichen Frische war der Verzicht auf BSA was ihn noch einmal frischer wirken ließ. 

 

2000 100CH, hier kam der typische Charakter des 2000ers durch, ein gut entwickletes Röstaroma, Reife, Saftigkeit und eine nicht zu dicke Aromenschminke, vor allem aber eine freche Säure, die entfernt an Comtes de Champagne 2000 erinnerte. Für die Ewigkeit ist das vielleicht nicht geeignet, wird aber noch eine ganze Zeit Freude bereiten.

 

2002 50CH/50PN, war perfekt balanciert,  bemerkenswert die Vanillearomatik und das Bäckereidüftchen, die ohne Holzeinsatz in den Champagner gekommen sind, bzw. dort heraus. Mindestens ebenso schön wirkte auf mich die sich nobelstens entfaltende Reife, der Champagner wirkt dadurch wesentlich süsser als er tatsächlich dosiert ist. Als ich den vor ca. drei Jahren das erste Mal probiert habe, gefiel er mir schon sehr gut und hat sich bestens entwickelt. Klar dem 2000er überlegen.

Champagne in the brain

Nicht nur, dass mein Denken jeden Tag und unausgesetzt um Champagner kreist, nein, mittlerweile habe ich durch den hochleistungshaften Verzehr von Champagner auch das Gefühl, dass Liquor und Rückenmarksflüssigkeit überwiegend bis vollständig aus Champagner bestehen, was wegen der dadurch quasi eingebauten Bandscheiben-Federung eine sinnfällige Erklärung für den von mir seit zigtausend Kilometern nicht bemerkten, aber nach dem glaubhaften Bekunden der gelegentlichen Mitfahrer ebensolange überfälligen und mithin notwendigen Austausch der Stoßdämpfer meines Champagnemobils wäre. Meine Mitwelt hat es da mit dem bemerken freilich sowieso leichter, denn natürlich ist der geballte Unsinn den ich verzapfe ein noch viel treffsicherer Indikator für ein bereits mittelprächtig ausgefaltetes Korsakow-Syndrom. Doch habe ich luzide Intervalle, Momente höchster Klar- und Reinheit, hervorgerufen durch die Nachbetankung mit teilweise überirdischem Champagner, oder doch zumindest Champagner, der mich ruckartig aus dem üblichen Säuferirrsein reisst, profuses Schwitzen und andere vegetative Entgleisungen sind in diesen Augenblicken allein auf den Champagner zurückzuführen. Einige der zuletzt gehabten will ich hier kurz vorstellen. Den Herrschaften von Besserat de Bellefon habe ich schon vor langer Zeit empfohlen, die zuverlässige Gamme sahnemoussiger Cuvée des Moines Champagner um eine ausgemachte Prestigecuvée zu erweitern, um dem sonst seltsam unvollständig wirkenden Portfolio so etwas wie einen Schlußstein ins Gebälk zu pflanzen. Mit der Cuvée B de B ist man meiner immer drängender Aufforderung dann endlich gefolgt, bzw. mit meinem Wunsch und Begehren hatte das natürlich alles gar nichts zu tun und deshalb soll es an dieser Stelle auch um einen ganz anderen Champagner gehen, den ich bei einem Besuch des Hauses in Epernay dabeihatte: Besserat de Bellfon 1942. Champagner aus einer Zeit also, in der das Haus noch in Ay ansässig war. Da die eigenen Bestände bei Besserat nur bis in die ca. frühen Achtziger zurückreichen, war die Freude natürlich groß und umso größer, als der Champagner sich in sehr guter Verfassung zeigte. Erstaunlich frisch, wenngleich ohne jegliches Sprudeln, mit viel agrumes, nur leicht maderisiert und wenn ich blind hätte tippen müssen, eher an einen 1973er erinnernd. Was hat mich in den letzten Wochen sonst noch fasziniert, hingerissen und/oder begeistert? Tarlant ist eine einzige große Ideenwerkstatt und eine Champagnermanufaktur, in der Intellekt und Heiterkeit keine Widersprüche sind. Ein ums andere Mal kann ich mich für den Brut Zéro begeistern, so auch bei meinem letzten Besuch im August 2015. Und den im Frühjahr vorgestellten 2003er La Matinale durfte ich bei der Gelegenheit auch noch einmal unter die Lupe nehmen: Trüffelduft, Kaminholzscheite, Honig. Milde Säure, tauüberglänzte Blüten, Robustheit und Zebrechlichkeit, die Frucht und der Lohn einer frühen, die Säure rechtzeitig sichernden Lesetätigkeit im Hitzejahr 2003. Krug Grande Cuvée und Krug Millésime 2000 haben im Blindtest ein vorhersehbares Ergebnis geliefert, die Grande Cuvée schnitt einen Hauch besser ab, als der Jahrgang, dessen Eigenheiten hervorstachen, der aber vor allem rasend frisch wirkte und dessen Zitrusfrucht ihn höchst alert wirken ließ. Ganz charakteristisch, mit enorm viel Walnuss und Apfel, ganz wie man es erwarten darf, nur eben schon schön gerundet und etwas zugänglicher als der Jahrgang, wirkt die aktuelle Ausgabe der Grande Cuvée. Beide gehören, aller gelegentlich auftauchenden Negativkritik zum Trotz, zu den ganz großen Champagnern und ich denke, bei mir wird die Grande Cuvée stets den Vorzug genießen. Richard-Dhondt Egal, aus welcher Richtung man kommt, an Richard-Dhondt führt in Dizy kein Weg vorbei. So ganz hundertprozentig ist das in der Champagnerwelt noch nicht angekommen. Der Verbreitungsgrad von Richard-Dhondt ist in Deutschland deshalb noch eher dürftig. Schade. Den Grand Cru Extra Brut 2007, 50PN 50CH empfehle ich hier erstmals, er dürfte für Fans des reiferen, weinigeren Stils eine willkommene Abwechslung zu den bekannten Größen etwas weiter westlich sein. Brioche und die dazugehörige feine Süße neben einer guten Portion Autolyse und Holzeinsatz, machen diesen Champagner zu einem kleinen Juwel, das den Vergleich mit größeren Gemmen nicht scheuen muss. Ob das d'Hondtsche Höchstzahlverfahren mit dem Erzeuger etwas zu tun hat, ist mir nicht bekannt. Ziemlich hohe Zahlen in Punkten ausgedrückt könnte ich mir hier aber als machbar vorstellen. Die Blanc de Blancs Grand Cru Cuvée Solera Brut Nature, die alles abgreift, was irgendwie Mode ist oder gefragt sein könnte, sagte mir zwar nicht so sehr zu, war aber mehr als ordentlich gemacht und wird einige Chardonnaytrinkerherzen im Sturm erobern können. André Roger Millésime Grand Cru 2008, Ay. Wie auf der Galaportechaise hereingetragen wirkt dieser Champagner zunächst. Würdevoll, getragen, langsam. Mancher würde vielleicht auch sagen bräsig. Aber nur beim ersten flüchtigen Eindruck. Phenolisch, medizinal, mit Kastanienhonig ist der und somit kaum geeignet, sofortige Begeisterung zu erzeugen. Aber dann kommt der Champagner mit einer dermaßen flotten Säure aus dem Keller, dass man sich wie umgerempelt und sodann betäubt vorkommt, ich jedenfalls wusste gar nicht, wie mir geschah. Und das, nachdem im selben flight schon Grand Siècle, Grande Cuvée und Grande Année 2005 vorbeiparadiert waren. Spitzenmäßig, für mich knapp vor Bollinger und Laurent-Perrier. Ob auf lange Sicht, mag mal dahinstehen – jetzt jedenfalls saustark. Weltklasse ist auch immer wieder Georges Laval aus Cumières. Leider sind die Mengen der Lagenchampagner absurd klein und schon die regulären Champagner sind rar genug, um gehobene Preise zu rechtfertigen. Doch lohnt sich die Investition in jedem Fall. Der Cumières Premier Cru Brut Nature ist eine Lektion in Säure und Zitrusfrüchten, bei gleichzeitiger Zahnfleisch- und Magenfreundlichkeit. So forsch, beinahe frech, aber nicht ungezogen, selbstbewusst, mit Führungsqualitäten, jeder Menge Kumqat, Grapefruit, Nektarine und dem Fruchtfleisch von den großen türkischen Pfirsichen (die mit der rauehn Raphe scroti), dennoch wirkt der Champagner ungestresst, ungekünstelt und so. als sei er ohne menschliches Zutun entstanden.  

Und nochmal: Champagner

Anfang des Jahres habe ich meine erste Reise in das Vitryat unternommen und war über meine Unwissenheit  ganz schockiert, ein Schock, der sich bis heute nicht gelegt hat und eine innere Unruhe mit sich brachte, die mich verstärkt dazu antreibt, in die Champagne zu fahren, um diese ungehörigen Lücken mit Champagner und Wissen zu füllen, was ja am Ende gleichbedeutend ist, bzw. überwiegend fülle ich eigentlich nur Champagner in mich hinein. Dankenswerterweise aber ist die Champagne wie ein höherbegabtes Wesen in der Lage, solche Defizite und krassen Fehlentwicklungen vorherzusehen und ihnen mit maßgeschneiderten Mitteln zu begegnen. So kam es, dass Monsieur Claude Kossura auf Einladung der Terres et Vins de Champagne Winzer einen Vortrag über den großen Gebietsdreiklang von der Côte des Bar über den Montgueux bis zum Perthois, das ist die Umgebung des Vitryat, am Leuchtturm von Verzenay abhielt. Zum Glück gab es dazu flüssige Untermalung und passenden Käse, denen ich mich chon einmal mit meiner ganzen Aufmerksamkeit und Körperfülle zur Verfügung stellen konnte, während Monsieur Kossura dozierte.

Das was immer als die berühmte Kreide im Boden der Champagne verkauft wird, ist, so ließ sich erfahren, viel vielgestaltiger, als man gemeinhin denkt. Da gibt es nämlich nicht nur die eigentliche Kreide, sondern auch den von Ammoniten geprägten Portlandkalk (Oberjura, 153 bis 145 Mio Jahre alt) und das etwas ältere ammonitische Kimmeridgien (Oberjura, 163 – 153 Mio Jahre als); die kreidebildenden Belemniten tauchen erst im Turonien, also einem Teil der Kreidezeit (Oberkreide des Mesozoikums, ca. 100 bis 66 Mio. Jahre alt) auf und befinden sich anders als man meinen könnte nicht nur in Le Mesnil sur Oger sondern auch und vor allem im Gebiet rund um Tours, bzw. dort wurden sie erstmals typisiert. Schön und gut, aber was bringt alle graue Theorie, ohne den grünenden goldnen Lebensbaum? Also Gläser gefüllt und eifrig gelernt.

Champagne Piollot Père et Fils verdanke ich eine aufregende Erfahrung mit warm dégorgiertem 1982er Rosé und nun gleich eine ganze Fülle neuer Eindrücke mit dem Champs Rayés Blanc de Blancs 2010, gewachsen in Noé-les-Mallets, mit viel Nuss, dickwandigem Muskelgeflecht und unbändiger Stärke bei anschmiegsamer und weicher Süße, die perfekt zum Lingon passt, ein traditioneller Ziegenrohmilchkäse der Region mit rötlicher Rinde  und feinem Salzgeschmack. Zum Thema Portlandien und Turonien ging es weiter mit Vincent Couche und seiner ADN-Reihe. ADN ist die französische Schreibweise für DNS und um den genetischen Code seiner einzelnen Lagen geht es Vincent folgerichtig in der gleichnamigen Reihe. Der ADN de Montgueux 2010 ist ein Hammer unter den Champagnern und zeigt, dass der Montgueux zu recht mit den großen Burgundern in einem Atemzug genannt wird. So viele aromatische, Mineralität vermittelnde Schwefelverbindungen wie hier gibt es sonst höchstens noch in richtig gutem Meursault. Zum Champ sur Barse, auch dies ein in seiner Grundform leicht salziger, allerdings sehr frischer und bei dieser Gelegenheit gepfefferter Käse der Region, ist das ziemlich dicht am perfekten Genuss. Pascal Doquet lieferte als Dritter im Bunde mit dem Horizons auf 2011er Basis einen Chardonnay-Champagner aus Bassuet ab, der sich mit dem gepfefferten Champ sur Barse ein nichtendenwollendes Rennen auf der Zunge lieferte.

Kimmerdigien war das thema der nächsten Verkostungsrunde, eingeleitet von Marie-Courtin Eloquence 2010, ein Chardonnay aus Polisot, der wie ein gedopter Grüner Veltliner auf mich wirkte, mit sehr viel Pfefferl, Kraut, Pflanzenstoffen, Paprika und einer an Marihuana erinnernden Note. Zum Emmentaler war das eine ganz schöne Herausforderung für den Gaumen, aber einmal gemeistert auch eine, die süchtig macht. Dann durfte Olivier Horiot zeigen, was sein Pinot Noir Val Bazot 2008 aus Les Riceys kann. Der konnte vor allem mit roter Johannisbeere, Aronia und einem Duft von warmem Mulch einen Willkommensempfang für die Quiche aux Champignons de Cussangy bereiten. Vor allem das mulchige Aroma und die Pilze taten einander sehr gut, die Hefe vom Teig und vom Champagner war auch schnell miteinander verbrüdert und das herbsäuerliche Fruchtarome gab der Sache einen energiereichen Antrieb. Der ADN de Buxeuil, ein Pinot Noir von Vincent Couche, der zum Ziegenkäse serviert wurde, blieb mir leider danach nicht so sehr in Erinnerung, dass ich darüber groß etwas notiert hätte. Umso mächtiger drängte sich aber Horiots Barmont 2010 als Rosé de Riceys in mein Bewusstsein, was natürlich auch an seinem Stillweinnaturell liegt. Für mich einer der besten Rosé de Riceys.

Den Schluss bildete das Atelier Kimmeridgien Marneux, hier durfte Piollot seinen Pinot Blanc Colas Robin 2010 aus Polisot zur allgemeinen Überraschung und Freude vorführen, begleitet von einem kräftigen, wunderbar gereiften Soumaintrain. Der Pinot Blanc war zweifelsfrei gut und passte auch zum Käse, zeigte aber keine ganz und gar eigenständige Größe, sondern wirkte mehr getragen von der Käse-Fremdaromatik, auf deren Wellen er freilich sehr kunstfertig zu surfen verstand. Schweinestark war danach Horiots Escharère 2008, ein Pinot Noir, der mit Chaource-Gougères zu ähnlich lustvollen Durchströmungen des Körpers führte, wie der ADN von Vincent Couche mit dem Käse. Trockenkräuter, Verbene, unnachgiebiger Druck und das Gefühl, jemand griffe mit der Faust bis in den Magen hinein. Eine weitere geniale Kombination gab es von Marie-Courtin, deren Concordance 2011 zusammen mit dem Soumaintrain ein trinkbarer Spätsommernachtsraum ist. Bienenwachs, Met, die Leichtigkeit eines feinen Möselchens, dazu Salz, Laktik, Beeren und schier unfassbarer Leichtsinn kommt einen an.

Gelernt habe ich während der drei Ateliers nicht viel, getrunken, kombiniert und mich hinreißen lassen dafür umso mehr. Wichtigstes Fazit für mich: Es gibt fast nichts besseres als Salziges zum Champagner.

Mal wieder Champagner

2015 gab es mehrere schöne Neuentdeckungen, viele Bestätigungen bei den beobachteten Champagnern, die alten Bekannten kamen dabei leider etwas zu kurz. Schöne Chardonnays hat das Jahr mir bisher ins Glas gebracht und es werden bis zum Ende des dritten Quartals noch einige mehr geworden sein, wie ich hoffe. Im Oktober gibt es dann die große Rutsche aller bis 1998 unter der Führung von Champagne Krug entstandenen Clos du Mesnils, ein vorgezogenes Weihnachten und sicher eine der Höhepunktveranstaltungen des Jahres. Die allgemeine Arbeit am Glas darf darüber aber nicht zu kurz kommen und sei hier in verzweifelter Kürze ausschnitt- und überblickartig zusammengafasst.  

Pierre Callot Blanc de Blancs Brut Grand Cru, dicke, reife, fette Chardonnaychampagner sind die Stärke von Callot, den man mit dieser Stilistik gar nicht in Avize vermuten würde. Aber woanders auch nicht. Die typische Chardonnaylangeweile, die von vielen nur mittelguten Champagnern ausgeht, ist Callot fern. Er fordert mit seiner oxidativen, milschschokoladigen, nussigen und dennoch stets frischen und apfeligen Art milden Widerspruch heraus, wobei deutsche Sekthersteller ohne engeren Champagnerbezug den ausgeprägten Luftton reflexhaft als Fehler ablehnen, Verbraucher schätzen ihn hingegen als champagnertypisch und besonders gesuchtes Merkmal. Für mich ist der Champagner von Callot immer eine sichere Zuflucht und ein Behagen verströmender Trunk. 

J. Charpentier Réserve Brut 80PM 20PN, Reservewein aus dem Fuder, mit 9,5 g/l dosiert, ist ein Klassiker der mittleren Marne, mit seiner rötlichen Fruchtgrundtönung, dem Brotduft, der Exotik von Mango-Maracuja Eis am Stiel.  

Maurice Grumier Brut Blanc de Noirs 80PM 20PN, 30% Reservewein, mit 9 g/l dosiert, ist im Vergleich mit Charpentier etwas straffer und enger anliegend, ja disziplinierter, wenn nicht gleich preußischer, aber immer noch als Kind der mittleren Marne zu erkennen und zu schätzen, vor allem, wenn man es etwas strikter mag.

de Venoge Cordon Bleu Légion Etrangère dég. 2011, ist ein Champagner aus 50PN 25CH 25M, der von Urban Legion vertrieben wird und dessen Erlös zu einem teil in soziale Projekte der Fremdenlegion fließt. Den Preis pro Flasche kann man bei ebay oder französischen Placomusophilisten rekapitalisieren, die Kapseln bringen zwischen fünf und acht Euro am Markt. Der Champagner liefert sehr zuverlässig ab. Gerade die länger dégorgierten Ausgaben wie diese hier entwickeln köstliche Reifenoten, sind vollmundig, beinahe schwülstig, aber mit herben, rauchigen und röstigen Noten, die den Champagner gekonnt abgrenzen.   

Vincent Couche hat seine Perle de Nacre auf Basis des 2004ers mit 5 g/l dosiert und findet ebenso wie die Cuvée selbst kein Ende. Der Stoff aus Montgueux hat in den letzten Jahren so viele Facetten gezeigt und ist dabei noch kein bisschen in die Jahre gekommen, dass es doch eine rechte Pracht ist. Eine gewisse Weichheit und wohlgeformte Rundung zeichnet sich aber mittlerweile schon ab und somit ein mehr als erfreulicher Erwartungshorizont beim Einlagern. Ähnliches behaupte ich aufs geratewohl für die demeterzertifizierte Cuvée Eclipsia aus dem Erntejahr 2011, und ungewöhnlichen 80PN 20CH, bei 3 g/l Restzucker und ohne jegliche Dosage. Ganz schön fett, der Champagner, oder klassischer gewendet: schönärschig. Gemäßigter in den äußerlichen Anlagen, aber ein Gingertyp ohnegleichen ist die Roséausgabe der Cuvée Eclipsia, mit 6 g/l dosiert, teils Saignée, teils macération carbonique, mit einer umwerfenden Sauerkirscharomatik. Die Cuvée Passion 2002, 50CH 50PN, dég. Juni 2014 und mit 7 g/l dosiert, war danach mit ihrer völlig anderen Reife und Struktur ein Exempel für die Auswirkungen langen Hefelagers, wobei der Passion keine verstörende Aggressivität innewohnte, sondern unschuldigster Trinkspaß. Die schwefellose Cuvée Chloé auf 2012er Basis mit 2011er PN/CH, stammt aus dem Faß und ist undosiert ein Mordschampagner. Ohne jeglichen Schnickes, unchaptalisiert, ungeschönt, ungeklärt, ungefiltert, mit viel Saft und Kraft. Die Sensation 1997, dég. 2012, erinnerte mich an honey-coated peanuts, Räcuhermandeln und getrocknete Zitronenschale. Sehr schön zu trinken und jetzt mit einer leichten Mürbe ausgestaltet, die noch nicht morbid ist und dem Champagner etwas von beiden Welten, der diesseitgen und der jenseitigen, gibt.      

Aus dem Hause Tarlant kommt schon lange ein nicht versiegen wollender Strom, origineller Champagnerideen und es folgt mit verblüffender Zuverlässigkeit eine Umsetzung, die nichts zu wünschen übrig lässt. Der Zéro auf 2007er Basis (55%) mit Reserven (volle 45%) aus 2006, 2005 und 2004 ist weiterhin als Drittelmix zusammengeschraubt; im September 2014 dégorgiert gab er sich brotig, nussig und straff, eben als der kernige Typ, den man erwartet, wenn man einen Zéro Dosage öffnet. Schön. Die Roséversion auf 2008er Basis, dég. Juli 2014, ist weiterhin eine der schärfsten waffen im Kampf gegen die Verkitschung und modische Anbiederei des Roséchampagners. So soll er bitte bleiben. La Matinale 2003 ist ein famoser, undosiert gebliebener Gleichklang aus Säure und Masse, so eine Art Tesla P85D unter den Champagnern und der Lohn frühmorgendlicher Arbeit im Weinberg. Der Name La Matinale kommt nämlich daher, dass im Jahr 2003 morgens immer sehr zeitig geerntet werden musste, um die Säurewerte einzufahren, die den Champagner lebhaft halten. Daraus entwickelte sich der tarlanttypische Cuvéespitzname, der sich schließlich offiziell durchsetzen konnte. Der 2004er Vigne d'Or (100M), dég. März 2015 kommt erst im september 2015 auf den Markt und jetzt schon sehr vielversprechend, das reinste Johannisbeergelee, lebhaft wie eine Katze, die nicht in das für den Transport zum Tierarzt bestimmte Körbchen einsteigen will und trotzdem verschmust. Der rebsortenmäßig große, altersmäßig jedoch jüngere Bruder vom Vigne d'Or ist der Vigne Royale aus 100PN, die in Condé sur Marne stehen. Erntejahr ist 2003, der nächste wird erst wieder den Jahrgang 2007 tragen. Die aktuelle Ausgabe ist seit September 2014 im Handel und dort aus dem Dornröschenschlaf erwacht, die schlaftrunkene Süße und Weichheit des Champagners ist einer putzmunteren Aufgewecktheit gewichen, die sich viel Anmut bewahrt hat, aber jetzt vor allem gesunde Burgunderaromen entwickelt. Der Vigne d'Antan ist jetzt im Jahr 2002 angekommen und frisch in den Handel gelangt. Als Brut Nature mit feinstem Pilzaroma und jugendlicher Frische, etwas machohafter Säure und goldenem Toast wirkt er wie ein völlig entfesselter Comtes de Champagne, der versehentlich mit Dom Pérignon aufgegossen wurde. Die Cuvée Louis, dég. Juli 2014 und mit 1,4 g/l dosiert, die zu den bestpreisigen Spitzenchampagnern gehört, ist auf Basis (=85%) des 99ers mit Anteilen aus 98, 97 und 96 einer der großen Würfe dieser an starken Champagnern schon so reichen Reihe.